Helene Bellwald führt mit ihrem Mann das Gastro & Camping Fafleralp und ist Verwaltungsrats-Präsidentin der Kooperation «Die Lötschentaler», Esther Bellwald und Laurent Hubert sind Gastgeber im Hotel Nest- und Bietschhorn in Ried, Charlotte und Lukas Kalbermatten sind Gastgeber im Hotel Edelweiss in Blatten und Marie-Madlen Rieder und Brigitte Lehner sind Gastgeber im Hotel Breithorn in Blatten.
GastroJournal: Warum kooperieren?
Lukas Kalbermatten: Als relativ kleine Betriebe können wir gemeinsam Herausforderungen besser angehen, denn niemand stemmt seine Probleme alleine. Zudem können wir finanzielle Ressourcen bündeln, sei das, wenn wir einen Experten hinzuziehen, sei das beim Prämiensparen. Neben den monetären Aspekten ist die Kooperation für mich aber auch menschlich sehr wichtig, da wir einen offenen Austausch pflegen. Heisst, bei uns herrscht völlige Transparenz, wenn es um die Zahlen geht. Jeder hat zu 100 Prozent Einsicht in die anderen Betriebe …
Brigitte Lehner: … und gemeinsam ist man einfach stärker als alleine.
«Bei uns herrscht völlige Transparenz»Was waren die Herausforderungen in den ersten Monaten?
Lukas Kalbermatten
Brigitte Lehner: Am Anfang war alles ziemlich zeitaufwändig. Wir hatten viel Administratives zu bewältigen, wie beispielsweise das Aufbereiten von Daten und Zahlen …
Esther Bellwald: … und hatten ständig Sitzungen, fehlten im Betrieb … Helene Bellwald: … und unser Coach Marcus Frey hat uns ziemlich gefordert. Dank ihm haben wir damals auch unser monatliches Reporting aufgebaut, das später sehr förderlich für die Finanzierung der betrieblichen Investitionen war (Anm. d. Red.: 2016 bis 2018 wurden ins Hotel Breithorn 650 000 Franken investiert, ins Hotel Edelweiss 1 250 000 Franken und ins Hotel Nest- und Bietschhorn 1 380 000 Franken).
Brigitte Lehner: Nicht nur das Reporting hat genützt, auch, dass wir als Kooperation und nicht nur als ein Betrieb betrachtet wurden, war hilfreich für die Finanzierung. Denn unser Betrieb hätte gemäss SGH keinen Umbaukredit erhalten, weil er die kritische Grösse unterschreitet. Wer übernimmt welche Aufgaben?
Lukas Kalbermatten: Das hat sich einerseits von der Betriebsgrösse her ergeben, andererseits vom beruflichen Hintergrund eines jeden. Weil ich Gemeindepräsident war, als das ganze Projekt entstand, habe ich mich vor allem um die behördlichen und finanziellen Angelegenheiten gekümmert. Da unser Hotel in der Gruppe das typische Ferienhotel ist, habe ich mich zudem anfänglich um das gemeinsame Gästeprogramm gekümmert, inzwischen hat das Esther übernommen. Die Gesamtadministration läuft ebenfalls über mich und bei den laufenden Aufgaben schauen wir, wer Zeit und Kapazität hat.
Esther Bellwald: Ich kümmere mich um den Online-Bereich sowie Print und Grafik, sprich das Visuelle läuft über mich.
Brigitte Lehner: Ich bin für die Buchhaltungen unseres Betriebs, die des Nest- und Bietschhorn und des Campingplatzes zuständig sowie für die Sitzungsprotokolle. Ab und an bin ich auch noch das Mädchen für alles.
Helene Bellwald: Grundsätzlich ist es wichtig, dass von Anfang an klar ist, wer welchen Job macht. Denn eine Kooperation funktioniert nur als Teamarbeit – und zwar nicht im Sinne von «Toll, ein anderer macht’s».
«Wachstum ist schon unser Ziel»
Esther Bellwald
Würdet ihr auch Andere aufnehmen?
Esther Bellwald: Wachstum ist grundsätzlich schon unser Ziel.
Brigitte Lehner: Denn neben zusätzlichem personellem Know-how, wäre es auch vom Finanziellen her interessant – wir hätten mehr Ressourcen. Sie befinden sich alle unter dem Dach «Die Lötschentaler», treten aber eigenständig auf. Nimmt das der Gast wahr? Esther Bellwald: Zu Beginn hat es der Gast nicht so wahrgenommen, dass wir zusammengehören …
Helene Bellwald: … aber wir wollten ja auch keine Verschmelzung, wie das bei der «Matterhorn Valley Group» der Fall ist, bei der man sofort sieht, dass sie zusammengehören. Jeder unserer Betriebe hat seine eigene Positionierung.
Lukas Kalbermatten: Das führt dann ab und an dazu, dass ich gefragt werde: Wer ist der Besitzer der drei Häuser? Die meisten können sich gar nicht vorstellen, dass wir drei komplett unterschiedliche Familien sind, die so miteinander arbeiten. In der Schweiz existieren nach wie vor wenige «echte» Hotelkooperationen. Obwohl die Standortförderung explizit deren Schaffung unterstützt. Woher kommt die Skepsis der Gastgeber?
Esther Bellwald: Ich glaube, dass es daran liegt, dass man die Zahlen auf den Tisch legen muss – was beispielsweise bei einer Hotel-Marketingkooperation nicht notwendig ist. Das haben wir auch bei uns gesehen. Es hätte durchaus noch Betriebe gegeben, die dabei gewesen wären, aber nur, wenn wir uns für eine Art Hotel-Marketingkooperation entschieden hätten.
Lukas Kalbermatten: Hinzu kommt, dass bei vielen der Blick fürs grosse Ganze fehlt und man sich gegenseitig in der Branche nichts gönnt. Ein Problem ist vielleicht auch noch, dass man, wenn man eine Kooperation gründet, zwar eine super Starthilfe erhält, sowohl finanziell wie auch beratungstechnisch, aber nach drei Jahren ist Schluss, und dann steht man plötzlich alleine da, obwohl man noch nicht soweit ist. Sie kritisieren also, dass man zu früh alleine gelassen wird …
Helene Bellwald: Es werden zwar Kooperationen von Seiten Politik gefordert, aber es wird gleichzeitig zu wenig Wert auf Konstanz und Langfristigkeit gelegt. Deshalb ist unsere grösste Frage momentan: Wie können wir uns ohne professionelle externe Hilfe weiterentwickeln?
«Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen»
Brigitte Lehner-Hasler
Kooperationen sollen Innovation fördern. Wie sehen Sie das?
Helene Bellwald: In einer Kooperation bedeutet für mich Innovation, dass man Dinge umsetzt, die man alleine nicht machen würde – aus finanziellen, zeitlichen, motivationsmässigen Gründen.
Esther Bellwald: Die Frage ist ja immer: Was ist Innovation? Das, was wir machen, finde ich nicht so innovativ. Leute von ausserhalb zeigen sich von unserer Kooperation zwar sehr beeindruckt, aber ich finde es nicht so ausserordentlich, was wir hier gemeinsam machen. Wir arbeiten einfach gut zusammen. Da fragt man sich, wieso können das andere nicht?
Esther Bellwald: Das frage ich mich auch. Denn ich musste mich weder dazu überwinden, mitzumachen, noch mich persönlich verändern. Aber es ist schon so, der Erfolg von einer Kooperation ist immer abhängig von den Leuten, die mitmachen. Und ab und an muss man in einer Kooperation auch mal fünfe gerade sein lassen.
Brigitte Lehner: Es ist eben ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Wenn Sie heute nochmals starten könnten, würden Sie etwas anders machen?
Brigitte Lehner: Nein. Obwohl wir sicher auch Fehler gemacht haben, aber aus diesen lernt man immer.
«Jeder Betrieb hat seine eigene Positionierung»Inwiefern pflegen Sie Kontakt mit anderen Kooperationen?
Helene Bellwald
Esther Bellwald: Ein Gespräch mit der Hotelkooperation Frutigland war bereits einmal angedacht, ist bislang aber noch nicht zustande gekommen. Aber wenn wir etwas via Lötschberg machen könnten, dann wäre das schon toll. Was steht als nächstes an?
Esther Bellwald: Sicher die Professionalisierung der Kostenstruktur.
Lukas Kalbermatten: Wichtig ist zudem, dass wir uns neue Ziele setzen und die Kooperation weiterentwickeln. Weiter möchte ich die Kooperation dem Gast noch näher bringen. Die Idee hier ist nach wie vor: Ein Hotel buchen, drei benutzen.
www.dieloetschentaler.ch
Geschichte «Die Lötschentaler – einfach mehr Ferien» 2009 wurde im Rahmen des Impulsprogramms «Lötschental Plus» die Idee einer Hotelkooperation geboren. Am 15. Juli 2010 nach einer Informationsveranstaltung folgten Basisworkshops mit an der Kooperation interessierten Hoteliers. Danach trafen vier Hotels und ein Ferienresort eine erste Kooperationsvereinbarung. Die Finanzierung des Vorhabens wurde in den ersten drei Jahren vom Kanton sowie dem SECO getragen. Der Beitrag der Hotels betrug 3 Prozent des Umsatzes. 2011 sowie 2012 fanden weitere Workshops statt, bevor am 19. Dezember 2012 der Name und das Erscheinungsbild öffentlich gemacht wurden: «Die Lötschentaler – einfach mehr Ferien». Ab Januar 2013 erhielt die Kooperation mit der Gründung der Lötschentaler Tourismus AG eine professionelle Struktur. Die beteiligten Hotels sind Aktionäre/Franchisenehmer (Kosten pro Betrieb 1500 Franken pro Jahr und 1,5 Prozent des Umsatzes) und der dazugehörige Camping- und Parkplatz auf der Fafleralp ist als GmbH eine 100-prozentige Tochter der AG. Quelle: «Die Lötschentaler» |
Hotel Innovations-Award 2018 Gastgeberin Esther Bellwald vom Hotel Nest- und Bietschhorn in Ried (siehe oben) hat 2017 mit ihrem Betrieb am Hotel Innovations-Award teilgenommen. Eine Erfahrung, die sie nicht missen möchte und anderen Hoteliers empfiehlt. «Die Teilnahme hat unserem ‹kleinen Hotel› eine super Medienpräsenz gebracht – und das, obwohl wir am Ende nicht gewonnen haben», konstatiert Bellwald. Denn als kleiner Hotelier in einem abgeschiedenen Tal werde man sonst medial äusserst selten wahrgenommen. Neben dem medialen Gewinn brachte Bellwald insbesondere auch die Teilnahme am Workshop sehr viel, der allen Nominierten offensteht. «Er hat mich dazu angespornt, dass ich mich mit unserem Betrieb auseinandersetze, ihn überdenke und reflektiere.» Mit dem Hotel Innovations-Award suchen, fördern und prämieren GastroSuisse und die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) die vielversprechendsten Innovationskonzepte kleiner und mittlerer Hotels. Die Anmeldefrist läuft noch bis zum 15. April 2018. Anmelden unter: www.hotelinnovation.ch |
«fit-together» «fit-together» «fit-together» von Martin Abderhalden, Leiter Hotellerie und Tourismus bei GastroSuisse, und Daniel C. Jung, Leiter Berufsbildung & Dienstleistungen bei GastroSuisse, ist ein Arbeitsbuch zur Umsetzung von Kooperationen und Innovationen in der Hotellerie mit Leitfragen, Hilfsmitteln sowie vielen Beispielen. Das Werk vermittelt das nötige Know-how, zeigt Kooperationsmöglichkeiten auf und unterstützt Gastgeber bei der Generierung von innovativen Kooperationsideen. Bestellen auf: www.gastrobuch.ch |