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Marco Böhler, wieso machen Sie nicht längst Ihr eigenes Ding?

Benny Epstein – 10. Oktober 2019
Höchste Zeit, Tanja Grandits‘ Küchenchef ins Rampenlicht zu rücken. Er ist er ihr seit elf Jahren treu. Nicht nur das macht ihn zu einer Ausnahmeerscheinung unter den Köchen.

Fokussiert, treu, bescheiden, scheinbar allwissend, fleissig, freundlich, fürsorglich, unkompliziert, unternehmerisch denkend, umtriebig und natürlich ein grosser Könner seines Fachs. Einen solchen Mitarbeiter wünscht sich jeder Chef. Tanja Grandits hat ihn: Marco Böhler. Der 34-Jährige arbeitet seit 15 Jahren im «Stucki». Grandits seit 11 Jahren, Böhler ist ihr Küchenchef. Sie bezeichnet ihn als wandelnden Pauli, als den besten Ausbildner, als hervorragenden Koch, als perfekte Ergänzung zu ihr, als grossartien Mensch. «Zwischen Marco und mir herrscht eine ganz besondere Verbindung. Ich kann mich zu hundert Prozent auf ihn verlassen.» Wieso verlässt Böhler Grandits nicht längst?
Angst, dass er sie dereinst verlassen könnte, hat sie nur nicht, weil sie ohne Angst lebt und Menschen vertraut. An Abwerbungsversuchen mangelt es nicht. Die Branche weiss längst um die zahlreichen Stärken des Kochs, der schon bei Paul Bocuse und Daniel Humm arbeitete. Doch weshalb verlässt der Hobby-Wildjäger aus dem Schwarzwald Grandits denn nicht? Wieso zieht er nicht längst sein eigenes Ding durch, wie es wohl die meisten anderen Köche mit seinen Fähigkeiten täten? «Solange es für mich stimmt, bleibe ich hier. Ich habe das Gefühl, wir sind gerade am Höhepunkt und bieten dem Gast ein Erlebnis, das ihn die Zeit vergessen lässt.» Das Geheimnis dahinter seien die vielen langjährigen Mitarbeiter in der Küche und im Service. «Andere Köche, die alle drei, vier Jahre den Betrieb wechseln, müssen in mancher Hinsicht immer wieder bei null beginnen. Wir sind reifer und konstanter als noch vor ein paar Jahren.» «Die Leute in der Branche kennen mich»
Grandits und Böhler vertrauen sich blind. Geht es um die Wahl der Produzenten, um den Einkauf, die Administration und die Lehrlingsausbildung, hat er kaum Vorgaben. Sie hingegen befasst sich mit Ideen für neue Gerichte, mit dem Design von Geschirr, pflegt den Kontakt zur Töpferin. Böhler: «Gibt es etwas Wichtiges zu entscheiden, etwa, ob wir uns ein neues Gerät kaufen oder noch zuwarten, setzen wir uns rasch zusammen und besprechen es. Ich schätze die kurzen Entscheidungswege.» Dass das Restaurant unter ihrem Namen läuft, stört ihn nicht. «Ich gönne ihr den Titel Koch des Jahres sehr, freue mich riesig für sie. Ich bewege mich gerne im Hintergrund. Und viele unserer Gäste und die Leute in der Branche kennen mich ja auch. Zudem mache ich meine eigenen Veranstaltungen.» Trüffel- und Kaviar-Workshops, Kochkurse für Kinder, Anlässe im Foodtruck mit anderen jungen Spitzenköchen. Küchenquiz mit Böhler
Muss das Restaurant in den Betriebsferien renoviert werden, macht er Termine mit dem Maler. Braucht Grandits' Tochter Emma einen Anhänger für ihr Pferd, erledigt das auch Böhler. Abends führt er nach dem Service in der Küche hin und wieder ein Wissensquiz durch, ein spielerisches Mittel zur Erhaltung und Erweiterung des Fachwissens der Brigade. Grandits gesteht: «Da müsste ich mich sehr anstrengen, um alle Fragen beantworten zu können.» Muss sie nicht – sie und Böhler ergänzen sich. Man spricht in höchsten Tönen von Marco Böhler. Wer Grandits lobt, erwähnt spätestens im nächsten Satz ihren Küchenchef. Und auch die Köchin des Jahres vergisst nie, Böhler und das Team zu erwähnen. Böhler ist ein stiller Perfektionist im Hintergrund, das entspricht seinem Naturell. Dass er im «Stucki» ist, ist Grandits' grosses Glück. Aber eben nicht Glück alleine. Nur eine Chefin wie sie kann derart starke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so lange halten. Und übrigens: Am freien Tag und in den Ferien liegt Böhler nicht auf der faulen Haut. Dann steht er im elterlichen Betrieb in der Küche und kocht mit seinem Vater. Wen wundert's.