Sie sind hochqualifiziert und engagiert. Dass sie aufhören, muss zu denken geben – und zu handeln.
Mitte Dezember ist Schluss. Jeannette und Andreas Unterberger werden ihre Pacht im Hotel Bellevue in Iseltwald nicht erneuern. Zurück zur Tagesordnung, weiter im Text? Andreas ist im Gastgewerbe aufgewachsen, hat Koch gelernt, dann Saisonstellen absolviert, dazu Militärküchenchef, Diätkoch, eidgenössisch diplomierter Küchenchef. Er ist Mitglied im Cercle der bernischen Küchenchefs, Lehrmeister und Prüfungsexperte – ein vorbildlicher Berufweg. Jeannette ist in klassischer gastgewerblicher Aufgabenteilung ähnlich hochqualifiziert: unter anderem Lehrmeisterin und Prüfungsexpertin im Servicefach. Zurück zur Tagesordnung, weiter im Text?
«Wir wussten, was kommt, aber waren zu blauäugig»Jeannette und Andreas hatten sich auf Saisonstellen in Iseltwald kennen gelernt: bei Familie Abegglen im Chalet Du Lac, das ähnlich renommiert ist wie das Bellevue – und wie übrigens auch das dritte Restaurant im Fischerdorf am Brienzersee: Familie Hornungs Strandhotel. Sie hätten eigentlich nicht die Absicht gehabt, sich selbstständig zu machen, erzählen Unterbergers. Doch als es 2007 hiess, das Bellevue sei zu haben, besannen sie sich: der gute Name, die gepflegte Restauration, die beiden Terrassen am See und das Logement mit den 20 Betten. «Wir wussten, was an Präsenz und Einsatz auf uns zukommt, aber wir waren blauäugig», räumt Andreas ein. «Wir hatten gedacht, es werde einfacher mit der Zeit», ergänzt Jeannette. Doch kaum lief der Betrieb so, dass Unterbergers auch bereit waren, in Service und Küche Lernende auszubilden, brach das touristische Umfeld auseinander: Finanzkollaps, Frankenschock, Eurokrise. Die deutschen Gäste, in Iseltwald eine tragende Säule seit Jahrzehnten, blieben samt den Briten und anderen traditionellen Touristen weg. Und die starke arabische und asiatische Ausrichtung der Destination rundum Interlaken schaffte im Bellevue keinen Ausgleich, zumal Iseltwald allenfalls als Sommerstation vermarktet wird. «Wir mussten immer mehr leisten, um den Restaurationsumsatz zu halten», verdeutlicht Andreas eine der Folgen. Sie hätten sich den neuen Verhältnissen anzupassen versucht, erläutert Jeannette: Sowohl in der Küche wie auch im Logement, das inzwischen rund einen Drittel zum Umsatz beiträgt, zielten sie auch auf die neuen Fernmärkte.
«Es gibt so viel Schönes im Gastgewerbe»Doch die beschränkte Hotelkapazität, die ständigen Preisdiskussionen, der teilweise extreme Mehraufwand auf der Etage und die komplett fehlende systemische Unterstützung durch die Destination bremsten. Zwar haben sie vereinzelte asiatische Veranstalter, deren Kundschaft begeistert ist. Aber insgesamt seien das «keine Relationen mehr», sagt Andreas. Nun hören sie auf, solange sie noch voller Energie sind, und für eine gastgewerbliche Zukunft bleiben sie durchaus offen: «Es gibt so viel Schönes im Gastgewerbe», sagt Jeannette. Zurück zur Tagesordnung, weiter im Text? Aus Jahrzehnten beruflicher Qualifikation und unternehmerischer Erfahrung schält sich für Unterbergers zweierlei heraus: «Wer ein Restaurant führt, sollte eine entsprechende Ausbildung haben», nennt Jeannette einen dringenden Handlungsbedarf. Just Interlaken, das laut dem Gemeindepräsidenten die Regeln im Gastgewerbe nicht mehr durchsetzen kann, ist ein schreiender Beweis dafür, wie notwendig Fähigkeitsausweise sind.
«Wer ein Restaurant führt, sollte eine Ausbildung haben»«Es kann nicht sein, dass ein ausgebildeter Koch nur wenig mehr verdient als eine Hilfskraft», verdeutlicht Andreas das zweite Trümmerfeld. Wäre das Lohnniveau bei den Ungelernten dort, wo es auch die meist ausländischen Mitarbeitenden erwarten, entspannte sich die Lage von den Margen bis zu den Lehrstellen. Auch hier bietet Interlaken Anschauungsmaterial: Clans haben jenseits jeglicher Regeln das Gewerbe gekapert und führen auch den L-GAV weitgehend ad absurdum.