Hotellerie

Hotel ist Hotel ist Kapitalanlage

Peter Grunder – 19. Juli 2017
Wenn im Berner Oberland Hotels in neue Hände übergehen, sind es fast zur Hälfte ausländische. Eine brandaktuelle, faszinierende Studie leuchtet Hintergründe aus.

Die Diplomarbeit hat es in sich: Zum einen stammt die Autorin Sophie Etterli aus einer bekannten Interlakner Familie von Gastgebern und Immobilienfachleuten. Zum anderen behandelt die Arbeit der angehenden Immobilientreuhänderin den ausländischen Einfluss auf die Hotellerie im Berner Oberland. Und schliesslich arbeitet Sophie Etterli zusammen mit Françoise und Jürg Zumkehr, die spezialisiert auf Handwechsel ins Ausland sind– und einen Ruf wie Donnerhall haben.

Dieser Ruf ist zweischneidig. Das hat mit dem konservativen lokalpolitischen Engagement von Jürg Zumkehr zu tun, ist oft zwischen den Zeilen der Arbeit von Sophie Etterli zu lesen – wird aber auch von ihr selbst thematisiert: «Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Chancen, welche ausländische Investoren für die Hotellerie und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Feriendestination Berner Oberland bieten, die Gefahren in Bezug auf ‹den Ausverkauf der Heimat› überwiegen.»

Die Ambivalenz lässt sich auch anders formulieren: Nachfolgende Generationen der hiesigen Gastgeber wie auch ausländische Investoren, die stattdessen einspringen, haben aus völlig unterschiedlichen Gründen wenig Interesse am eigentlichen gastgewerblichen Geschäft. «Die hohe Arbeitsbelastung und Präsenzzeit lassen sich mit den moderaten Verdienstmöglichkeiten nicht rechtfertigen», schreibt Etterli mit Blick auf Nachfolgeprobleme, die ein Hauptgrund für Verkäufe sind. Überdies seien die Betriebe, vor deren Übernahme die nachfolgenden Generationen stünden, «oft mit hohen Anlagekosten belehnt und benötigen eine umfassende Überholung der Liegenschaft sowie der veralteten Betriebskonzepte». Womit sich die Interessen hiesiger Nachkommen und ausländischer Investoren treffen: «Gerade in solchen Situationen bieten die ausländischen Investoren eine attraktive Lösung, um noch möglichst viel Kapital aus der Hotelliegenschaft zu generieren.»
Die ausländischen Investoren wiederum lassen wenig Zweifel daran, was sie antreibt. Wie Etterlis faszinierende Untersuchung nahelegt, geht es überwiegend um die sichere Anlage in der Schweiz. Das ergibt sich aus den hochinteressanten Aussagen von ausländischen Investoren und Schweizer Fachleuten – sie decken sich übrigens nicht gänzlich, was ebenfalls Rückschlüsse erlaubt (vgl. Grafik). Klar erscheint aber, dass ungefähr die Hälfte aller Berner Oberländer Hotels, die in den letzten Jahren die Hand gewechselt haben, ausländisches Eigentum wurden.

Solch ausländisches Engagement hält Sophie Etterli nicht grundsätzlich für nachteilig, zumal Häuser nicht ins Ausland verschoben werden können. Entscheidend ist laut Etterli, «dass der Hotelbetrieb kontinuierlich unterhalten und entsprechend auf den Lebenszyklus der Liegenschaft eingegangen wird». Weiter sei es «wichtig, dass er innovativ und nachhaltig geführt wird, die ‹Swissness› erhalten bleibt und Inund Ausländern gute Arbeitsplätze bietet». Denn nur dann könne «von einem erfolgreich geführten Hotelbetrieb mit Zukunftsperspektiven gesprochen werden, welcher sowohl den Touristen wie auch den Einheimischen Freude bereitet». Hotel 1 So gewichten ausländische Hotel-Investoren ihre Motive. Um die Grafik in voller Grösse zu sehen, klicke auf diese.

Hotel 2 So gewichten Schweizer Fachleute die Motive ausländischer Investoren. Um die Grafik in voller Grösse zu sehen, klicke auf diese.