Gastronomie

Theater ohne Happy End: Neumarkt schliesst Ende Jahr

– 16. November 2021
25 Jahre sind offenbar genug. Noch eine Metzgete, dann der Ausverkauf – Gastronom René Zimmermann versteckt seine Gefühle nicht.

1. Mai 1996 bis 23. Dezember 2021 – ein schwarzes Rechteck umarmt das Datum, der Name: Wirtschaft Neumarkt. Am Tag vor Weihnachten wird die gastronomische Institution im Zürcher Niederdorf sterben. Nach langer, schwerer Krankheit. Auch wenn der Patient Neumarkt noch auf dem Sterbebett äusserlich eine gute Figur abgibt: Der Tod kurz vor dem Jahreswechsel ist beschlossene Sache.

«Unsere Vermieterin, die Liegenschaften Stadt Zürich, möchte unseren Betrieb nicht vor den unerträglichen Lärmimmissionen durch das Theater Neumarkt schützen und unseren Vertrag nicht mehr verlängern», schreibt Pächter René Zimmermann (73) auf der Website seines Betriebs. «Leider sind 25 Jahre Wirtschaft Neumarkt offenbar genug.» Die Wehmut in seinen Zeilen ist unüberhörbar.

Ohne Bankettbereich keine Perspektive

Stein des Anstosses: Lärmbedingt musste die Beiz seinen Bankettbereich in den drei historischen Sälen vor längerer Zeit einstellen. Es knallt, es wird geschrien und gestampft – im Theater Neumarkt geht es derart laut zu und her, dass der Abend für die Restaurantgäste eine unzumutbare Angelegenheit ist. Diverse Gespräche mit allen beteiligten Departementen führten zu keiner Lärmminderung. «Der Vertrag garantiert uns die Nutzung als Restaurant. Offenbar wird aber die künstlerische Freiheit höher als unsere gastronomische Kulturarbeit und höher als ein gültiger Mietvertrag gewertet.» Zwar hofft «Zimmi», wie der Herzblutgastronom in der Szene genannt wird, nach wie vor auf eine einvernehmliche Lösung. «Deshalb können wir zurzeit keine Angaben zum hängigen Verfahren machen.» Ohne den Bankettbereich und ohne Zukunftsperspektiven will er die Wirtschaft Neumarkt aber nicht mehr weiterführen. Deshalb entschloss er sich, den Betrieb Ende Jahr einzustellen.

«Wir sind traurig und enttäuscht und können eigentlich nicht begreifen wieso eine Institution wie die Wirtschaft Neumarkt keine Zukunft haben soll», so Zimmermann. Die Beiz wuchs in den vergangenen 25 Jahren zu einem Ort für jedermann. Bekannt für die ebenso spannende wie preislich attraktive Schweizer Weinkarte mit Jahrgangstiefe, gesucht als Restaurant für Familienfeiern, Zunftanlässe und Firmenevents, gewählt wegen der ehrlichen Küche, beliebt für lauschige Momente im Sommergarten. Noch ehe Regionalität zum Trend wurde, arbeitete Zimmermann eng mit über hundert Kleinproduzenten aus der Umgebung zusammen, auch Nose to tail ist für ihn seit jeher eine Selbstverständlichkeit.

«Es macht für uns nur Sinn, die Wirtschaft Neumarkt mitsamt den drei Bankettsälen zu betreiben. Das Restaurant mit seinen 80 Plätzen und einem Garten mit über 200 Plätzen lässt sich ohne die Bankette in den Sälen nicht in der gewohnten Qualität führen», erklärt Zimmermann. «Wir hatten über 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon etwa die Hälfte Aushilfen, die im Sommer im Garten und im Winter im Bankett eingesetzt wurden. Ohne Saalbetrieb müssen wir für den Sommer viele Leute neu einstellen, die nicht eingearbeitet sind und mit unserer Philosophie und unseren Qualitätsansprüchen nicht vertraut sind. Auf diesem Niveau wollen wir nicht arbeiten.»

Metzgete und Ausverkauf

Und nun? Heute, 16. November, startet in der Wirtschaft Neumarkt zum letzten Mal die «Metzgete in Etappen». Vom Näsli bis zum Ringelschwänzli – die diversen Fleischstücke werden serviert, sobald sie dankbar angemessener Lagerung genügend zart sind. Zum Auftakt gibt es Blut- und Leberwurst von Gottlieb Feurer von der Buuremetzg in Oberglatt ZH. Dann folgen dessen Bauernbratwürste, schliesslich das Schweinsvoressen nach Grossvaterart und weitere Metzgete-Highlights. Der geräucherte Speck wird zum grandiosen Finale aufgetischt.

Die zahlreichen gesammelten Schätze, Vasen, Weihnachtsdekoration, Wein und Schnaps verkauft Zimmermann an zwei Samstagen (20./27. November, 12 bis 16 Uhr) gegen Bargeld. Mobiliar sowie Küchen- und Serviceartikel werden im Januar liquidiert. Zimmermann: «Uns bleibt nur, allen zu danken die den Kosmos Neumarkt ausmachten, ihn mit genussvollem Leben erfüllten und ihn zu einem menschlich etwas besseren Ort machten.»