Gastronomie

Süsse Versuchungen

Christine Bachmann – 09. April 2019
Sie ist kreativ, schräg und leidenschaftlich, wenn es um ihre Torten-Kreationen geht: Sara Hochuli, Torten-Queen und Gastgeberin im Tearoom und Café Miyuko in Zürich.

Bunt ist die Welt von Sara Hochuli, so bunt wie ihre Haare, ihre zahlreichen Tattoos, ihre Torten – eine Welt, reich von Geschichten. Wer ihr Tearoom und Café Miyuko in Zürich fernab der Touristenströme betritt, taucht in diese Welt ein, die zum Verweilen einlädt – und das seit nunmehr acht Jahren. Kreativität ist für Sara Hochuli ein Lebenselixier, und somit ist es wenig wunderlich, dass für die im Zürcher Oberland aufgewachsene Gastgeberin nur ein kreativer Beruf infrage kam. «Zur Auswahl standen damals Grafikerin, Konditorin oder Maskenbildnerin. Weil mich damals das frühe Aufstehen ab­geschreckt hat, habe ich mich am Ende für die Grafiker-­Ausbildung entschieden, zumal ich die Aufnahmeprüfung für den gestalterischen Vorkurs bestanden hatte.» So wurde Hochuli auf dem ersten Ausbildungsweg Grafikerin, «und ich wäre es wohl heute noch, wenn mit 21 Jahren nicht etwas Einschneidendes passiert wäre». Was denn? «Unsere gesamte Abteilung, in der ich damals arbeitete, wurde aufgelöst und uns allen gekündigt.» So habe sie sich gezwungenermassen Gedanken gemacht, was es sonst noch im Leben geben könnte. «Haare beispielsweise», sie lacht. Haare? «Ja, Haare. Ich hatte von 2004 bis 2012 ein Geschäft für Perücken, die vor allem in der Cosplay-Szene ihren Absatz fanden.» Ja, und während Sara Hochuli sich leidenschaftlich beruflich in der Perücken-­Welt verwirklichte, begann sie privat als Hobby Torten und Pralinen herzustellen. «Irgendwann kamen Freunde auf mich zu und fragten: ‹Wieso verkaufst du das nicht?› Ich habe dann gesagt: ‹Das ist ein Hobby.›» Ein Hobby, das sich am Ende durch ihren Lebenspartner Dominik Grenzler doch noch zum Beruf entwickelte. «Dominik hatte schon immer den Wunsch, eines Tages ein Café zu ­eröffnen», erzählt Hochuli, «und am Ende haben wir das Projekt, das uns nicht mehr losgelassen hat, in Angriff genommen – anfänglich ziemlich blauäugig», erzählt sie mit einem Schmunzeln. «Ich glaube, wenn wir von Anfang an gewusst hätten, was die Eröffnung eines Lokals bedeutet, hätten wir es wohl nicht gewagt.» Doch sie wussten es nicht besser. So haben Sara und Dominik ein Konzept erstellt, die passende Lokalität gefunden und losgelegt. Ohne Aus­bildung? «Nein, nicht ganz ohne Ausbildung. Ich habe in Stuttgart noch eine Patissier-Grundausbildung absolviert, damit ich alle Teige, Massen et cetera im Griff habe, aber ich habe mir auch vieles autodidaktisch beigebracht», erzählt sie. Das grafische Talent kam ihr dabei für ihre ausgefallenen Tortenkreationen mitunter auch noch zu Hilfe. Süsser Erfolg
«Wir dachten ja, dass es zwei Jahre braucht, bis der Laden langsam läuft – was für ein Irrtum.» Denn durch den Marketing-Hintergrund ihres Partners wurden bereits in den ersten Wochen die grossen Medien auf das Miyuko aufmerksam «und so hatten wir bereits in den ersten Wochen den Laden voll», erinnert sich Hochuli. Fakt: Sie seien praktisch nicht mehr nachgekommen. «Es war ein kontinuierliches Feuerlöschen, und wir haben auch gemerkt, dass wir für die Produktion einen weiteren Standort brauchen, weil die Räumlichkeiten hier einfach zu klein sind.» Zu Beginn hätten sie auch nie eine Anfrage abgelehnt und praktisch durchgearbeitet. «Erst langsam haben wir gemerkt, dass wir nicht quantitativ wachsen wollen, sondern qualitativ. Lieber weniger, dafür gut, als viel und immer am Limit. Bei den meisten Leuten ist der grosse Fehler, dass sie Wachstum mit Quantität verwechseln.» Heute hätten sie das im Griff mit zwei Freitagen in der Woche, einem langjährigen und tollen Team an der Seite und mit Prozessen, die funktionieren. «Dennoch habe ich das Gefühl, dass wir nicht stehen bleiben. Für mich gibt es noch so vieles, das ich lernen, und auch noch so viele Menschen, die ich kennenlernen möchte.» Sie mag es, im Betrieb vor Ort zu sein, sich mit den Gästen auszutauschen, Rückmeldungen entgegenzunehmen und mit dem Team gemeinsam auch mal lange Tage zu stemmen.

«Manchmal muss man aufbrechen, um wieder zurück­zukommen.»
Dennoch liebe sie auch die Tage, in denen sie alleine in der Backstube steht. «Irgendwie brauche ich das, um wieder zur Ruhe zu kommen, mich zu konzentrieren. Wobei ich die langen Tage im Café nie als Stress wahrnehme. Denn ich liebe, was ich tue. Und wenn man etwas liebt, dann ist das einfach nur schön.» Woher sie die kreativen Ideen für ihre Torten nehme? «Beim Reisen, und ich schätze es auch, mit anderen kreativen Menschen zusammenzuarbeiten, egal aus welcher Ecke.» Letzthin habe sie ein Praktikum bei Stefan Wiesner absolviert und viel gelernt. «Das war grossartig», schwärmt sie. Der Austausch sei ihr schon sehr wichtig, auch unter Kolleginnen in der Szene. «Wir sind wenige Frauen, die sich dieser Leidenschaft der Torten-Kreation hingeben, und wir haben es wirklich gut untereinander, schicken uns gegenseitig auch schon mal Kunden.» Überhaupt findet Sara die Frauenvernetzung in der Gastronomie etwas ganz Wichtiges. «Wir machen das viel zu wenig und es gibt so tolle Frauen, mit denen ich mich regelmässig austausche.» Süsse Kreationen
Und was war die verrückteste Torte? «Es gibt immer verrückte Dinge – und ich mache auch nicht alles. Aber ja, beispielsweise eine weisse Hochzeitstorte mit ­einem blutenden Hirn, oder aufwendige Kindergeburtstagstorten.» Am liebsten kreiere sie Torten, die etwas Persönliches sind, einen Bezug zu demjenigen haben, der sie bestellt oder bekommt. Und wie süss ist Sara selbst? «Ich persönlich bin schon eine Süsse, aber wenn ich eine Torte oder Praline eine Zeit lang im Sortiment habe, dann wechsle ich auch gerne wieder einmal, weil es für mich einfach langweilig wird. Einzig eine Torte darf ich nie aus dem Sortiment nehmen. Das würden mir die Gäste nicht verzeihen.» Welche? «Schoggimousse-­Passionsfrucht-Mango.» Sie lacht. Und was hat Sara für sich gelernt in den letzten Jahren? «Bescheiden zu sein und die Linie zu fahren, die zu mir passt.» Und was sie noch gelernt habe, nach einem beruflichen Ausflug nach Island, sei, «dass man manchmal aufbrechen muss, um wieder zurückzukehren.» Heute ist Sara angekommen in ihrer kleinen, feinen, bunten und süssen Welt. Sie bleibt. Für mich indes ist es Zeit, aufzubrechen und Abschied zu nehmen – und für das ­brauche ich jetzt unbedingt noch ein Stück dieser wunderbaren Schoggimousse-Passionsfrucht-Mango-Torte. Einfach köstlich!