Gastronomie

Hochgenuss ohne Promille

Cristina Bürgi – 21. März 2018
Sie ist Expertin für Wein, hat inzwischen aber Gefallen an alkoholfreien Alternativen gefunden: Ein Gespräch mit der Gastro-Beraterin Nicole Klauss über Food Pairing.

Nicole Klauss wohnt in Berlin und war früher als Art Consultant und Eventmanagerin tätig, bevor sie in die Gastro-Beratung einstieg. Die 49-Jährige hat eine Wine- expert-Ausbildung an der deutschen Wein- und Sommelierschule absolviert, setzt sich inzwischen aber intensiv mit der alkoholfreien Speisebegleitung auseinander. Zu diesem Thema hat sie das Buch «Die neue Trinkkultur: Speisen perfekt begleiten ohne Alkohol» verfasst. GastroJournal hat sie im Rahmen der Fachtagung «Hochgenuss» getroffen, an der sie über Alternativen zu Wein und Bier sprach. GastroJournal: Sie haben am 20. März an der Hochgenuss-Fachtagung referiert. Was haben Sie den Teilnehmenden mit auf den Weg gegeben?
Nicole Klauss:
Es gab eine Degustation mit Häppchen, die von alkohol- freien Getränken begleitet wurden. So hatte jeder, den das Thema interessiert, die Möglichkeit, sich selber ein Bild davon zu machen. Denn Probieren ist der beste Weg, um sich diesem Thema zu nähern. Nach der Degustation folgte dann mein Vortrag, in dem ich ein paar Getränke vorstellte, das Prinzip der alkohol- freien Begleitung erläuterte und auf Besonderheiten einging. Sie haben eine Wein-Ausbildung absolviert. Wie kam es dazu, dass Sie sich nun auf alkoholfreie Getränke spezialisieren?
Ich bin Halb-Japanerin und vertrage Alkohol nicht besonders gut. Daher habe ich mich schon immer mit alkoholfreien Getränken beschäftigt. Während meiner Ausbildung an der Wein- und Sommelierschule habe ich die Ausbilderinnen und Ausbilder immer gefragt, was ich jenen Gästen anbieten könnte, die keinen Wein möchten. Aber da bekam ich nur die Antwort «Wasser oder Apfelschorle». Das fand ich, schon aus dem Servicegedanken heraus, keine besonders zufriedenstellende Antwort. Während meiner Ausbildung wurde ich dann schwanger und durfte erleben, wie wenig Gastronomen sich dem Thema der alkoholfreien Speisebegleitung angenommen haben.

Probieren ist der beste Weg, um sich diesem Thema zu nähern
Inwiefern besteht hier in der Gastro­nomie Nachholbedarf?
Es ist nicht so, dass keine alkohol- freien Getränke auf den Speisekarten zu finden sind. Aber die Getränke passen eben häufig nicht zu den Speisen. Kein Gastronom würde Weine auf die Karte nehmen, von denen keiner oder nur wenige zu den Gerichten passen. Das Ganze ist den Gastronomen auch gar nicht zum Vorwurf zu machen – in der Sommelierausbildung findet das Thema nun einmal einfach noch nicht statt. Wenn es die Auszubildenden nicht lernen, dann braucht es engagierte Köchinnen und Köche oder Barleute, die das Thema voranbringen. Was können Sie Gastronomen diesbezüglich raten?
Ich kann nur raten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denn wenn der Gast nichts trinken möchte, dann bleibt er den ganzen Abend bei einer Flasche Wasser für fünf Franken. Es ist ein einfaches Rechenexempel: Dem Gastronom entgeht eine Einnahmemöglichkeit. In der gehobenen Gastronomie kostet die alkoholfreie Speisebegleitung inzwischen nur noch minimal weniger als die Weinbegleitung. Inwiefern entsprechen alkoholfreie Getränke denn heute einem Bedürfnis?
Ich glaube, dass viele Menschen mehr auf sich achten. Also auf das, was sie essen und auch trinken. Beim Essen ist seit längerem eine Sensibilität zu bemerken. Die Leute möchten wissen, woher die Produkte kommen, und wie sich die Produzenten für gute Lebensmittel engagieren. Nachhaltigkeit und Genuss sind hier die Stichworte. Bei den Getränken ist die Tendenz klar: Die Menschen trinken bewusster. Das bedeutet nicht zwingend «alkoholfrei», aber sie hätten halt gerne die Wahl. Wenn es keine alkohol- freie Begleitung gibt, dann bleibt häufig Wasser oder ein Softdrink, der meist nicht zur Speise passt.
Nachhaltigkeit und Genuss sind die Stichworte
Gibt es beim Food Pairing mit alkoholfreien Getränken bestimmte Regeln?
Es gibt ein paar einfache Regeln, die zum Teil auch für die Weinbegleitung gelten: Das Getränk sollte den Grundgeschmack der Speise treffen - und sich einordnen. Die Speise steht im Vordergrund, das Getränk begleitet. Konkret bedeutet das:
  • Eine leichte Speise wird am besten von einem leichten Getränk begleitet.
  • Smoothies sind fast eine eigenständige Mahlzeit – und daher nicht besonders gut als Speisebegleiter geeignet.
  • Fette und deftige Speisen brauchen einen Begleiter mit einer frischen Säure und einer leichten Süsse.
  • Gerichte mit Säure (etwa aus Zitrusfrüchten oder Essig) brauchen einen flüssigen Begleiter, der einen höheren Säuregehalt hat, damit er mithalten kann.
  • Bei Desserts gilt: Das Getränk muss mindestens genauso süss sein wie die Speise, um mithalten zu können. Ausnahmen gelten hier für Tee und Kaffee oder Espresso.
Was inspiriert Sie bei der Kreation von alkoholfreien Getränken?
Ich besuche Messen und probiere neue Getränke. Inspirationen ergeben sich natürlich auch bei Brainstormings mit Produzenten und Barleuten. Ich probiere viel aus: Im Moment experimentiere ich mit Tee, der in Saft nach der Cold Brew-Methode zieht.
Wasserkefir und Kombucha bieten eine ­unglaubliche Bandbreite
Welche alkoholfreie Kreation mögen Sie am liebsten?
Wasserkefir und Kombucha bieten eine unglaubliche Bandbreite – mit ihnen kann man ein Getränk perfekt auf die Speisen zuschneiden. Teeblätter sind im Moment meine Lieblingszutat: Man kann sie als Cold Brew oder als Iced Brew zubereiten. Beim Cold Brew ziehen die Teeblätter über Nacht in Wasser und beim Iced Brew lässt man die trockenen Blätter mit Eiswürfeln ziehen, das bringt die fruchtigen Noten des Tees nach vorne. Mit den Tanninen im Tee kann man auch die eher dominante Süsse vieler Säfte ein bisschen moderater gestalten. Spannende Geschmackserlebnisse bieten übrigens auch Shrubs, das sind Getränke auf Essigbasis mit Ahornsirup. www.neuetrinkkultur.de Lieblingsrestaurant
Nicole Klauss geht gerne Japanisch essen. Ihr Lieblingsrestaurant ist das «Udagawa», ein kleines Lokal, das seit über 20 Jahren in Berlin existiert. «Es kommt ganz unprätentiös daher und bereitet das beste Tempura zu, das ich jemals ausserhalb Japans gegessen habe», verrät Klauss. www.restaurant-udagawa.com Hochgenuss
Im vergangenen Jahr hat GastroSuisse die Fachtagung «Hochgenuss – das Schweizer Gipfeltreffen für die Gas­tronomie und das Genusshandwerk» lanciert. Am 19. und 20. März 2018 fand die zweite Austragung in Emmen statt. Mehr Informationen und Impressionen finden Sie hier: www.hochgenuss-gastrosuisse.ch