Mit dem Köfferchen begann ein grosses Abenteuer

Iris Wettstein – 05. September 2023
Rino Amato ist heute 73 Jahre alt und eröffnete 1983 den ersten Take-away-Laden in Luzern. In seiner Autobiografie erzählt der gebürtige Süditaliener von seinem Leben in den Küchen der Welt.

Als Rino Amato 1966 an der Hotelfachschule in Bari/Apulien seine Ausbildung begann, wusste er nicht, dass er mit Kochen seine Berufung finden und eines Tages sogar ein Buch darüber schreiben würde. Eigentlich wollte der junge Süditaliener damals eine Ausbildung zum Kellner absolvieren, jedoch war nur noch ein Platz als Koch frei – also machte er das. Er wollte die Welt bereisen. Deshalb war für ihn klar: «Ich wollte auf einem Schiff arbeiten, da kommt man überall hin», erzählt der 73-Jährige.

Die Leidenschaft fürs Kochen packte ihn bald. Am meisten faszinierten ihn die verschiedenen Methoden, wie ein Gericht zubereitet werden kann. Nach der zweijährigen Ausbildung und diversen Jobs in verschiedenen Küchen Italiens fand er seine erste Stelle auf einem Schiff. Ein Leistenbruch zwingt ihn aber schon bald zum Abbruch dieses Abenteuers. Kaum geheilt, findet er eine neue Stelle. Dieses Mal zieht es ihn ins Hotel Dardanelli nach Venedig, wo er nur kurze Zeit später seine zukünftige Frau Barbara traf. Die Zürcherin arbeitete im selben Hotel als Kellnerin.

Von Triest nach Argentinien

Trotz der neuen Frau in seinem Leben: Amato gab seinen Traum vom Schiff nicht auf. Er heuert erneut an. Von Triest geht die Reise nach Russland, weiter nach Argentinien und via die Kanarischen Inseln zurück nach Italien. Nach dem obligatorischen Militärdienst wurde es Zeit für ein neues Kapitel, und so ergatterte er 1972 seinen ersten Job in der Schweiz. Nach einigen Stellenwechseln landete er im renommierten Hotel Wilder Mann in Luzern. Amato blickt gerne auf diese Zeit zurück: «Es war die beste und lehrreichste Stelle.» Die italienische Küche war damals wenig verbreitet, und im Wilden Mann wurde französisch gekocht. Quasi über Nacht musste sich Amato die verschiedenen Rezepte für Saucen und Fleisch beibringen und das in einem Land, dessen Sprache er noch nicht sprach. Im Wilden Mann habe er auch gelernt, dass eine gute Organisation das A und O ist. Damals ging die Prominenz im Wilden Mann ein und aus, und es wurde mit Kaviar, Lachs und Austern gearbeitet – rare und teure Spezialitäten in den Siebzigern.

In seiner Autobiografie «Einfach kochen – la mia vita in cucina» kommt Amato immer wieder auf sein Köfferchen zu sprechen, welches er wiederholt gepackt hatte und sich damit auf
in die Welt machte. Aus dem Kartonköfferchen wurde über die Jahre ein Koffer aus Leder, und auch der Inhalt hat sich mit der Zeit verändert. «Schönere Kleidung und bessere Arbeitsmesser», erzählt Amato lachend. Mit dem ersten Geld, das er als Hilfskoch 1968 im Hotel Zannerini in der Region Emilia-Romagna verdiente, konnte er sich Messer kaufen. Sein allererstes Küchenmesser erstand er in seinem Heimatort Molfetta. Früher war es üblich, dass die Köche ihre Messer selbst mitnahmen. Mit der Zeit vergrösserte sich Amatos Küchenmesserset. «Auf dem Heimweg vom Wilden Mann kam ich immer an einem Messerladen vorbei, da war die Versuchung jeweils gross, ein neues Küchenmesser zu kaufen», schmunzelt Amato.

1977 zog die Familie für vier Jahre zurück nach Apulien, wo Amato seinem Bruder in dessen Einkaufszentren half. Aber: «Das Gehalt in Süditalien war zu klein, um die damals vierköpfige Familie zu ernähren, und meine Frau war nicht glücklich.»

Pionier im Take-away

Zurück in der Schweiz, erfüllte sich Amato seinen nächsten Traum – er machte sich selbstständig. Weil er das Wirtepatent noch nicht besass, eröffnete er 1983 das Take-away Lo Spuntino in Luzern. Er wurde von vielen belächelt, schliesslich war er der Erste mit diesem Konzept in Luzern. Frisches Gemüse, Lasagne, Teigwaren, Pizzen und noch vieles mehr liess die Warteschlange immer länger werden. Das Lokal gibt es heute noch, jetzt ist es ein asiatisches Take-away.

Nach einem dritten Platz bei einem Pizzawettbewerb und einem erfolgreichen Partyservice verkaufte er das Lo Spuntino.

Herausforderung Wirtepatent

«Kochen ist learning on the job, da bringt dir die Theorie nichts», ist Amato überzeugt. Das einzige Mal, dass Amato erneut die Schulbank drückte, war 1994 für das Wirtepatent. «Die schlimmste Zeit meines Lebens!» Amato beherrschte damals die deutsche Sprache nicht perfekt und musste viele ihm unbekannte, aber wichtige Fachbegriffe im Wörterbuch nachschlagen. Aber das Wirtepatent ist für ein eigenes Restaurant in den meisten Kantonen notwendig. Nach einer schwierigen Zeit im ersten Restaurant in Kriens LU ergab sich
die Möglichkeit, im Zentrum von Luzern ein eigenes Lokal zu eröffnen. Wie schon viele Male zuvor, ergriff Amato auch diese Chance. Nach aufwendiger Renovation öffnete im Sommer 1998 das Restaurant La Gondola seine Türen. Fünf Jahre lang arbeitete Amato fast Tag und Nacht und lebte seinen Traum vom eigenen Restaurant.

Die grosse Sugoproduktion

Seit knapp 20 Jahren geniessen Rino und Barbara Amato nun den aktiven Ruhestand. Sie kauften ein Haus in der Toskana. So wurde Rino Amato Mitte 50 noch Maurer und Maler und baute das Haus fast eigenhändig um. Auch heute haben sie noch Projekte: Einmal im Jahr stellen sie ihren eigenen Sugo her und versorgen die ganze Verwandtschaft damit. Rino Amato würde heute nochmals ein Restaurant eröffnen. «Ich weiss, was es braucht und dass ich es kann. Ich habe es im Blut.» Doch es brauche die Leidenschaft und den Willen, jeden Tag unzählige Stunden in der Küche zu stehen. Amato konnte stets auf die Hilfe seiner Familie zählen. Seine Frau führte die Buchhaltung und seine drei Töchter halfen immer mal wieder im Service aus. In dieser Unterstützung steckt für ihn auch das Geheimnis seiner 50-jährigen glücklichen Ehe. «Arbeitszeit war auch Familienzeit, und wenn wir mal frei hatten, unternahmen wir als Familie Ausflüge», erzählt der fünffache Grossvater. Wichtig waren die Sommerferien. Jedes Jahr fuhr die Familie für vier Wochen zu Verwandten nach Italien ans Meer – die strenge Arbeit in der Schweiz in weiter Ferne.

 

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Das Originalköfferchen von Rino Amato. (Bild: zVg)

★ Einfach Kochen – la mia vita in cucina

Im Ruhestand hatte Rino Amato Zeit und wollte seine Geschichte für seine Enkel aufschreiben. Seine Tochter Martina Amato hatte die Idee, ein Buch zu schreiben. In ihrem eigenen Verlag Simply publizierte sie die Autobiografie ihres Vaters, gespickt mit Rezepten von seiner Reise quer durch die italienische Küche. Rino Amato erzählt in «Einfach Kochen – La mia vita in cucina» von seinem Schaffen in den unterschiedlichen Hotels und Küchen der Welt. Im kommenden Herbst ist eine Lesung in Kriens LU geplant, an dem Ort, an dem er einst sein erstes eigenes Restaurant in der Schweiz führte. Mit dabei wird sein Köfferchen sein, mit dem er sein grosses Abenteuer begann. Das biografische Kochbuch (126 Seiten, ISBN 987-3-9525650-1, 24 Franken) ist demnächst im Buchhandel erhältlich. Bereits jetzt kann es beim Simply-Verlag bestellt werden.