Gastronomie

«Ich war ein fuuler Cheib»

Cristina Bürgi – 18. Oktober 2017
Sein Leben ist wie eine Schachtel Pralinen: Eine süsse Überraschung folgt der nächsten. Im Gespräch erzählt der Patissier-Weltmeister Rolf Mürner, was für ihn ein gutes Dessert ausmacht.

Die Liste seiner Auszeichnungen ist lang: Seit 1999 sahnt Rolf Mürner einen Preis nach dem anderen ab. Es begann mit einer Bronze-Medaille am «Salon culinaire mondial» an der Igeho in Basel und fand seinen Höhepunkt im Weltmeistertitel mit der Kochnationalmannschaft (2007) sowie dem Cookbook Award für das beste Dessertbuch der Welt (2010). Heute hat sich Rolf Mürner punkto Wettbewerbe etwas zur Ruhe gesetzt – doch untätig ist er noch lange nicht. GastroJournal: Sie wurden 2007 zum Patisserie-Weltmeister gekürt. Haben Sie sich mit diesem Titel einen Kindheitstraum erfüllt? 
Rolf Mürner: Oh nein, früher war ich ein «fuuler Cheib», habe aus- ser turnen nicht viel gemacht. Ich wusste auch nicht, was ich nach der Schule lernen sollte. Letztlich habe ich mich für das Gleiche wie mein Bruder entschieden: Konditor-Confiseur. Und komischerweise habe ich in der Lehre echt gute Noten geschrieben. Da habe ich erkannt, dass dieses Handwerk wohl meine Stärke ist. Nach diversen Stellen in der Gastronomie sind Sie dem Cercle des Chefs de Cuisine Berne und der Aargauer Kochgilde und somit der Schweizer Kochnationalmannschaft beigetreten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?  Es war eine intensive Zeit mit ex- trem vielen Wettbewerben, manchmal drei pro Jahr. Im Rückblick waren es zu viele. Man lernt dadurch zwar immer etwas, aber man kann nie zu einem Meister seines Fachs werden. Mir wurde damals gesagt, ich solle weniger Wettbewerbe machen, diese dafür aber richtig. Also habe ich mich daran gehalten, und so wurde plötzlich alles gut.   Haben Sie inzwischen mit den Wettbewerben abgeschlossen?  Ich glaube schon, ja. Ich werde aber weiterhin gerne Leute coachen, die an Wettbewerben teilnehmen. So wie Marcel Schori, der bei mir in Rüeggisberg arbeitet und zuletzt beim Marmite Youngster und dem Swiss Culinary Cup teilgenommen hat. Natürlich zwinge ich meine Mitarbeitenden nicht, an Wettbewerben teilzunehmen – aber gut fände ich es schon (grinst).  In Ihrem Unternehmen «SWISS PASTRY DESIGN» arbeiten bis zu acht Personen. Wie sieht der Alltag in Rüeggisberg aus?  Swiss Pastry Design habe ich vor neun Jahren gegründet, gleich nach dem Weltmeistertitel. Die Arbeit setzt sich zu 60 Prozent aus Caterings zusammen, unter anderem für Events wie Auto Zürich und den Best of Swiss Gastro Award. Weitere 30 Prozent entfallen auf Patisserie, die wir hier in Rüeggisberg oder über Zwischenhändler verkaufen. Pro Jahr stellen wir 40 000 bis 50 000 Desserts her. Und die restlichen zehn Prozent machen Kurse, Kochbücher und Bestellungen für Privatkunden aus. Es gibt also immer genügend zu tun.  Sie produzieren jeden Tag hunderte Desserts. Worauf achten Sie bei der Zubereitung?  Auf die Qualität des Rohmaterials. Wir arbeiten mit sehr wenigen Produkten, diese müssen aber wirklich gut sein: sprich hochwertige Kuvertüre, Milchprodukte und feine Fruchtpürees. Das sind die Hauptbestandteile meiner Patisserie-Stückchen. Dieses Rohmaterial ist relativ teuer, und deswegen möchte ich daraus etwas Kunstvolles machen. Sehr wichtig sind für mich verschiedene Strukturen: Ein Dessert sollte diverse Massen enthalten, zum Beispiel einen flüssigen Kern oder gerne auch etwas Schärfe: beispielsweise ein Kala­mansi-Mango-Dessert mit Chili.  Welches ist Ihre Lieblingszutat?  Zitrusfrüchte, ganz klar. Also Zitrone, Limette, Kalamansi, Bergamotte... Yuzu hingegen ist für mich eher eine Modeerscheinung und weniger eine Frucht, die für einen runden Zitrusgeschmack steht. Sie bietet mir weniger Geschmacks­emotionen. Der Name klingt zwar cool, aber die Frucht ist sehr teuer und schmeckt nicht so, dass ich mir denke: «Boah, ist das jetzt krass.»  Wie setzen Sie Zitrusfrüchte ein?  Ich finde, dass der Geschmack eines Desserts nicht wahnsinnig süss sein muss. Aus diesem Grund lasse ich in jedem Rezept etwas Zucker weg und füge stattdessen Zitronensaft hinzu. Die Säure neutralisiert die Süsse und unterstützt den Geschmack. Zudem entsteht dadurch ein cremiges, leichtes Dessert.  Was würden Sie einem Restaurant für seine Dessertkarte empfehlen?  Ich finde Klassiker toll, die modern interpretiert werden. Man könnte zum Beispiel ein Dessert anbieten, das an einen Banana Split angelehnt ist, aber ganz verschiedene Strukturen aufweist: ein bisschen Glace, ein bisschen Wärme, etwas Banane, Schoggi, vielleicht Kokos... Beispiele dazu gibt es in meinen Kochbüchern. Zu solchen Desserts kann man eine Geschichte erzählen, das lieben die Leute. Ausserdem weckt der Geschmack Kindheitserinnerungen, und die moderne Umsetzung macht das Ganze spannend.  Wie stehen Sie zu Trends, beispielsweise allergenfreien Desserts?  In Rüeggisberg spüren wir dafür kaum eine Nachfrage. Wir haben aber für jeden Gast etwas. Ich selber gehe keinen Trends nach, sondern verfolge meinen Stil und schaue, was den Gästen gefällt. Auf Bestellung machen wir jedoch sehr gerne zum Beispiel vegane Kreationen. Im November haben wir ein grosses Bankett, bei dem ein Drittel der Desserts vegan sein werden. Letztlich ist es halt auch bei uns so, dass unser Tun rentieren muss, sonst funktioniert alles nicht. Viele Inputs erhalte ich von meinen jungen Mitarbeitenden. Sie lernen von mir und ich von ihnen – das ist mega cool. www.swisspastrydesign.ch _____________________________________________________________________________________ Büchertipps Buch: Einfach Mürner
Rolf Mürners neuster Streich heisst «einfach Mürner» und stellt simple, aber raffinierte Dessert-Rezepte vor. Ob Mandelsoufflé mit Zitrone oder Haselnusstruffes mit Passionsfruchtschaum: Jeder Rezeptschritt wird mit Bildern erklärt. www.gastrobuch.ch Ein Lieblingsrestaurant
Rolf Mürner geht am liebsten ins Restaurant Panorama in Steffisburg essen. Was ihm dort besonders gefällt, ist die familiäre Stimmung und die sehr gute Küche: «Rolf Fuchs hat einen sehr feinen Stil. Er schmeckt gut ab und macht tolle Desserts.»