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«Patentlösung gibt es nicht»

Reto E. Wild – 20. März 2020
Auch Clubbetreiber trifft die Coronakrise besonders stark. Fabian Frauenfelder ist seit rund 14 Jahren in diesem Geschäft. «Fraui» über Massnahmen und sinkende Umsätze.

GastroJournal: Fabian Frauenfelder, wie stark trifft Sie die Coronakrise?
Fabian Frauenfelder: Extrem. Ich arbeite nun seit bald 14 Jahren in dieser Branche. Dies ist für unsere gastronomische Firmengeschichte klar die schwierigste Zeit. Wir haben diverse Absagen von Anlässen erhalten, die uns stark treffen. Ein Club, der mitten im Stadtzentrum steht und weiterhin stark frequentiert wird, konnte das bis anhin einigermassen verkraften. Aber ein Club auf dem Land lebt von Wochenende zu Wochenende. Welche Massnahmen treffen Sie?
Wir müssen unsere Szenarien täglich anpassen. Wir führen individuelle Gespräche mit Kunden, Partnern und Vermietern und versuchen, auf jede Situation individuell zu reagieren. Eine Patentlösung gibt es nicht. Kurzarbeit ist ein Thema, aber alleine darauf möchte ich mich nicht stützen. Bis am 10. März hatten wir das Gefühl, irgendwie mit einem blauen Auge davonzukommen. Doch nun hat sich die Stimmung massiv verschlechtert. Ein grosses Problem ist die Kommunikation des Bundesrats, der Ende Februar schlecht informiert und für Verwirrung gesorgt hat. Da macht die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich einen besseren Job. Wir betreiben in mehreren Kantonen Lokale. Mir soll mal jemand erklären, wie es möglich ist, dass der ÖV funktionieren, ein Konzert mit 60 Leuten in Chur aber nicht stattfinden darf. Der Notstand in der Schweiz macht alles nur noch schlimmer.
Ich bin ein unkonventioneller Typ. Ich ging immer meine eigenen Wege. Mich interessiert nicht, was andere machen. Ich nehme jeden Tag, wie er kommt. Ich bin der Praktiker, der gerne mit den eigenen Händen arbeitet und verlasse mich ungern auf andere und schon gar nicht auf den Bund. Klar ist jetzt aber: Die Branche braucht dringend Unterstützung vom Bund und den Kantonen. Dutzende Firmen stehen vor dem Konkurs, vom Zelt- bis zum Technikvermieter. Die Schliessung unserer Lokale ist eine absolute Katastrophe. An eine Absage der Fussball-EM, zu der wir grosse Public Viewings planen, wage ich gar nicht zu denken. Davon wären Millionen Menschen betroffen. Unglaublich, wie diffizil unser Wirtschaftssystem ist und wie wenig es braucht, bis alles zusammenbricht. Wie gut lief es bis vor einem Monat?
Ich leite insgesamt rund 14 Gesellschaften operativ und sehe so in viele Branchen rein. Jene, die im Bereich Nightlife und Gastro arbeiten, sind verschwiegen und reden nicht gerne über Umsätze. Offiziell läuft jede Bar und jeder Club immer super. Klar, vielen Betrieben in der Stadt Zürich ging es bis zu den Meldungen über das Coronavirus wirklich gut. Aber die Gesamtbranche ausserhalb der urbanen Zentren kämpft seit zwölf Jahren mit rückläufigen Zahlen. Sie verliert jährlich Gäste, der Konsum geht zurück. Wieso?
Als ich 17 Jahre alt war, war jener der Coolste, der am meisten säuft und den Heimweg kaum mehr findet. Wir gingen im Minimum fünfmal pro Woche in den Ausgang und am Montag zum «Cool Monday». Heute gehen 18-Jährige fünfmal pro Woche ins Training. Die Umsätze sind rückläufig. Wer was anderes sagt, lügt. Ich will nicht klagen. Ich finde es mega spannend, wie sich die Branche verändert. Wenn man es richtig macht, kann man noch immer mit tollen Events Geld verdienen. Foodfestivals, Open Airs und Outdoor-Events boomen. Aber die Konsumation von Bier und Spirituosen geht im Nachtleben zurück. Von 2016 bis 2019 haben wir mehre Lokale übernommen oder eröffnet. Die Zahl der Angestellten nahm in dieser Zeit von unter 100 auf rund 280 zu. Suchten Sie dieses Wachstum?
Nein, nie. Wir strebten nie nach Grösse. Als meine Freunde und ich junge Männer waren, hatten wir immer den Traum, einen eigenen Club zu betreiben. Und aus dem Hobby wurde ein Geschäft. Mittlerweile tragen wir gegenüber unseren Mitarbeitenden eine grosse Verantwortung. Überlegen Sie sich trotz Coronakrise eine weitere Expansion?
Wir arbeiten tatsächlich seit zwei Jahren an zwei grossen Projekten im Bereich Nightlifegastronomie und hoffen, dass wir 2020 eines davon in unsere Gruppe aufnehmen können. Damit hätten wir auf einen Schlag weitere 150 Mitarbeitende. Doch niemand weiss, wie es mit diesem Coronavirus weitergeht – auch Herr Koch nicht vom Bundesamt für Gesundheit. Dennoch hatten wir am 7. März, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, in einem unserer Lokale in Winterthur einen absoluten Besucherrekord. Wir mussten wie an einem Silvester unsere Türen schliessen, um die von der Feuerpolizei maximal erlaubte Besucherzahl einzuhalten. So nebenbei führen wir für die Ü40 Tanzpartys durch, die zu den erfolgreichsten der Schweiz zählen. Ü40 gibt wohl am meisten Geld pro Kopf aus.
Eben nicht. Wenn einer 48 Jahre alt ist, betrinkt er sich in der Regel in unseren Clubs nicht mehr. Entsprechend konsumiert er bei uns viel Wasser und keine Spirituosen. Trinken tun Ältere allein, mit Freunden oder der Familie. Der spannendste Gast an der Bar ist für uns ein 21- bis 26-jähriger Mann. Er sorgt durchschnittlich für den höchsten Umsatz. Das Problem in unserem Geschäftsfeld: Wir sind schlechter organisiert als jede andere Branche. Wir haben in Bern fast keine Lobby. Das Nachtgewerbe hat noch immer den Ruf, undurchsichtig zu sein. Die Kunden gehen seltener in den Ausgang und konsumieren weniger.Was sind weitere Herausforderungen?
Wir müssen uns immer wieder neu erfinden. Es genügt nicht mehr, einen «Ladys Friday» zu lancieren, wozu früher ein einfacher Flyer reichte. Zudem ist vieles nicht mehr erlaubt. Restriktionen werden immer grösser, feuerpolizeiliche Auflagen schärfer umgesetzt als früher. Und dann kommt dazu, dass nicht nur weniger Gäste feiern, sondern auch weniger Junge am Wochenende arbeiten wollen. Wir müssen also mehr Gesetzesauflagen erfüllen, Mitarbeitende finden und mehr Aufwand betreiben, um den Gast in unsere Lokale zu holen. Für mich ist deshalb die Politik Zentrum des Lebens. Wie meinen Sie das?
Heute bin ich doch fast mehr Politiker als Gastronom. Als SVP-Mitglied politisiere ich zwar nicht in einem Amt. Aber es ist enorm wichtig, sich gemeinsam mit den Behörden auszutauschen. Die Stadt Winterthur ist hier vorbildlich. Der Austausch zwischen Eventveranstaltern, Clubs, Barbesitzern und Behörden habe ich noch nirgendwo so positiv erlebt. Wir werden ernst genommen und können Probleme ansprechen. Wir versuchen Lösungen auszuschaffen, die wir auch in anderen Städten anwenden können. Beispielsweise?
Das Projekt «Ist Luisa da?» zum Schutz vor sexueller Belästigung von Frauen und Mädchen in Nachtclubs kommt ursprünglich aus Deutschland. Wir haben damit schweizweit als Erstes in Winterthur angefangen und erhalten nun landesweit Anfragen: Uns ging es darum, zu zeigen, dass es uns mit diesem Thema sehr ernst ist. Was hat Fabian Frauenfelder vom pausierenden Sänger Fraui gelernt?
Ab und zu muss Fraui von Fabian lernen. Ich bin in Kloten aufgewachsen und lebe nach wie vor hier. Ich fühle mich mehr als Winterthurer und nicht als Stadtzürcher. Das Musikprojekt Fraui pausiert schon länger. Ich spiele noch immer sehr gerne Klavier und Gitarre, aber nicht mehr öffentlich. Ich schreibe auch Songs für andere. Das ist ein Hobby von mir. Ausser meiner Mutter sagen alle Fraui zu mir, sogar meine Lehrer nannten mich früher so. Deshalb hiess auch mein Musikprojekt Fraui. Den Fabian kennen nicht viele Leute, und das ist auch durchaus recht so. _______________________________________________________ ★ Vom Elektromonteur zum Unternehmer Fabian Frauenfelder (32) ist Geschäftsführer der Gastro ZH GmbH mit rund 280 Angestellten. Die Betreibergesellschaft mit Sitz in Lufingen bei Kloten ZH führt und verwaltet rund zehn Clubs und Restaurants wie die Arch Bar, das Zimmer31 (beide in Winterthur) oder den Kursaal in Arosa GR. Zusätzlich ist «Fraui», wie ihn seine Freunde nennen, zusammen mit sechs Geschäftsleitungsmitgliedern für diverse Schwesterfirmen verantwortlich wie etwa die Swiss Premium Drinks GmbH, die sich um den Einkauf von Produkten kümmert und zusätzlich Gipfelstürmer Arosa und Tannenschnaps herstellt. Bereits mit 14 organisierte der ausgebildete Elektromonteur erste Konzerte, mit 17 Clubpartys. Aus dem Hobby wurde Beruf, als Fraui 2010 mit der Kommunikationsagentur Hangar Ent. Group in den Markt eintrat. Bis 2014 arbeitete er unter dem Namen Fraui auch als Solokünstler. Frauenfelder ist zudem OK-Präsident des Stadtfests Kloten.