Gastronomie

Jean-Paul Forestier: Geheimtipp hoch über dem Genfersee

Reto E. Wild – 30. Juni 2020
Zu Besuch im Unesco-Weltkulturerbe Lavaux, im Dorf Chardonne VD oberhalb von Vevey. Hier gibt es mehr als nur Chasselas.

Wenn von Lavaux die Rede ist, geht es oft um die komplexen Chasselas aus Dézaley. Quasi am Rand des Lavaux mit seiner spektakulären Aussicht auf Berge und den Lac Léman – oberhalb von Vevey VD und Richtung Unterwallis – befindet sich das Dorf Chardonne. Es gehört zur Appelation Saint-Saphorin. In der Gemeinde leben rund ein Dutzend Winzer. Wichtigste Rebsorte ist auch in Chardonne der Chasselas mit einem Anteil von 60 Prozent. Rote Rebsorten kommen auf 35 Prozent, Spezialitäten wie Vio­gnier, Gewürztraminer, Grauburgunder (Pinot Gris), Sauvignon Blanc und Chardonnay sorgen für den Rest. Einer dieser Winzer in der wenig bekannten Gemeinde Chardonne ist Jean-Paul Forestier, der bereits in der fünften Generation in der Landwirtschaft arbeitet. Sein Grossvater war noch Bauer. Heute pflegt Forestier 5,5 Hektar Reb­fläche, was pro Jahr zu 40 000 Liter Wein führt. 25 000 davon fallen auf den Chasselas, der Rest auf Rotweine und Spezialitäten. Tatsächlich ist der dezent mineralische Chasselas Le Fin de la Pierraz 2019 mit seiner Lindenblütennase ein frischer Weisswein zum Apéro – ein «vin de soif», wie die Waadtländer zu sagen pflegen. «Ich habe mit dem Weinbau vor 40 Jahren angefangen», erzählt Forestier. Damals habe er in seinem Betrieb fast nur Chasselas angebaut. Heute umfasst sein Sortenspiegel rund ein Dutzend verschiedene Weine. Darunter gibt es mehrere, die derart positiv überraschen, dass sie sich für die Weinkarte aufdrängen: etwa der Viognier Grand Cru 2018 (floral, fruchtig, Pfirsich, Melone). Er passt hervorragend zu Spargeln, Ziegenkäse, Meeresfrüchten, grilliertem Fisch oder Geflügel und wurde 12 Monate im Akazienholz ausgebaut. Es ist ein Wein zum Trinken und nicht zum Lagern und eignet sich deshalb für den Einsitz in der Gastronomie. Stark sind aber auch die Roten aus Gamaret, Merlot oder Diolinoir. Für das beste Preis-Genuss-Verhältnis sorgt La Gourmande, ein 100-prozentiger Gamay, der im Barrique ausgebaut wurde. Er zeigt sich sehr elegant, zugänglich und mit einer verführerischen Vanille- und Beerenaromatik. Der Gourmande ist idealer Begleiter zu sommerlichen Speisen oder Wurstwaren und bestes Beispiel dafür, dass das bösartige Wortspiel «Jamais Gamay» definitiv deplaziert ist. «Plus jamais jamais Gamay» ist treffender. La Gourmande Chardonne 2018 17.5/20 Punkte, Preis ⚫⚫

Preisskala:

⚫ bis 10 Franken ⚫⚫ 11 bis 20 Franken ⚫⚫⚫ 21 bis 30 Franken ⚫⚫⚫⚫ 31 bis 40 Franken ⚫⚫⚫⚫⚫ 41 bis 60 Franken ⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 61 Franken und mehr