Simon Schlachter steht über den Dingen. Unten im Tal wabert der Nebel, hier oben lacht die Sonne auf sein Burghotel Falkenstein, und der Junghotelier blickt auf die Gipfel, die sich strecken, um der grauen Suppe zu entkommen. Vielleicht hängt es auch mit dieser einsamen Lage und der beruhigenden Berglandschaft zusammen, dass sich Schlachter nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Denn ihm steht ein heisser Winter bevor – und das mitten in den Allgäuer Alpen.
Nur eine schmale, zwei Kilometer lange Bergstrasse führt von Pfronten hinauf zum Hotel, das Schlachter mit seinen Eltern führt, die es vor 30 Jahren gekauft haben. Zwei Fahrzeuge kommen kaum aneinander vorbei, weswegen eine Ampel den Einbahnverkehr regelt. Schlachter hat Gäste, die ängstlich anrufen und fragen, ob sie ihr Auto unten parken dürfen und jemand kommt, um sie abzuholen.
Im Winter klingelt der Wecker bei Schlachters jeweils um fünf Uhr morgens, dann steigen Vater oder Sohn ins Räumfahrzeug und befreien die Strasse von Schnee und Eis. Wenn es sein muss, fahren sie stündlich. Da kann man ganz schön ins Schwitzen kommen, aber das ist nicht der Grund, warum der Junior einen hitzigen Winter erwartet. Er hat sich entschlossen, den grossen Umbau seines Hotels von Januar bis April durchzuziehen. Im Allgäu. Auf 1250 Metern. Bei Sturm und Schnee. Warum?
«Wir haben uns gefragt: Wann sollen wir schliessen? Und es passt eigentlich nie», erklärt der 26-Jährige. Sein Haus ist ein Ganzjahresbetrieb, setzt stark auf Wellness und Kulinarik, die Auslastung der 16 Zimmer ist über zwölf Monate hinweg fast gleichbleibend hoch. Also ist Schlachter pragmatisch vorgegangen. «Im Sommer bekomme ich keine Handwerker und keine Baufirma. Im Winter hingegen küssen sie mir die Hand, weil die Auftragsbücher leer sind.» Theoretisch sei auch die Bauphase kürzer, weil die Abläufe exakt geplant werden könnten. «Die Firmen hängen nicht in zig anderen Projekten fest, wodurch Verzögerungen und Verspätungen möglich sind, und können sich voll auf das Falkenstein konzentrieren.» Schlachter hat auch darauf spekuliert, dass die Preise parallel zu den sinkenden Temperaturen ebenfalls fallen. Ob die Rechnung aufgeht, kann er noch nicht sagen.
Die österreichische Architektin für den Umbau bringt eine Handvoll Handwerker mit, was Schlachter nur recht ist. Zwar kommen auch Firmen aus der Heimatgemeinde Pfronten zum Einsatz, aber für einen grossen Umbau sind die meisten zu klein. «Ausserdem ziehen die Österreicher Projekte schneller durch.» Die Bereitschaft, auch mal 12 oder 14 Stunden am Tag zu arbeiten, sei höher. «Die arbeiten lieber bis spät in die Nacht und machen ihr Ding fertig, als dass sie am nächsten Tag nochmal die weite Anfahrt machen müssen.»
Arbeit wird es mehr als genug geben. Schlachter investiert rund 2,5 Millionen Euro, um das Burghotel zu modernisieren und zukunftsfähig zu machen. Bereits im Herbst wurden Glasfaserkabel und eine neue Gasleitung verlegt. Ausserdem liess der Hotelier neue Stromleitungen einziehen, damit bei Volllast kein Blackout mehr droht. Alles in Eigenregie und auf eigene Kosten. Ab Januar geht es dann richtig zur Sache, das Erdgeschoss wird komplett umgestaltet. Neue Réception, neue Küche, neue Stuben, Restaurants, Toiletten. Leitungen raus, Böden raus, Wände versetzen. Zudem renoviert der 26-Jährige sechs der 16 Zimmer, modernisiert die Terrasse und verpasst dem Haus eine neue Verkleidung, ein traditionell-modernes Aussendesign, das in die Bergwelt passt. «Unser Hotel soll aussehen wie ein Arlberger Chalet. Der Gast, der ins Allgäu kommt, braucht kein Abu Dhabi.»
Natürlich grübelt Schlachter, ob er sich selbst verfluchen wird, wenn der Winter einer von der harten Sorte wird und er 20-mal am Tag die Bergstrasse freiräumen muss. Ob die 50 Tonnen Salz reichen, die er anstatt der sonst üblichen 25 Tonnen eingelagert hat? Ob es ins Haus schneit, wenn die Handwerker die neuen Fenster setzen und der Wind durch alle Räume pfeift, weil das Hotel an der Stelle, wo der neue Eingang entsteht, komplett offen sein wird? Aber Schlachter ist ein kräftiger Allgäuer Bursche, der die Dinge geradezu furchtlos anpackt und dessen Optimismus unerschütterlich ist. «Wir haben keinen Plan B. Es muss alles funktionieren.» Den ursprünglich ebenfalls geplanten Anbau, der mit scharfen Auflagen verbunden ist, weil das Hotel in einem sensiblen Naturraum liegt, hat Schlachter vorerst auf Eis gelegt. Er will abwarten, wie sich die Gesamtsituation entwickelt.
www.burghotel-falkenstein.de
Schweizer Pendant: Hotel Grimsel Passhöhe
Im Winter ihr Hotel Grimsel Passhöhe auf dem Grimselpass umgebaut, das hat auch Eigentümerfamilie Brog (siehe GJ42). Da die Grimsel-Passstrasse im Winter gar nicht mehr befahrbar ist, hat Familie Brog das Material für den Umbau bereits im Herbst hinaufschaffen lassen und dann im Winter die Arbeiter jeweils von Montag bis Freitag mit dem Heli hinaufgeflogen.
Hotellerie
Burghotel Falkenstein: Umbauen, mitten im Winter
Christian Schreiber – 12. Dezember 2018
Das Burghotel Falkenstein befindet sich auf 1250 Metern und soll im Januar modernisiert werden. Ein Wagnis mit Vorteilen.