Trinkgeld im Restaurant: Gäste setzten oft auf Bargeld

Oliver Borner – 03. November 2022
Obwohl in der Schweiz immer mehr mit Kredit- oder Debitkarte bezahlt wird, wird das Trinkgeld oft in Bar bezahlt. Grund dafür ist das Misstrauen gegenüber Pächtern und Besitzern.

Die Gastronomie erlebte mit der Coronapandemie einen grossen Einschnitt, der bis heute nachwirkt. Dies zeigt sich insbesondere beim Fachpersonal, welches seit der Aufhebung der Coronamassnahmen an allen Ecken und Enden fehlt. Hinzu kommt die momentane Energiesituation, welche mit die Preise in die Höhe und den Puls vieler Betriebe in die Höhe schnellen lässt.

Umso wichtiger ist die Wertschätzung der Gäste. Viele geben nach einem Restaurantbesuch Trinkgeld, um diese Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Was in anderen Ländern selbstverständlich und zum guten Benehmen gehört, ist in der Schweiz freiwillig. Eine neue Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) und dem Zahlungsdienstleister Worldwide zeigt nun, dass 85 Prozent der Schweizer Gäste in bedienten Restaurants Trinkgeld geben.

Für die Studie wurden im September 2022 insgesamt 1179 Personen aus der ganzen Schweiz im Alter zwischen 18 und 76 Jahren befragt. Die Resultate zeigen, dass in der Deutschschweiz über 87 Prozent der Befragten Trinkgeld geben. In der Westschweiz ist der Anteil mit 82,3 Prozent ein bisschen kleiner und im Tessin mit 71,4 Prozent am geringsten. Weiter zeigt die Studie, dass das Einkommen einen Einfluss darauf hat, ob jemand Trinkgeld gibt oder nicht. So geben Personen mit einem monatlichen Einkommen von unter 6000 Franken seltener Trinkgeld als Personen mit einem höheren Lohn, wobei auch ein Grossteil der weniger gut Verdienenden (80,2 Prozent) Trinkgeld geben.

Dankbarkeit als Hauptgrund

Bei der Motivation hinter dem zusätzlichen Betrag zeigt sich, dass das Zeigen von Dankbarkeit gegenüber dem Servicepersonal mit Abstand im Vordergrund steht (80.3 Prozent). Aufgrund der Möglichkeit auf Mehrfachantworten geben zusätzlich 35.9 Prozent der Befragten an, Trinkgeld zu geben, um die tiefen Löhne des Servicepersonals aufzubessern. Ebenso geben 33.5 Prozent an, sich gut zu fühlen, wenn sie jemandem eine Freude machen können. Und 31.2 Prozent der Schweizer Bevölkerung erachtet Trinkgeldgeben als soziale Norm, wobei dieser Wert in der Deutschschweiz deutlich höher ist als in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz.

 

Trinkgeld wird häufig bar gegeben

Als Zahlungsmittel für das Trinkgeld verwenden 76.4 Prozent der Befragten Bargeld. «Dieser Wert ist auf den ersten Blick überraschend hoch», sagt Studienleiter und ZHAW-Dozent Marcel Stadelmann. «Dies lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass 26.1 Prozent der Befragten angaben, den Rechnungsbetrag im Restaurant bargeldlos zu begleichen, das Trinkgeld jedoch in bar zu übergeben.»

Beim Trinkgeld in bar nimmt nämlich die grosse Mehrheit an, dass dieses unter allen Mitarbeitenden (32.9 Prozent) oder unter den Servicemitarbeitenden (25.6 Prozent) aufgeteilt wird, oder dass die einkassierende Serviceperson dieses selbst behalten kann (28.1 Prozent). Bei bargeldlosem Trinkgeld gehen nur 15.4 Prozent davon aus, dass der Trinkgeldbetrag direkt an das Servicepersonal geht. 21.5 Prozent nehmen an, dass bargeldloses Trinkgeld an die Besitzer:in des Restaurants geht. «Die vermutete Verteilung des Trinkgelds ist somit eine mögliche Erklärung für den hohen Anteil an Bargeldzahlungen beim Trinkgeld. Es wird teilweise bewusst in bar übergeben, damit es direkt der einkassierenden Serviceperson zugutekommt», so das Fazit von Stadelmann.

Viele runden auf

Die meisten Menschen folgen einer bestimmten Faustregel oder Entscheidungshilfe bei der Bestimmung des Trinkgelds. Dabei runden 21.2 Prozent ganz einfach auf den nächsthöheren Fünf-Frankenbetrag auf. 16.9 Prozent der Befragten gaben an, jeweils 10 Prozent Trinkgeld auf den Rechnungsbetrag zu geben. Etwas pragmatischer halten es diejenigen 16.4 Prozent, die den Betrag abhängig vom aktuell verfügbaren Bargeld machen. «Interessant ist auch zu sehen, dass 11.6 Prozent keinem fixen Schema folgen, sondern das Trinkgeld je nach Lust und Laune respektive Zufriedenheit mit der Dienstleistung bestimmen», ergänzt Stadelmann.

Trinkgeld offen kommunizieren

Das Bezahlen mit Bargeld hat in der Schweiz in den letzten Jahren stark abgenommen. Deshalb möchten Gastronominnen und Gastronomen einen optimalen Prozess für bargeldloses Trinkgeld anbieten. Laut der Studie ist bei den Befragten am beliebtesten, wenn sie einen Betrag inklusive Trinkgeld nennen können und die Serviceperson diesen auf dem Zahlungsterminal erfasst. Ebenfalls positiv beurteilt wird, wenn Gäste das Trinkgeld selbst im Zahlungsterminal erfassen oder diesen Schritt überspringen können.

Deutlich negativer wahrgenommen wird hingegen, wenn eine vorgegebene Auswahl verschiedener Prozentsätze für das Trinkgeld angegeben wird oder wenn sich das Servicepersonal direkt nach dem gewünschten Trinkgeldbetrag erkundigt. «Insbesondere wird bemängelt, dass dies als bevormundend wahrgenommen wird», sagt Stadelmann.