Gastronomie

Mit Zucker an den Händen geboren

Corinne Nusskern – 07. August 2023
Hinter «Der Zuckerbäcker» stehen zwei Personen: Marc Döhring und Conny Vock. Ihre Passion zeigt sich in Dessert-, Patis­serie- und Tortenkunstwerken. Und sie sind der Joker für Köche und Köchinnen, die keine Zeit für Desserts haben.

Es ist kaum möglich, am Fenster der Produktionsstätte des «Zuckerbäckers» vorbeizugehen. Carac, Citron-Merin­gue-Törtli und Fruchtgebäck locken, aber auch die unschlagbaren Schinken-Bécha­mel-Gipfel. Zum Glück ist da eine Klingel. «Wir nennen es das Verkaufs-Spassfenster», sagen die Inhaber Marc Döhring (35) und Conny Vock (31).

Der Bäcker-Konditor und die Konditorin-Confiseurin haben die Produktion erst kürzlich von Wetzikon ZH in dieses Haus in Zürich-Wiedikon verlegt, wo Mehl seit Langem in der Luft liegt. Vor über hundert Jahren eröffnete die Bäckerei Buchmann hier ihren ersten Verkaufs­laden, später zog die Bäckerei Imholz ein, in den Wohnungen des Mietshauses leben bis heute Bäckersleute. Der Retrolook ist echt und das Keramikfries an den Wänden hinter dem Verkaufs-Spassfenster noch dasselbe wie damals.

Das Fenster ist jedoch nur ein Neben­geschäft. Primär fokussieren die Zuckerbäcker auf die Gastronomie: 80 Prozent ihrer süssen Kreationen liefern sie in Res­taurants und Hotels, an Cateringgruppen, in Spitäler oder Badibeizen. Ihre Kreationen sind auch im Jelmoli erhältlich.

«Ohne sie geht es nicht»

Backen ist die Passion der zwei Zürcher, beide fühlen sich magisch von Backöfen angezogen – und selbstverständlich haben sie sich in einer Backstube ken­nen­gelernt. Döhring machte sich Ende 2018 mit «Der Zuckerbäcker» selbstständig, Vock kam 2019 dazu, und seither arbeiten sie Tag und Nacht zusammen. «Ohne sie geht es nicht», sagt er. Aktuell produzieren sie hier zu dritt, demnächst müssen sie personell aufstocken.

Döhring ist kein Unbekannter in der Branche. 2009 holte ihn Gastrounternehmer Michel Péclard ins renommierte Bäckerei-Café Schober in der Zürcher Altstadt. «Davor wurden sämtliche Patisserien aus Frankreich angeliefert», erzählt Döhring. «Die Schweizer Klassiker konnten die nicht.» Er schon. Ein Jahr später, mit 22 Jahren, war er Chefpatissier. «Oh­ne Péclard wäre ich heute nicht da, wo ich bin», führt er aus. «Klar, wir haben uns auch mal gerieben. Aber er hat diese grosse Begabung, Leute und ihre Fähigkeiten zu erkennen.»

Sie arbeiten immer noch zusammen, die Zuckerbäcker beliefern manch Péclard-Betrieb mit Süssem. Die klassische, saisonal dekorierte Meter-Crèmeschnit­te sorgt bei den Gästen immer wieder für Oh-Momente. Und dann die Torten: opulent blühende, fruchtig leichte, schokoladig verführerische Kunstwerke. Sie fertigen alles zu 100 Prozent in Handarbeit an. «Jedes Blüemli, jede Figur bereiten wir von Hand zu», sagt Vock. «Nur die Perlen kaufen wir ein, die kann man nicht selbst herstellen.»

WEB Torten

Zum Anschneiden fast zu schade: Tortenkunst der Zuckerbäcker (Foto: Marc Döhring)

Ihr Stil lehnt sich an die klassische, französische Patisserie an, doch sie probieren auch Neues aus. Was ihnen nie unter die Winkelpalette kommt, sind Buttercrèmes. Sie arbeiten mit Mousses, diese verleihen ihren Kreationen etwas Leichtes. «Wir kommen auch weg von dicken Fondantglasuren, da setzen wir nur eine dünne Schicht», erklärt Döhring und fügt an: «Sehr trendy sind zurzeit Naked cake.» Doch das ist nicht so sein Ding, er mag es lieber barock.

Kein Plastik – alles ist essbar

Die Zuckerbäcker spielen meisterlich mit der Säure von Früchten und Beeren, viele ihrer essbaren Kunstwerke schmecken weniger süss als erwartet. Und: Sie verzichten vollkommen auf Plastik, alle ihre Hüllen sind essbar.

Sie arbeiten meist mit Felchlin-Couverturen oder mit Valrhona-Schokolade und Qualitätsvanille. Die Früchte kommen von Max Schwarz in Villigen AG und die Eier vom Gut Mädikon auf dem Uetliberg ZH. «Unsere Rohstoffe sind etwas kostspieliger als im Grosshandel», sagt Döhring. «Wir wollen nun mal eine hohe Qualität, aber es muss auch wirtschaftlich bleiben.» Jährlich rieseln locker acht Tonnen Zucker durch ihre Hände, und rund zweieinhalb Tonnen Frischkäse ver­arbeiten sie zu Cheesecakes.

WEB CitronMeringue

Ihr Signature-Patisserie: Tarte Citron Meringue (Foto: Marc Döhring)

Ihr Signature-Stück in der Patisserie ist die Tarte Citron Meringue, welche Conny Vock am liebsten gefroren verspeist. Sie lacht. Und beim Gebäck? «Der Mandelgipfel», sagt Döhring ohne zu zögern. Er verlieh diesem bereits im Schober Kultstatus. Der Hintergrund basiert auf Vermeidung von Food-Waste, denn früher wurden nicht verkaufte Gipfeli weggeworfen, da sie sowohl für Paniermehl wie auch für Schweinefutter zu fettig sind. «Ich habe bei Patrick Mesiano in Monaco gelernt, aus diesen Gipfeli einen komplett anderen Mandelgipfel zu machen, aussen knusprig, innen weich.» Der Rest bleibt geheim.

«Köche und Köchinnen: Ruft uns an»

Hier sind Profis mit einer solch tiefen Leidenschaft für ihr Metier am Werk. Davon können auch Köche und Köchinnen, die es nicht so mit Desserts haben, profitieren. Oder jene, die keine Zeit oder nicht genügend Mitarbeitende dafür haben. «Wir können helfen, ruft uns an», sagt Döhring.

Die Zuckerbäcker liefern an Gastronomen neben Patisserie und Torten auch fixfertige Desserts. «Wir liefern es so, wie es verlangt ist», sagt Vock. Auf Wunsch gehen sie direkt in die Küchen und zeigen, wie Dessertteller gestaltet werden können. «Manche beziehen nur einzelne Komponenten von uns und ergänzen diese mit einem Gelee oder eigener Dekoration.» Die Zuckerbäcker stellen für Gastrobetrie­be auch Desserts nach de­ren Rezepturen her. «Unser Name muss nicht auf der Karte vermerkt sein, so mancher Betrieb verkauft es als hausgemacht», ergänzt Döhring schmunzelnd.

Ihr neustes Herzblutprojekt entsteht zurzeit an der Schlüsselgasse in der Zürcher Altstadt: ein Verkaufsladen, der auf Patisserie setzt. Aber auch auf Zopf und die von Vock gestalteten, von Hand gegossenen und mit dem Abbild des St. Peters, des Grossmünsters oder des Fraumünsters geprägten Schoggitafeln.

«Früher wollte ich immer megagross werden», sagt Döhring. «Inzwischen möchten wir aber den Bijou­charakter und vor allem die Handarbeit beibehalten.» Auch wenn er seit 2018 keinen Tag Ferien hatte, ist er froh, dass alles läuft und die Firma gesund wachsen kann. Und sie zwischendurch das Familienleben geniessen können, vor acht Monaten kam ihre Tochter Anouc zur Welt.

Und haben sie doch mal richtig frei, besuchen sie jede Bäckerei, an der sie vorbeikommen. «Ich probiere alles und immer noch sehr gerne», sagt Döhring. «Nicht um zu wissen, ob sie es dort besser machen, sondern aus reiner Lust am Süssen.»

------------

★ Der Zuckerbäcker und die Zuckerbäckerin

Zielstrebig krabbelt Anouc zum Backwagen: Die acht Monate alte Tochter von Marc Döhring und Conny Vock weiss, wo Gutes liegt. Die Geschäfts- und Lebenspartner sind nicht verheiratet. «Ich glaube, weil wir keine Hochzeitstorte wollen», sagt Vock. «Ich bin eher die Schlichte, er der Pompöse. Wie werden wir uns da einig?» Sie lachen.

Döhring hat Bäcker-Konditor in der Bäckerei Kägi in Zolli­ker­berg ZH gelernt und sich den Confiseur in Kursen an­­ge­eignet. Er hat in Bivio GR eine Bäckerei geleitet, nahe München ge­arbeitet, ein Praktikum bei Patrick Mesiano in Mo­naco absolviert und war Chefpatissier der Confiserie Schober Zürich. Vock hat zuerst Polygrafin gelernt und danach ihre Konditorin-Confiseurin-Lehre bei der Bäckerei Hotz-Rust in Zug als Kantonsbeste abgeschlossen. Beim Steiner Beck in Wetzikon ZH hat sie Torten bis zur Perfektion ausdekoriert, bevor sie zum «Zuckerbäcker» wechselte.

------------