Gastronomie

Immer noch eine Schweinerei

Peter Grunder – 15. Juni 2017
Hinsichtlich Speisereste und Rüstabfälle macht der Nationalrat Versprechen, die nicht einzuhalten sind. Dies unter anderem auf dem Buckel des Gastgewerbes.

Mit Marcel Scherer hat niemand gesprochen. Dabei dürfte in dieser Sache keiner so berufen sein wie der Meisterlandwirt und ehemalige Nationalrat aus dem zugerischen Hünenberg: Im Juni 2006 hatte Scherer als Nationalrat vom Bundesrat gefordert, «eine Weiterführung der sinnvollen Verwertung von Speiseresten und Lebensmittelnebenprodukten in der Schweiz zu ermöglichen». Bundesrat und Parlament nahmen dieses Anliegen in der Folge praktisch diskussionslos auf. Wie ein Kadaver liegt der Vorstoss aber seither in den Archiven Bundesberns: Damals, als das Gastgewerbe für seine Speisereste und Rüstabfälle noch Geld erhielt, waren alle für die Beibehaltung der wertvollen Schweinesuppe. Dies zumal diese Verwertung einerseits effizient ist. Andererseits waren im Zuge von Tierseuchen die entsprechenden Suppenküchen in der Schweiz hochgerüstet worden. Doch wo der Hund begraben liegt, hatte der Bundesrat bereits 2006 angedeutet: Ein Festhalten an der Verfütterung der Küchen­ und Speiseabfälle lasse sich «wirtschaftspolitisch nicht rechtfertigen, wenn dadurch ein Verlust der Gleichwertigkeit der schweizerischen Tierseuchenbestimmungen mit denjenigen der EG droht». Und so kam es, dass ab Mitte 2011 in der Schweiz wie in ganz Westeuropa die Verfütterung verboten war. Jetzt, wo ein neuer Vorstoss den Nationalrat bereits mühelos passiert hat, ist die Lage nicht anders – theoretisch nicht, geschweige denn praktisch: Zwar waren in der Schweiz einst Abermillionen in besagte Suppenküchen gesteckt worden, aber inzwischen steckt viel neues Kapital in anderen Anlagen. Sellvertretend dafür steht Werner Humbel, Landwirt aus dem aargauischen Stetten. Humbel hatte sich einst vehement für Scherer und gegen den Unsinn des Verfütterungsverbots gewehrt. Doch als die Felle davonschwammen, machte Humbel das Beste daraus: Mittlerweile betreibt die Recycling Energie AG in Nesselnbach die grösste Biogas­anlage der Schweiz, produziert aus rund 20 Prozent der schweizerischen Speisereste Ökostrom und macht überdies unter anderem aus gebrauchtem Frittieröl Biodiesel. Zwar ist es ein Ärgernis, dass im Gastgewerbe für die Entsorgung der wertvollen Rohstoffe bezahlt werden muss, während die Verwertung teilweise öffentlich unterstützt wird. Aber davon hat letzte Woche im Nationalrat natürlich niemand gesprochen – so wenig wie von dem Kadaver auf der eidgenössischen Müllhalde überwiesener, aber niemals umgesetzter Vorstösse. Der neuerliche Vorstoss im Bundeshaus will nicht die Rolle des Gastgewerbes aufwerten, sondern reitet auf der gerade populären Welle namens Food Waste und nutzt zusätzlich das Schlagwort der Deregulierung. Und weil ausser der Bundesverwaltung, die vom Parlament einmal mehr an eine sinnlose Arbeit geschickt wird, nichts wirklich bewegt wird, kann man das auch getrost durchwinken. Der Bundesrat hat sich letzte Woche nicht dazu aufgerafft, Klartext zu sprechen. Aber der Ständerat hat es nun in der Hand klarzustellen, dass es kein Zurück gibt. Obschon übrigens Marcel Scherer und andere ihre teuren Suppenküchen nicht verschrottet haben, sondern wieder in Betrieb nehmen könnten.