Gastronomie

Qualitäts-Programm: Bilanz der Neulancierung

Peter Grunder – 06. Februar 2018
20 Jahre nach der Lancierung ist das Qualitätsprogramm für den Schweizer Tourismus 2017 komplett überarbeitet und neu gestartet worden. Die Zwischenbilanz ist erfreulich, allerdings stellen sich nach wie vor Grundsatzfragen: etwa jene nach den Propheten im eigenen Land oder nach dem Abseitsstehen derjenigen, die es am meisten brauchen würden.

Als sich die Berner Obrigkeit im Zuge der Reformation genötigt sah, die Untertanen so zu schulen, dass sie die Bibel lesen konnten, herrschte nicht nur Freude. Zuvorderst ­beklagten sich Eltern, die im Lesen und Schreiben keine notwendige Qualifikation sahen und die Kinder lieber arbeiten lassen wollten. Das erinnert an die Haltung mancher Teile der Tourismusbranche zu ihrem Qualitätsprogramm, das in den 1990er-Jahren aufgelegt worden ist (vgl. Kasten): Es sei völlig überflüssig, systematisch über Qualität nachzudenken, ereiferte sich in einem der ersten Qualitätscoach-Kurse ein Berner Oberländer Hotelier. Der Betrieb dieses Hoteliers ist inzwischen zwar vom Markt verschwunden. Und Ende 2017 konnte das Programm fast 9 000 vergebene Qualitäts-Gütesiegel bilanzieren sowie feststellen, dass sich dieses Programm auch im Ausland etabliert hat. Die Erkenntnis jedoch, dass systematisches Vorgehen die Qualität eines Dienstleistungsbetriebes ebenso automatisch steigert wie Lesen und Schreiben die Qualifikation der Menschen, ist namentlich in der Gastronomie noch nicht wirklich angekommen: Auf ein Restaurant, das ein Gütesiegel erarbeitet und umgesetzt hat, kommen gemäss Statistik drei Hotels. Während Lesen und Schreiben längst Pflicht sind und völlig unbestritten, erscheint die Entwicklung im Tourismus in den letzten Jahrzehnten gegenteilig: Bis hin zu technischen Anforderungen an Bergbahnen sind Pflichten weggeräumt worden, und zur Führung eines Restaurants braucht es im Vergleich zu früher praktisch keinerlei Qualifikation mehr. Die Branchenorganisationen haben gleichzeitig viel geleistet, um die systemischen Voraussetzungen für Qualität sicherzustellen und zu verbessern: Vorbildlich ist nicht nur das Qualitätsprogramm, sondern auch das dreistufige Ausbildungssystem für gastgewerbliche Unternehmen. Die Branchenorganisationen stecken hier in einem Dilemma: Einerseits erreichen sie vor allem jene nicht, die es am meisten brauchen. Andererseits wollen und können sie die qualitativen Hürden nicht tiefer setzen, weil darunter die Qualität insgesamt leiden würde. Einen Ausweg bieten die neuen Instrumente der digitalen Welt: Sie ermöglichen es vor allem, administrative Hürden abzubauen. Entsprechend ist das Qualitätsprogramm im vergangenen Jahr neu aufgelegt und insgesamt vereinfacht worden: «Der modulare Aufbau, die flexiblen Anerkennungsmöglichkeiten eigener Instrumente und die neu freiwilligen, kompakteren Kurse stossen auf positive Resonanz», bilanziert denn auch Chantal Beck, beim Schweizer Tourismus-Verband für das Qualitätsprogramm zuständig. Die Zwischenbilanz der Neulancierung ist laut Beck zwar nicht euphorisch, aber positiv. Und da ist eine gewisse Aufbruchstimmung: «In verschiedenen Bereichen wie Taxiwesen, Parahotellerie, Agrotourismus oder Schneesportschulen sind spannende Q-Offensiven im Gange.» Das Gastgewerbe hat die Aufbruchstimmung mithin noch nicht erfasst. Die Ziele des Programmes Der Bund hat das Qualitäts-Programm des Schweizer Tourismus mit angeschoben und unterstützt es finanziell; die Universität Bern begleitet und entwickelt das Programm wissenschaftlich, die Hauptziele sind folgende:

  • Mit dem Qualitäts-Programm kann der Service in den Betrieben verbessert werden – spürbar für den Gast, den Betrieb und die Mitarbeitenden.
  • Das Qualitäts-Programm ermöglicht touristischen Betrieben, die Dienstleistungsqualität zu prüfen, zu sichern und zielgerichtet zu optimieren.
  • Erklärtes Ziel ist es, das Qualitätsbewusstsein in den Betrieben zu steigern, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Anbietern zu fördern und die Dienstleistungsqualität im Reise- und Ferienland Schweiz hoch zu halten.
  • Das Q-Label fördert Bewusstsein, Qualität und Zusammenarbeit.
Die nächsten Kurse Zwar können Unternehmen Gütesiegel inzwischen auch weitgehend autonom erarbeiten und sich zertifizieren lassen: Aber die praxisorientierten Kurse bleiben der Königsweg, folgende Kurse finden demnächst statt:
  • Pully Quality-Coach 12.03.2018 Französisch
  • Lugano Quality-Coach 13.03.2018 Italienisch
  • Luzern Quality-Coach 10.04.2018 Deutsch
  • Chur Quality-Coach 18.05.2018 Deutsch
  • Pully Quality-Coach 28.05.2018 Französisch
Die Träger des Programmes Folgende Organisationen tragen das Qualitätsprogramm:
  • Schweizer Tourismus-Verband STV
  • Schweiz Tourismus
  • GastroSuisse
  • Hotelleriesuisse
  • Seilbahnen Schweiz
  • Verband öffentlicher Verkehr VöV
  • Konferenz der regionalen ­Tourismusdirektoren RDK
  • Verband Schweizer Tourismus­manager
  • Car Tourisme Suisse, Car-Groupe ASTAG
  • Swiss Snowsports
  • Hotel&Gastro Union
Link: www.stv-fst.ch