Hotellerie

Das Tourismusbewusstsein fehlt

Christine Bachmann – 10. Mai 2017
Gastgeber Arnold Graf spricht über die Schaffhauser Hotellerie. Von Beständigkeit und Zuwachs, von Grenznähe und Tourismusferne.

Arnold Graf ist Absolvent der Hotelfachschule Lausanne und war danach unter anderem im afrikanischen Mombasa sowie in Sarnen tätig. Seit 1995 führt er gemeinsam mit seiner Frau in vierter Generation das Hotel Bahnhof in Schaffhausen. Graf engagiert sich zudem als Vorstandsmitglied bei Hotellerie Ostschweiz und bei Schaffhauserland Tourismus sowie als Vizepräsident von Hotel & Gastro formation Schaffhausen und als Chefexperte. GastroJournal: Sie führen in vierter Generation das Hotel Bahnhof. Wenn Sie die Schaffhauser Hotellerie betrachten, was hat sich in den letzten Jahren getan – im Guten wie auch im Schlechten?
Arnold Graf: Die Schaffhauser Hotellerie war lange geprägt von Stabilität und Tradition. Es waren eigentlich immer die gleichen Häuser auf dem Platz, die ein gutes Verhältnis untereinander pflegten und miteinander arbeiteten. 2014 haben wir dann mit dem Arcona Living einen riesigen Brocken für die Stadt Schaffhausen erhalten. Mit den 112 Zimmern und 18 Apartments ist der Betrieb fast so gross wie drei andere Stadthäuser zusammen. Das ist für eine Stadt wie Schaffhausen schon massiv, und das haben wir auch nur relativ schwer verdaut, weil der Markt das logiernächtemässig einfach nicht hergibt. Hinzu kommt, dass die Arcona-Gruppe kein internationaler Brand ist, sondern ein deutscher. Die bringen nicht wie ein Hilton eine gewisse Stammkundschaft mit. Des Weiteren ist durch die Konkurrenz der Durchschnittspreis etwas zusammengefallen, was natürlich nicht gerade Freude bereitet. Zwar haben wir uns mittlerweile wieder gefangen, aber einfach ist es nicht.

«Bei einem Grenzkanton kann man die Franken­stärke nicht ausblenden»
Über zusätzliche Betriebe für den Kanton Schaffhausen müssen wir somit nicht reden?
Nein, weil wenn man eine durchschnittliche Zimmer-Auslastung von rund 45 Prozent im Kanton hat, dann muss mir keiner erzählen, dass wir noch mehr Hotels brauchen. Ich bin seit 20 Jahren bei Schaffhauserland Tourismus und ich kenne die Diskussionen – vor allem von Seiten der Politik. Da heisst es dann: Wir haben nicht genügend Zimmer! Aber in jeder Stadt gibt es Peak-Zeiten, in denen man keine Zimmer findet, das gehört zum Markt. Und auch die Diskussionen betreffend eines 5-Sterne-Hauses sind unsinnig, denn dafür haben wir einfach kein Potenzial. In welchem Bereich sehen Sie für die Schaffhauser Hotellerie noch Potenzial?
Im Bereich Kurzferien sind wir mit unserem Angebot für Familien in der Schweiz durchaus attraktiv. Hier haben wir noch Potenzial, aber der Markt müsste einfach besser bearbeitet werden. Inwiefern gibt es hierfür genügend finanzielle Mittel?
Wir waren auf einem guten Weg – und dann haben wir die grosse Katastrophe infolge Ablehnung des Tourismusgesetzes erlebt. Da das Gesetz nicht angenommen wurde und in Schaffhausen keine gesetzliche Grundlage besteht, befinden wir uns seither in einem «gesetzlosen» Zustand. Das hat dazu geführt, dass der Kanton gesagt hat: Euch können wir kein Geld mehr geben, weil das Volk uns keinen Auftrag erteilt hat. Glücklicherweise haben wir vom Kanton dann trotzdem für 2016 und 2017 einen Überbrückungskredit erhalten, damit es mit Schaffhauserland Tourismus weitergehen kann. Dieser Status quo hat dann doch relativ viele wachgerüttelt und nun kommt das Tourismusgesetz nochmals vors Volk. Hoffen wir, dass es dieses Mal klappt. Wieso ist es überhaupt so weit gekommen? Existiert im Kanton kein Tourismus-Bewusstsein?
Die Problematik ist die, dass die Leute zwar ein Bewusstsein für den Hotspot Rheinfall als Tagesdesti­nation haben, aber wir ansonsten nicht als Tourismus-, sondern als Businessdestination wahrgenommen werden. Insofern fehlt hier ein «Tourismus-Bewusstsein». Das merkt man teilweise auch am Verhalten unserer Polizei oder auch der Geschäftsleute, die immer sagen: Was haben wir vom Tourismus? Die haben viel vom Tourismus. Ihnen ist einfach nicht bewusst, dass sie als Zulieferer durchaus auch vom Tourismus profitieren. Wo sehen Sie für die Hotellerie mo­mentan die grössten Herausforderungen, wenn wir das Dauerthema starker Franken weglassen?
Ich weiss nicht, ob wir bei einem Grenzkanton die Frankenstärke ausblenden können. Denn wir können uns finanziell einfach nicht am nahen in Konkurrenz stehenden Ausland anpassen, da wir unter anderem Minimallöhne haben – und die Löhne sind nun mal der Hauptbrocken in der Erfolgsrechnung. Um kompetitiver auftreten zu können, müssten wir hier den Hebel ansetzen. Jetzt sind aber die Minimallöhne nicht gesunken, sondern leicht gestiegen. Ich verstehe die Argumente dafür, aber sie nehmen uns gewisse Möglichkeiten, um uns auf dem Markt anpassen zu können. Ein anderes Problem ist, dass wir internationale Firmen hier in Schaffhausen haben, die sagen: «Wir zahlen so viel, und sonst gehen wir wo anders hin.» Das ist ein Problem. Ein anderes grosses Thema, das die ­Hotellerie beschäftigt, ist die ganze Sharing-Economy. Inwiefern ist dieses Geschäftsmodell auch in Schaffhausen angekommen?
In Schaffhausen ist der Sharing-Economy-Markt noch nicht so gross, aber der wird auch noch kommen.
«Die Ablehnung des ­Tourismusgesetzes war und ist eine Katastrophe»
Denn es gibt bereits Häuser, die auf Airbnb sind. Dass wir die Sharing-Economy bekämpfen können, daran glaube ich nicht, aber wir müssen dafür sorgen, dass wir langfristig gleich lange Spiesse erhalten. Was wünschen Sie sich für die gast­gewerbliche Branche im Kanton beziehungsweise in der Stadt Schaffhausen in den nächsten Jahren?
Grundsätzlich mehr Logiernächte und dass wir neue Märkte für uns auftun können. Qualitativ sind wir auf einem guten Weg. Jetzt müssen wir nur noch clever die Kräfte bündeln und dann können wir dieses Ziel auch erreichen.

Ein Lieblingsrestaurant

GJ19 Hotel Gasthaus Adler
In der Stadt Schaffhausen ist Arnold Grafs Lieblingsrestaurant das Gasthaus Adler. «Ganz traditionell geführt, und das Essen ist kontinuierlich top. Zudem bilden sie dort auch Lernende aus, was für mich als Chefexperte auch noch wichtig ist», betont Graf.