Gastronomie
Hotellerie

«Wir zwei zusammen, das ist die perfekte Lösung!»

Corinne Nusskern – 19. Juni 2020
Der neu eröffnete Lindenhof in Ebnet LU wartet mit einem besonderen Konzept auf: Neben Hotel und Restaurant wird im selben Haus auch Bier gebraut und Gin destilliert. Gastgeberinnen sind Irène Renggli und Lena Frauenknecht.

Noch wird irgendwo gebohrt und die letz­te Fensterscheibe gereinigt. Doch Lena Frauenknecht (33) und Irène Renggli (31) sind bereit, endlich loszulegen. Es ist ein besonderes Projekt, dass die zwei Gastgeberinnen hier angehen. Das Lin­den­hof- Areal in Ebnet LU, dem Eingangstor zur Biosphäre Entlebuch, wird von drei Firmen gepachtet: Restaurant und Hotel, Entlebucher Bier AG und Edelwhite Gin. Jede wirtschaftet eigenständig. «Dort wo es sinnvoll ist und sich rentiert, nutzen wir die Synergien», sagt Renggli. Das Konzept sieht Besichtigungen, Degustationen, Brauseminare und Gin-Workshops vor. Das Restaurant sorgt mit Apéros, Mittag- oder Abendessen für das kulinarische Wohl. «Durch diese Nähe können wir schnell und unkompliziert agieren», erklärt Frauenknecht. Und trinkt einer einen über den Durst, findet er in einem Hotelbett in den oberen Etagen einen erholsamen Schlaf. «Wir leben trotz Eigenständigkeit mit- und füreinander», sagt Frauenknecht. Damit dies auch so bleibt, wurde die Gastrologia AG gegründet, die aus dem Hauseigentümer, der Entlebucher Brauerei und Irène Renggli für die Restaurant-Seite besteht. «In dieser Form sind wir gut aufgestellt», erklärt Renggli. Damit sorgen sie vor, dass die Miete fair geregelt ist und gemeinsame Interessen verfolgt werden. Diese Verbundenheit ist eine Absicherung für alle Beteiligten. Frauenpower total
Letzten Sommer arbeiteten Renggli und Frauenknecht ein Konzept aus, um die Marke Lindenhof aufzubauen. Parallel dazu schloss die gelernte Restaurationsfachfrau Renggli die Hotelfachschule in Thun ab. Auch Frauenknecht war noch woanders engagiert. Sie hat einen Bachelor of Business Administration für Tourismus & Mobilität der Hochschule Luzern in der Tasche sowie Weiterbildungen im Eventbereich. Anfang April 2020 haben sie das Büro im Lindenhof bezogen. Die zwei Frauen ergänzen sich perfekt. Irène Renggli ist für den À-la-carte-Bereich, die Personalführung und den Hotelbetrieb zuständig. Lena Frauenknecht kümmert sich um den Bankett- und Eventbereich sowie das Marketing und die Kommunikation. Dabei kennen sie sich noch gar nicht so lange. Sie haben sich letzten Sommer durch ihre Partner getroffen und merkten sofort, dass sie sich betreffend Arbeitsbereiche sehr gut ergänzen. «Wir konnten extrem viel aus unseren Erfahrungspools schöpfen», sagt Renggli. «Wir zwei zusammen, das ist die perfekte Lösung!», bestätigt Frauenknecht.
Die Zielgruppe des Lindenhofs ist breit definiert. Die Besichtigungen sprechen vor allem Gruppen von Bier- und Ginliebhabern an. «Wir setzen aber auch auf Individualgäste, Wanderer oder Biker auf der Herzroute», sagt Frauenknecht. «Und auf Genussliebhaber, die gerne essen», ergänzt Renggli. Durch Corona ist das Entlebuch zu einer Superdestination für Aktivitäten und Naherholung geworden. «Es sind Schweizer, die nun die Schweiz entdecken», sagt Frauenknecht. «Und nicht mehr unbedingt nach Zermatt oder St. Moritz fahren. Das spielt uns jetzt in die Karten.» Es ist gut angelaufen, sie haben schon einige Buchungen –auch im Hotel, obwohl sie dieses noch nicht stark beworben haben. «Wir wollen den Betrieb strukturiert und gestaffelt aufbauen, damit er langfristig läuft», sagt Renggli. Bier-Säuli und Gin-Lachs
In den Gasträumen wird das kühle In­dus­triedesign durch die Wärme des Holzbodens, der Holztische und -stühle aus Eiche gebrochen. Von draussen knallt das Junigrün der prallen Natur der Biosphäre ins Innere. Auch hier: eine perfekte Ergänzung. Für die Kulinarik ist der bayrische Küchenchef Florian Walcher (33) verantwortlich. Fast alle Produkte kauft er in der Biosphäre ein. Das Gemüse stammt von der Bäuerin Clau­dia Zurkirchen. Das Fleisch kauft er in ganzen oder halben Tieren bei diversen Bauern der Region ein, und der Metzger zerteilt diese nach seinen Wünschen. Der Bau­er Jonas Brun züchtet Schweine für den Lindenhof, die mit dem Biertrester der Entlebucher Bier gefüttert werden. Ein gesunder Kreis­lauf. Walchers Küche ist kreativ, schweizerisch-modern mit einer bayrischen Handschrift; die Karte ist klein und wird oft gewechselt. Er nutzt die Synergie ebenfalls und mariniert den Entlebucher Lachs mit Gin. «Auch das Biersäuli und die Bierwürste schmecken wunderbar», schwärmen die zwei Frauen. Die Synergien greifen weiter: Mit einem Bäcker der Biosphäre haben sie eine Gin-Torte kreiert. Im Lindenhof verzichtet man zwar nicht auf Kaffee oder Zitronen, aber es findet sich nichts Exotisches. Im Entlebuch wachsen keine Mangos. Auf Buffets verzichtet man ganz – zu viel Foodwaste. Auch bei den Getränken bleibt man sich treu. Es werden nur die fünf Entlebu­cher Biere ausgeschenkt. Nein halt, sechs! Nummer sechs wird ausschliesslich für den Lindenhof gebraut und ist nur hier erhältlich. Beim Gin setzt man auf den im Haus gebrannten Edelwhite Gin. Auf der Weinkarte stehen Rebensäfte aus dem Entlebuch, der Schweiz und Europa. Frauenknecht und Renggli beschäftigen fünf Mitarbeiter und Aushilfen. Noch sind sie auf der Suche nach jungen Köchen. «Wir dachten, aufgrund von Coron­a sei dies einfacher», sagt Frauenknecht. Im Entlebuch verwurzelt
Nachhaltigkeit ist im Lindenhof überall. Eine Solaranlage generiert Strom. Geheizt wird mittels Wärmerückgewinnung der Brauerei und einer Holzschnitzelheizung, gefüttert mit Entlebucher Holz. «Das ist vom Wärmeverbund vorgeschrieben, und un­serem Bauherrn war Nachhaltigkeit sehr wichtig», erklärt Renggli. Der Lindenhof war einst Kurhaus, dann Dorfbeiz und stand ab 2015 leer. Die Adrian Müller Immobilien haben das Grundstück erworben und mit dem Architekturbüro Baumeler Partner den Umbau aufgegleist. Er kostete sieben Millionen. Dann machten die beiden Frauen eine Standortanalyse. «Wir kennen das Entlebuch gut, ich bin hier aufgewachsen», sagt Renggli. Lena Frauenknecht stammt aus Obwalden und wohnt in Entlebuch. Welche Rolle spielt für sie die Biosphäre? «Eine grosse!» Sie arbeiten bevorzugt mit der Biosphäre Märt AG. Diese nimmt Produkte lokaler Produzenten, die bestimmte Kriterien erfüllen und somit das Entlebuch-Label erhalten, in ihr Portfolio und hilft, diese zu vermarkten. Für die Gastronomen ist es einfacher, ihre Bestellung über die Märt AG abzuwickeln, statt bei jedem Produzenten selbst vorbeizugehen. Die Verantwortung leben
Die zwei Frauen gehen ihre Aufgabe mit Bedacht an, aufgrund von Corona muss sich alles erst einspielen. Ihrer neuen Rolle als Arbeitgeberinnen begegnen sie mit Respekt. «Wir haben unseren Mitar­bei­tenden etwas versprochen, nun stehen wir auch in der Verantwortung, dies ein­zulösen», sagt Renggli. Sie wissen, was sie wollen und wie sie dorthin gelangen: Konstanz entwickeln, dabei flexibel und doch dem Konzept treu bleiben. Was ist ihr grösster Wunsch? «Dass wir jeden Abend das Restaurant voll haben!» _______________________________________ ★ LINDENHOF IN EBNET LU
Restauration: Gaststube: 45 Plätze, Saal: 50 Plätze, Terrasse und Veranda: 40 Plätze. (Zur Corona-Zeit etwa die Hälfte) Hotel: Neun Zimmer für zwei bis vier Personen (ab 150 Franken), ein Massenlager mit neun Betten plus die Holzkapsel mit neun Betten (ab 50 Franken)
Brauerei Entlebucher Bier AG
Destillerie Edelwhite Gin
www.lindenhof-ebnet.ch
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TIPPS ZUR Übernahme eines neuen Betriebs

• Software und Systeme so wählen, dass sie miteinander kommunizieren können: Kassensystem, Lohnprogramm, Zeiterfassung, Buchhaltung, Hotelprogramm. Und sich früh beim Kreditkartenterminal anmelden! • Lieferzeiten berücksichtigen, generell dauert alles eher länger. • Eine starke Kommunikation nach innen und aussen leben. • Lagerplanung und Abläufe festhalten: Wo wird die Ware angeliefert, was kommt wann von wem, welche Stationen passiert die Ware? Und was geht wann durch wen wieder hinaus. • Sich genug Zeit nehmen, um Mitarbeitende einzuarbeiten. • Zeit für Unvorhergesehenes einkalkulieren. Es geht viel vergessen im Alltag, wie etwa Assugrin. Oder Kleinigkeiten, wie eine kleine Schachtel, um die Stifte zu lagern, damit sie nicht in der Schublade herumrollen.