Der 29-jährige Sebastian Rösch ist im bayerischen Lebenhan aufgewachsen und hat seine Lehre in Laudensacks Parkhotel in Bad Kissingen absolviert. Dort hat er Gourmet-Luft geschnuppert und gemerkt, dass seine Zukunft in der gehobenen Gastronomie liegt. Der Kauf eines Schweizer Restaurantführers hatte zur Folge, dass Rösch seine Sachen packte und ins Restaurant Ecco nach Ascona wechselte. Es folgten Stationen im St. Meinrad und Hotel Rigiblick in Zürich sowie erstmals als Küchenchef im Restaurant «Marmite Tasty». Seit einem Jahr steht Rösch nun im «Mesa» in Zürich am Herd – und hat vor, dort längere Zeit zu bleiben.
GastroJournal: Sie sind seit Januar 2017 Küchenchef im Mesa. Welches Fazit ziehen Sie nach dem ersten Betriebsjahr?
Sebastian Rösch: Es fühlt sich definitiv schon viel länger an (lacht). Ich habe mich hier von Anfang an wohl gefühlt, es herrscht ein toller Spirit und das Team arbeitet sehr gut zusammen. Schön ist, dass wir keinen Hotelbetrieb oder ein zweites Restaurant im Hintergrund haben, mit dem wir uns absprechen müssen. Wir können uns also ganz auf die Arbeit hier konzentrieren und stecken unsere ganze Energie hinein.
Die Spitzengastronomie ist ein hartes Pflaster und gerade in Zürich gibt es viel Konkurrenz. Wie hebt sich das Mesa davon ab?Lokales sollte in der Küche die Grundvoraussetzung sein
Was im Mesa über die Jahre gemacht wurde und was ich gerne weiterführen möchte, ist, den Gästen ein Qualitätsversprechen zu geben. Wir sind stets auf der Suche nach den bestmöglichen Grundprodukten. Wir leisten es uns, auch dank der Unterstützung der Mesa-Besitzerin Linda Mühlemann, dass wir nicht nur bei einer Grossfirma einkaufen, sondern eben auch kleine Produzenten aufsuchen und mit ihnen eine langfristige Zusammenarbeit eingehen. Das ist aber mit erheblichem Aufwand verbunden. Wie bringen Sie das mit dem Kochen unter einen Hut?
Das stimmt. Wir waren auch schon an dem Punkt, dass wir abends 15 Anrufe tätigen mussten, weil hier und da noch ein Produkt fehlte. Die Suche nach dem «besten Produkt» wird für mich immer eine Herausforderung bleiben. Da wir mittags und abends offen sind, habe ich unter der Woche keine Musse für Kreativität. Deswegen lege ich Termine mit Produzenten häufig auf unsere Ruhetage, den Sonn- und Montag. Letztens bin ich zum Beispiel mit meinem Souschef nach Zermatt gefahren, um Wacholder zu pflücken. In der Freizeit kann man sich auf so etwas einlassen und dabei auch entspannen. Und das Schönste für mich ist, wenn ich unseren Gästen danach ein tolles Produkt von hier zeigen kann. Was ist Ihnen bei den Produkten und beim Kochen wichtig?
Unsere Küche ist eher klassisch orientiert, aber zeitgemäss interpretiert. Für mich spielen in erster Linie die Qualität und der Geschmack der Produkte eine Rolle. Ich schreibe mir zum Beispiel nicht auf die Fahne, dass ich nur lokale Lebensmittel verwende, denn das sollte eigentlich die Grundvoraussetzung sein. Wenn aber die beste Haselnuss aus dem Piemont kommt, dann werde ich diese bestellen. Im Moment habe ich zum Beispiel einen Gang mit Erbsen aus Sizilien auf der Karte – die sind so zuckersüss! Und das ist für mich das Ausschlaggebende, die Qualität. Was halten Sie von aktuellen Bewegungen wie Nose-to-Tail?
Ich habe nichts dagegen, dass man Innereien oder zum Beispiel Stierhoden auf die Karte setzt. Aber ich möchte auf keinen Fall etwas Gezwungenes machen und glaube auch nicht, dass man diese Produkte massenfähig verkaufen kann. Nichts gegen ein tolles Bries oder eine Kalbszunge, man sollte eben ein gewisses Gespür haben, was der Gast vor Ort möchte. Das Essen muss schmecken, den Gästen Spass machen – und sich letztlich auch verkaufen.
Jeden Mittwochabend bieten Sie ein veganes Menü an. Wie kam es dazu?Es muss schmecken und den Gästen Spass machen
Es gab immer wieder Gäste, die nicht im Voraus gesagt haben, dass sie vegan essen. Anstatt jedes Mal zu improvisieren, habe ich den veganen Abend eingeführt, der sehr gut läuft und auch von Nicht-Veganern besucht wird. Aber eigentlich finde ich, dass das Wort «vegan» ein Unding für die Bewegung selbst ist. Mir geht es vielmehr darum, eine gehobene Gemüseküche genussvoll und sinnlich zu präsentieren. Wer sagt mir denn, dass ein Gemüsegericht nur mit Zugabe von Butter und Rahm gut schmeckt. Uns hat die Auseinandersetzung mit der pflanzlichen Küche sehr viel gebracht: Wir entdeckten dadurch neue Techniken, Produkte und mehr Vielfalt an Gemüsen, da wir noch tiefer in die Materie hineingegangen sind. Es war viel Arbeit und Aufwand, was aber unserem Handwerk extrem förderlich war. Auf Ihrer Karte findet man auch Hummer und Gänseleber. Ja, das mag ich persönlich sehr gerne und lasse ich mir nicht verbieten. Ich gehe aber mit einer gewissen Demut an diese Produkte heran und werfe kein Fitzelchen davon in den Müll. Für eine Privatperson ist es zum Beispiel nicht immer einfach, an so frische Meeresfrüchte heranzukommen. Deswegen soll man sie weiterhin im Mesa essen können.
Wie stehen Sie dazu, dass Hummer neuerdings vor dem Kochen betäubt/gekühlt werden müssen?Der Gast hat keine Identifikationsfigur mehr
Ich finde es schade. Denn die Konsistenz wird dadurch ganz anders, so gummig. Und dann ist es wiederum schade, dass ein Hummer dafür sein Leben lassen musste. Aber es gehört dazu, dass man ein Tier artgerecht zubereitet und tötet. Dessen sollte man sich bewusst sein und als Koch auch Respekt zollen. Letzten Herbst haben Sie sich Ihren ersten Guide Michelin-Stern erkocht. Was ist Ihr nächstes Ziel? Die Gastronomie ist so schnelllebig, und das finde ich schade. Als Gast hat man keine Identifikationsfigur mehr, wer hinter einem Betrieb steckt. Im Mesa möchten wir das mit unserem Team ändern. Wir haben viel Energie und versuchen, jeden Tag etwas zu verbessern. Und ich glaube, das spürt man. www.mesa-restaurant.ch Lieblingsrestaurant
«Ein bahnbrechendes Erlebnis hatte ich in den Niederlanden im Restaurant Oud Sluis bei Sergio Herman», erzählt Sebastian Rösch: «Nicht nur die Produkte waren hervorragend, sondern auch die Präsentation, Musik, schlicht das Gesamterlebnis.»