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So solidarisch zeigt sich die Branche in der Krise

Benny Epstein – 27. März 2020
Das Coronavirus legt die Schweiz lahm. Die meisten Hotels und Restaurants sind geschlossen, einige setzen auf Take-away. Und manche nutzen die Zeit, um Gutes zu tun.

Als ehemaliger Schweizer Boxmeister ist sich Resu Gashi (28) gewohnt zu kämpfen. Sein aktueller Fight: Er muss die Miete und die Löhne seiner Angestellten bezahlen. Gashi führt in Biel die Pizzeria Capri. «Die Krise ist wie eine Faust ins Gesicht, aber aufgeben ist für mich keine Option. Ich möchte keinen entlassen.» Also stellt der gelernte Polymechaniker kurzerhand auf Take-away und Auslieferdienst um – wie viele andere Gastronomen. Doch Gashi geht noch einen Schritt weiter: Als er am vergangenen Freitag die Menschen für das Pflegepersonal klatschen hört, sagt er sich: «Klatschen ist cool, aber wir müssen mehr tun.» Er ruft im Bieler Spital an und fragt, ob er für jene Mitarbeiter, die sich um die Corona-Patienten kümmern, Gratis-Pizza, bringen darf.
Die Freude ist riesig. Und so fährt er um 18.30 Uhr selbst vorbei und liefert Margharita, Parma, Prosciutto & Co. für die überraschten Mitarbeiter. Gashi: «Auf die Schachteln haben wir noch motivierende Sprüche geschrieben. Das Feedback war wunderschön. Das gibt mir so viel zurück.» Fortan wird er bis zum Ende der Coronakrise jeden Freitag Gratis-Pizzas liefern. Auch der Zürcher Gastronom Michel Péclard (51) zeigt sein grosses Herz. «Ganz ehrlich: Breit aufgestellte Gastronomen wie mich trifft die Situation zwar hart, doch wir überleben sie. Ich will jetzt anderen helfen.» Seine Restaurants sind geschlossen, auf einen Take-away verzichtet er. «Die Leute sollen weg von der Strasse.» Stattdessen unterstützt er den Kleinbauern Simon Müller, auf dessen Gemüse er in seinen Betrieben setzt. «Er sagte mir, er lebe zu 80 Prozent von den Verkäufen am Markt, der nun geschlossen ist. Also helfen wir ihm nun, sodass er Heimlieferdienste machen kann.» Péclard stellt ihm Personal zum Ausliefern sowie Kreditkarten-Terminals zur Verfügung. Zurzeit möchte niemand mit Bargeld bezahlen. Unterstützung für Spitäler
Daniel Schälli (42), Direktor der Villa Orselina in Locarno, stellt dem Pflegepersonal der Clinica Varini die Zimmer des Schwesternbetriebs Barca Blu zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Schälli: «In diesen schwierigen Wochen ist es für uns selbstverständlich, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten einen Solidaritätsbeitrag leisten. Es geht jetzt darum, dass das Gesundheitssystem für die Schweizer Bevölkerung aufrechterhalten bleibt.»
Spitzenkoch Tobias Funke (37) stellt seine Mitarbeiter sogar für Spitaleinsätze zur Verfügung. Der designierte Zweisternekoch aus dem Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR trat vergangene Woche mit den Spitälern in der Umgebung in Kontakt. Am Dienstag schickte er ein erstes Trio ins Kantonsspital Heiden: Ein Koch, ein Hilfskoch und ein Servicemitarbeiter werden eingearbeitet, um für den Fall bereitzustehen. Fällt im Spital das Personal aus, so springen Funkes Leute ein. «Dasselbe machen wir auch im Kantonsspital Herisau und in der Psychiatrischen Klinik Herisau. Und eine Mitarbeiterin von uns arbeitet zurzeit bei unserem Bäcker, der vor lauter Arbeit nicht mehr nachkommt. Wir wären sogar in der Migros Gestelle einräumen gegangen. Hauptsache die Verpflegung der Bevölkerung funktioniert.» Während der Zeit im Spital sind seine Köche vom Spital angestellt und entlöhnt. Das sei versicherungstechnisch nötig. Funkes zwei Restaurants sind zurzeit geschlossen. Ab kommendem Mittwoch bietet er aber einfache Gerichte zum Abholen oder Nach-Hause-bestellen an. «Falls wir im Spital gebraucht werden, stellen wir den Take-away-Service wieder ein.» Gratis-Mahlzeiten für ältere Menschen
Wie Pizzaiolo Gashi bedankt sich auch Stephan Radloff (53) beim Pflegepersonal. Der Geschäftsführer von Baur au Lac Vins verschenkt gemeinsam mit dem Zürcher Restaurant Kronenhalle 1000 Flaschen Bourgogne Réserve du Patron 2009 für das dauerbeschäftigte Pflegepersonal. Wer will, kann sich via Facebook melden. «Es ist der Hauswein der Kronenhalle, er ist jetzt perfekt gereift und beschert diesen tollen Menschen einen schönen Moment. Die Flaschen waren innert 15 Stunden weg. Die Reaktionen haben mich sehr berührt.»
Philippe Nanzer (39) sorgt dafür, dass die älteren Menschen zu Hause bleiben können: Der Hotelier vom Seehotel Gotthard in Weggis LU wohnt in seinem Betrieb, der zurzeit geschlossen ist. Auf seine Idee hin kochen nun das Seehotel sowie das Hotel Alexander (ebenfalls in Weggis), das Park Hotel Vitznau, das Hotel Floralpina (beide in Vitznau LU) sowie das Kräuterhotel Edelweiss in Rigi Kaltbad LU an je einem Abend für die älteren Leute in der Umgebung. Gregor Vörös, Gastgeber im Kräuterhotel Edelweiss: «Als Philippe uns gefragt hat, sagten wir sofort zu.» Auf ihre Aktion machen sie mit einer Anzeige in der lokalen Wochenzeitung aufmerksam. Nanzer: «Wer bestellt, kriegt von Dienstag bis Samstag eine warme Mahlzeit geliefert – und erst noch gratis.» Menschen ausserhalb der Risikogruppe können sich für 10 Franken verköstigen lassen. «Wir wollen nun einfach helfen. Wir wollen zeigen, dass wir nicht nur für Touristen hier sind, sondern gerade zu einer solchen Zeit auch für die Leute im Ort hier. Das ist keine Marketingaktion.» Nanzer will Gutes tun – auch um den positiven Geist unter den Mitarbeitern hochhalten zu können. «Unsere Mitarbeiter dürfen während der Zeit im Hotel bleiben. Sie können sich die schönsten Zimmer mit zwei Balkonen aussuchen. Wir haben einen Fitnessraum eingerichtet. Jetzt muss ich der beste Mensch sein, der ich sein kann.» Manche Menschen haben es immer schwer
An andere benachteiligte Personen denken Stefano Eggenberger (28) und Assanee Meguid (29). Die beiden führen in Zürich das Di Lenardo. Für die Zeit der Coronakrise setzen sie auf Take-away: Pasta oder Lasagne gibt es mit Salat für 20 Franken. Wer will, kann weitere 5 Franken spenden. Meguid: «Mit diesem Geld kochen wir für Randständige, die es immer schwer haben. Sie darf man jetzt erst recht nicht vergessen.» Wer sich das Gericht nicht leisten kann, darf vorbeikommen und kriegt es umsonst. Sind nach Feierabend noch Portionen übrig, so fährt das Duo durch die Strassen, um jene Menschen glücklich zu machen, die kaum je in den Genuss einer warmen Mahlzeit vom Italiener kommen – nicht vor, nicht während und nicht nach Corona.