«Wir möchten in Brugg eine Institution werden»

Reto E. Wild – 02. August 2024
Am 12. August nimmt die Brasserie Brugg AG ihren Betrieb auf – mit Besitzer und Quereinsteiger Urs Taufenecker, Jungkoch und Berater Tom Walter und Chef de Service Ghaffar Arefi. Die drei so unterschiedlichen Persönlichkeiten sind beste Beispiele dafür, was in der Gastronomie alles möglich ist. Gesucht wird ein Chefkoch!

14 Jahre lang lebte Textilfachmann Urs Taufenecker (60) in Hongkong. Doch als er in der Nähe der Metrostation Tsim Sha Tsui mit seinem sechsmonatigen Baby auf dem Arm unvermittelt zwischen kämpfenden Demonstranten und Polizisten stand, wusste er, dass der Zeitpunkt für eine Rückkehr in die Schweiz gekommen ist. Er habe zum ersten Mal gesehen, dass Beton durch Molotowcocktails brennen könne. Helikopter seien rund um die Uhr zirkuliert.

Taufenecker kehrte 2020 mit seiner Partnerin Isti (41) und den beiden Kleinkindern in die Schweiz zurück. «Ich bin in Widen AG auf dem Mutschellen aufgewachsen und war eines Tages in Brugg zu Besuch, wo ich kein Restaurant gefunden habe, das meinen Bedürfnissen entsprach», erzählt er. Dieses Erlebnis sollte sein Leben verändern.

In ihm reifte die Idee, ein Restaurant zu eröffnen – «schön eingerichtet, mit unkomplizierten Gerichten und coolem Sound», wie er sagt. Taufenecker bildete sich mit Modulen bei GastroAargau weiter und machte das Wirtepatent, wusste aber, dass es einen Branchenprofi braucht, um mit seinem eigenen Betrieb, der Brasserie Brugg AG, erfolgreich zu sein.

Und so kam Tom Walter (24) ins Spiel, den er via den Hausbesitzer der Liegenschaft an der Bahnhofstrasse 24 in Brugg und GastroAargau kennenlernte. «Ich habe Tom gefragt, ob er mich berät, wie ich die Küche aufbauen, die Abläufe im Tiefkühlraum und im Trockenlager, beim Geschirr sowie beim Hygienekonzept gestalten soll.» Die beiden haben sich von Anfang an verstanden.

Tom Walter verlässt das Stucki

Der Jungkoch, der noch bis Ende Juli 2024 als Chef de Partie im Restaurant Stucki von Tanja Grandits arbeitete, weist ein beeindruckendes Palmarès auf, obwohl er erst 2016 mit einer Kochlehre im Hotel Kettenbrücke in Aarau seine Karriere startete: 2018 gab es für ihn Gold am Aargauer Lehrlingswettbewerb in der Kategorie Patisserie, 2019 den vierten Platz beim Gusto, ein Jahr später war er Halbfinalist bei den Berufsmeisterschaften SwissSkills und im gleichen Jahr Mitglied der Junioren-Kochnationalmannschaft.

2021 reichte es zum besten Commis des Goldenen Kochs. Bei Tanja Grandits (2 Michelin-Sterne und 19 GaultMillau-Punkte) arbeitet Tom Walter seit bald vier Jahren. 2026 ist sein Abschluss als diplomierter Betriebswirtschafter vorgesehen. Walter begleitet und berät die Brasserie bis Ende August und wird sich danach neuen Projekten widmen.

Wieso wollte er, der nun so viele Erfahrungen in der Sternegastronomie sammelte, die Brasserie Brugg nicht auf Sterneniveau hieven? Auszeichnungen und Punkte, so Walter, sollte man sich nicht von Anfang an zum Ziel setzen. «Wenn ein Koch zu sehr danach strebt, verliert man den Fokus. Was es wirklich braucht, ist, dem Gast ein Erlebnis mit feinen, coolen Gerichten zu bieten. Dann kommen Sterne und Punkte von allein.» Walter betont: «Den grossen Fehler, den viele bei einer Restauranteröffnung machen, ist, zu überlegen, wie wohl der Betrieb von den Restaurantführern bewertet wird. Entscheidend ist aber, wie der Gast dich bewertet. Urs denkt als Quereinsteiger aus der Perspektive des Gastes und ist dadurch viel näher am Konzept.»

Austern von Bianchi, Fleisch aus der Region

Dieses Konzept ist in der Brugger Brasserie klar definiert: Der Gast soll nichts vermissen, was er von einer Brasserie erwarten darf: also Klassiker wie ein Entrecôte Café de Paris oder ein Tatar aus Rindfleisch oder Thunfisch. «Aber wir verleihen den Gerichten einen modernen Touch und bereiten die Klassiker provokativer, mit mehr Schärfe oder Säure zu», erklärt Walter.

Taufenecker ergänzt: «Wir haben eine kleine, aber qualitativ hochstehende Karte.» Von 8.00 bis 11.30 Uhr gibt es Kaffee, Tee und Frühstück, von 11.30 bis 14.00 Uhr Mittagsmenüs, ab 14 bis 17.30 Uhr Fingerfood oder Moules et Frites, ab 17.30 Uhr geht es mit dem Abendessen los. Protagonisten sind frische Fische aus dem Meer oder dem See, Austern und selbstverständlich Fleisch. Walter informiert: «Die Produkte sollen möglichst regional sein. Fische und Austern kaufen wir bei Bianchi und Hugentobler ein, das Fleisch beim regionalen Metzger.»

Der Barbetrieb startet ab 17 Uhr. «Wenn sich das positiv entwickelt, haben wir auch nach Mitternacht geöffnet. Wir müssen erst abtasten, wie wir ankommen. Eine Zimmerstunde führen wir nicht. Wir finden diese veraltet», sagt Taufenecker. Er macht sich keine Illusionen: «Ich werde anfangs wohl von 8 bis 24 Uhr im Betrieb stehen. Ich übe diesen Job seriös aus und nicht als Hobby. Ich liebe es zu arbeiten und kann nicht ohne sein. Wir möchten in Brugg eine Institution werden und stehen mit Leidenschaft hinter unserem Betrieb.»

Aufgrund der langen Öffnungszeiten ist ein Zweischichtenbetrieb vorgesehen.Ein Blick auf die Weinkarte verrät, dass sich ein Profi um diese kümmerte: Weinjournalist Adrian van Velsen, ein guter Freund von Taufenecker, wählte die gut 180 Positionen aus - mit Schwergewicht Frankreich. Aber auch zwölf verschiedene Aargauer Winzer kommen zu Ehren. «Wir schlagen eine Art Zapfengeld von rund 40 Franken auf die Weinpreise», verrät Taufenecker.

Weinliebhaber können sich besonders darüber freuen, gelagerte Weine aus dem Privatkeller von van Velsen zu humanen Preisen zu geniessen. LägereBräu aus Wettingen AG stellt das Offenbier. Der Biergeheimtipp Chen Van Loon aus Neuenhof AG figuriert ebenfalls im Angebot. Alle diese Namen zeigen, wie die Macher nichts dem Zufall überlassen wollen und detailversessen sind.

Tom Walter

Tom Walter: «Den grossen Fehler, den viele bei einer Eröffnung ­machen, ist, an die Restaurantführer zu denken.» (Bild: Linda Pollari)

Der Bonsai steht schon

Am 10. August organisiert die Brasserie Brugg einen Eröffnungsapéro. Die Stunde der Wahrheit, wie das Konzept in der Gunst des Publikums abschneidet, erfolgt mit dem offiziellen Start am Dienstag, 13. August. Zur Auswahl stehen 50 Plätze auf der Terrasse, 60 Plätze im Restaurantinnern, 16 Barplätze draussen und 5 unter geschütztem Dach. Im Lokal stehen Tischplatten aus geöltem Aargauer Nussbaumholz und schwar­ze Stühle von Horgenglarus. Bereits vor der Eröffnung und ohne Gäste breitet sich im Raum eine Brasserieatmosphäre aus. Beim Besuch des GastroJournals Ende Juli wurde im Aussenbereich noch intensiv gearbeitet. Ein wunderschöner koreanischer Bonsai ist schon eingepflanzt.

Ein Team von zwölf Mitarbeitenden arbeitet daran, die ambitiösen Ziele zu erreichen, etwa Samuel Lüthi als Souschef oder Matteo Haas als Koch. Chef de Service ist Ghaffar Arefi (29), der mit 14 Jahren aus Afghanistan floh. Er ist, wie Walter, Träger des Guet-Gmacht-Priis von GastroAargau und der Aargauischen Kantonalbank, und arbeitete zuvor als Barkeeper in der Tuchlaube in Aarau. In der Brasserie sorgt er für acht verschiedene Tees, hausgemachten Eistee, Limonaden und so manchen Cocktail. «Mich interessieren Gastronomiekonzepte. Diese Philosophie hat mich sehr beeindruckt», begründet Arefi seinen Wechsel zum Brasserie-Team.

Kreativer Chefkoch gesucht

Dieses ist derzeit auf der Suche nach einem Chefkoch. Vom in dieser Position vorgesehenen Mark Humm habe man sich getrennt. «Wenn man arbeitet, passt es nicht immer zu 100 Prozent», begründet Taufenecker. Ein Bericht in der «Aargauer Zeitung» über die getrennten Wege sorgte dafür, dass die Brasserie Brugg mehrere Bewerbungen von Chefköchen erhielt. «Er muss zum Team passen und die gleichen Vorstellungen sowie den gleichen Spirit haben. Das kann ein Kreativer sein, der feine Gerichte im Teamwork zubereiten möchte», lautet das Anforderungsprofil des 60-jährigen Restaurant­inhabers.

Der Betrieb scheint einem Bedürfnis zu entsprechen. Gemäss Taufenecker liegen jetzt schon Reservationen von über 500 Personen vor. Organisationen wie Kiwanis, Rotary oder Business Network International hätten ihr Interesse angemeldet. «Es ist ein Aufsteller, Kredit von solchen Leuten zu erhalten.» Im Hintergrund wird in der Brasserie bald diskret Jazz vom Band gespielt. Der Unternehmer hat nun in Brugg ein Restaurant, wie er es sich nach seiner Rückkehr aus Hongkong wünschte.