Hotellerie

Grand Hotel Kronenhof: Innovation und Tradition

Reto E. Wild – 30. Juli 2019
Das Grand Hotel Kronenhof in Pontresina ist ein traditions­reiches Haus, das mit neuen Produkten wie Mental Coaching den veränderten Ansprüchen der Kundschaft gerecht wird. Ein Augenschein im beschaulichen Engadin.

Das Leben nachhaltig verändern, Klarheit und mentale Kraft erlangen: Das alles verspricht ausgerechnet das über 170 Jahre alte Grand Hotel Kronenhof in Pontresina GR. Anfang August und vom 27. bis 29. September 2019 besteht beispielsweise die Möglichkeit, beim «Solution Walk» mit dem Schweizer Arbeitspsychologen und Bergführer Thomas Theurillat einen halben Tag Alltagsprobleme anzusprechen und lösungsorientierte Zie­le zu setzen. «Wir vertrauen Thomas unseren Gästen an», sagt Marc Eichenberger (43). Der innovative Hotelier ist seit April 2013 Direktor des Kronenhofs und war vorher im Suvretta House in St. Moritz, im Hassler Rom sowie im Park Hotel Weggis. «Unsere Kundschaft schätzt die Natur mit den Engadiner Bergen. Sie geht auf Spaziergänge, macht Wanderungen oder übt sich im Alpinismus.» Vor vier Jahren habe das Grand Hotel eine Ausbildung im Alpinismus mit der Besteigung des Piz Palü angeboten. «Wir fragten uns, wie wir die Berge den Gästen noch näherbringen können, und so kam es zu der Idee mit dem Coaching.» Das Fünf-Sterne-Hotel setzte bewusst auf die Oneday Coaching GmbH von Theurillat (Details im Kasten links), weil er umfangreiche Erfahrungen im Alpinismus sammelte. Rolling Stones als positives Beispiel
Beim 850 Franken teuren «Solution Walk» ins wildromantische Rosegtal kommt es zu einer sehr persönlichen Begegnung mit dem Arbeitspsychologen. Mit spezifischen Fragen erörtert er schnell, wo dem Gast der Schuh drückt. Das kann bei der Arbeit sein, in der Beziehung oder ein Problem in der Freizeit. Theurillat erklärt: «Sie müssen CEO von Ihrem eigenen Leben werden. Unsere Grossväter erkundigten sich am Sonntag beim Pfarrer. Heute müssen Sie selbst auf eine Lösung kommen. Und mit einem Coach, der es gut mit Ihnen meint, funktioniert das in der Natur bestens.» Erholung sei ein Begriff, der unterschiedliche Prozesse zusammenfasse: einerseits den Abbau von Stressreaktionen sowie den Aufbau von Ressourcen und Vitalität in einem guten Hotel. «Letztlich begleiten wir Menschen zu ihrem Ziel. Wir helfen, Ziele zu finden und zu erreichen. Wichtig ist, aktiv zu sein und nicht auf bessere Zeiten zu warten.» Die Rolling Stones seien seit 50 Jahren erfolgreich, weil sie einen Plan haben. Und einen solchen Plan, so ist Theurillat überzeugt, braucht jedes Hotel und jeder Mensch. Seine Kunden, darunter auch Sportler und Manager, seien vielfach um die 50 Jahre alt. «Sie überlegen sich lieber jetzt, wohin sie wollen, statt mit 60 in einer Sackgassse zu landen.» Hoteldirektor Eichenberger ist sich bewusst: «Mit diesem Angebot können wir nicht die grosse Masse bewegen. Es ist aber ein zusätzliches Angebot für die Kronenhof-Gäste, die Fragen im Leben beantworten möchten und die einen hohen Anspruch an ihre Zeit und Lebensqualität haben.» Der beste Marketingfaktor im Sommer sei allerdings noch immer das Wetter, sagt Eichenberger. Er spricht von «Hitzeflüchtlingen» aus dem Mittelland. Viele hätten diesen Sommer kurfristig angerufen, um endlich mal wieder eine kühle Nacht zu verbringen. Dabei sind die Preise im Sommer attraktiv: Von Mitte Juni bis Mitte Juli kostete das Doppelzimmer für zwei Personen inklusive Abendessen ab 395 Franken. «Im Sommer sind wir maximal 30 Prozent günstiger als im Winter. Zur warmen Jahreszeit übernachten die Gäste durchschnittlich knapp vier Nächte, im Winter über fünf», informiert Eichenberger. «Knapp 60 Prozent unserer Kunden sind Stammgäste, über 50 Prozent aus der Schweiz. Es ist schön, einen so starken Heimmarkt zu haben.» Internationale Gäste, so der Hotelier, wollen vermehrt Destinationen kombinieren, etwa Pontresina mit dem Comersee oder mit dem Glacier Express bis Zermatt. Jackett statt Flipflops
Beim Abendessen im prunkvollen «Grand Restaurant», wo Abend für Abend ein Viergänger aufgetragen wird, zeigt sich die traditionelle Seite des Kronenhofs. Am Eingang steht auf einer Informationstafel: «Um dem Stil und der Tradition des Hauses gerecht zu werden, bitten wir Sie, zum Diner eine elegante Garderobe zu wählen (Jackett für die Herren, keine Blue Jeans).» Einige Jeansträger sind trotz der dezenten Aufforderung auszumachen. «Der Veston entspricht der Tradition, dem Grand Hotel und seinem Saal die Ehre zu erweisen. Wenn wir davon absehen, kommen die Gäste in kurzen Hosen und Flipflops», begründet der Hotelier die Tafel. Wer es lieber rustikaler mag, kann sich im Gourmetrestaurant «Kronenstübli» verwöhnen, das seit 2016 mit 16 GaultMillau-Punkten ausgezeichnet ist. Eichenberger steht vor der Herausforderung, für dieses denkmalgeschützte Traditionshaus mit seinen 112 Zimmern und Suiten neue Gäste zu finden, ohne die Stammkundschaft zu verärgern. «Wir wollen ein Haus für alle Generationen sein. Erst kürzlich begrüssten wir hier einen Gast, der seinen 100. Geburtstag feierte. Er hat die ganze Familie eingeladen – inklusive Enkel und Urenkel.» Das Hotel hat einen «Kids Club» mit Kindertischen ab 18.30 Uhr eingeführt, einen Kindergarten und Aktivitäten für Drei- bis Zwölfjährige, etwa Schlittschuhlaufen auf dem hoteleigenen Natureisplatz, Cocktails mixen, Pizza und Guetzli backen sowie Kinoabende. «Kinder sind sehr wichtig, sie entscheiden, wohin es in die Ferien geht», erklärt der Aargauer.

GJ Marc Eichenberger
Marc Eichenberger: «Mehr als 50 Prozent
unserer Gäste stammen aus der Schweiz.
Es ist schön, über einen so starken
Heimmarkt zu verfügen.»
(Foto: Reto E. Wild)

Manchmal entscheiden ja auch Erwachsene. Für diese investierte die griechische Besitzerfamilie Niarchos 2007 rund 35 Millionen Franken in den Anbau und die Erneurung des Anwesens mit 28 Balkonen. 2017 kamen 13 neue Zimmer und Juniorsuiten dazu, gestaltet vom französischen Architekten Pierre-Yves Rochon. Die neueste Investition betrifft ein stilvolles Fumoir mit bequemen Ledersesseln und einer schönen Auswahl an Zigarren. Bis letztes Jahr war es noch möglich, diese an der Bar zu geniessen. «Spa Around» und «Dine Around»
Die «Grand Dame» verfügt über ein gut 2000 Quadratmeter grosses Spa, der Pool mit Gegenstromanlage ist 20 Meter lang. 13 Therapie- und Behandlungsräume stehen für Hydrojet, Soft­pack, Massage- und Kosmetikanwendungen zur Verfügung. Und noch mehr Wellness können die Gäste des Grand Hotel Kronenhof dank der Option «Spa Around» im neuen Spa des Schwesterhotels Kulm St. Moritz geniessen. Es gehört ebenfalls der griechischen Besitzerfamilie. Wer möchte, erhält einen kostenlosen Transfer und wird auch fürs Abendsessen nach St. Moritz gefahren. Die Auswahl geht sogar noch weiter: Beim Pontresiner Schlemmer­karussell können die Kunden unter 20 verschiedenen Restaurants auswählen. «In Pontresina haben wir es gut unter den Hoteliers. Wir fördern den Austausch», freut sich Eichenberger. Die Hotels in Pontresina sind noch bis Mitte Oktober geöffnet. Im Dezember startet dann wieder die Wintersaison. ★ Oneday Coaching GmbH GJ Thomas Theurillat Thomas Theurillat (41) ist Gründer und Besitzer von Oneday Coaching GmbH in Interlaken BE. Der Basler Arbeits­psychologe war 20 Jahre lang Bergführer und bestieg unter anderem die Eigernordwand. «Dann begannen mich, die Menschen zu interessieren», sagt der Familienvater. Er sei ein Freund von Kurzzeitcoaching mit Langzeitwirkung. Mit dem Kronenhof arbeitet Oneday bereits in der vierten Saison zusammen.
(Foto: Reto E. Wild)