Gastro Journal
Gastronomie

Gepflanzt statt geschlachtet

Gabriel Marty – 23. Mai 2019
Fleisch auf pflanzlicher Basis klingt gewöhnungsbedürftig. Doch genau ein solches Produkt wird an der ETH weiterentwickelt und Gästen in Zürich und Luzern bereits serviert.

Die Neugier ist gross. Poulet, welches eigentlich keines ist, aber dennoch wie solches schmecken soll? Beim ersten Biss ist zumindest noch kein Unterschied festzustellen. Nun ja, eingeklemmt in einem Banh-mi-Sandwich mit Koriander, Karotten und Gurken als weitere Zutaten vielleicht auch nicht verwunderlich. Nachdem ein Stückchen des pflanzenbasierten Poulets aus dem Sandwich gezogen ist, erfolgt deshalb der Einzeltest. Das dünn geschnittene Fleischimitat ist mit einer Teriyakisauce mariniert und äusserst zart – Geschmack und Konsistenz überzeugen. Auch in Optik und Textur steht das Produkt echtem Geflügel in nichts nach. Ökologisch aber nicht nur für «Ökos»
Die Ähnlichkeit des Produkts zum Original ist kein Zufall. Denn das pflanzenbasierte Poulet soll nicht nur bei Vegetariern und Veganern, sondern vor allem auch bei Flexitariern und klassischen Fleischkonsumenten gut ankommen. «Die Farbe eines Produkts ist für die Wahrnehmung der Konsumenten ein entscheidender Faktor», sagt Eric Stirnemann, welcher zusammen mit Lukas Böni den Test im BANHMI Limmatladen in Zürich begleitet. Die beiden Lebensmittelwissenschaftler sind zwei der drei Gründungsmitglieder des Startups «Planted», welches das pflanzenbasierte Fleisch in einer Pilotanlage an der ETH herstellt. Kennengelernt haben sie sich an der ETH Zürich. Lukas’ Cousin, Pascal Bieri, ist der Dritte im Bunde. Er kümmert sich mehrheitlich um die wirtschaftlichen Aspekte von «Planted». «Grundsätzlich wissen aber alle drei über alles Bescheid. Jeder hat schon in der Produktion mitgearbeitet », merkt Lukas Böni an. Auch um die Lieferung des Produkts kümmern sich die drei persön- lich – ob per Fahrrad, Zug oder Post.
Die Start-up-Idee entstand aus der Masterarbeit von Eric Stirnemann zum Prozess der Herstellung von pflanzenbasiertem Fleisch. Im Rahmen seiner Doktorarbeit befasst er sich zurzeit noch vertiefter mit den Eigenschaften und dem Potenzial des Produkts. Über Hitze, Druck und Reibung entsteht in einem innovativen Prozess der aus Erbsenproteinen, Erbsenfasern, Sonnenblumenöl und Wasser bestehende Fleischersatz. «Wir können unser Produkt stetig verbessern, ein Huhn kann das nicht», merkt Stirnemann an. Konkret meine er damit, dass beim pflanzenbasierten Fleisch das Verhältnis der verschiedenen Zutaten variiert werden könne – beispielsweise um einen höheren Proteingehalt zu erzielen. Die Gastronomie als Zielgruppe
Das Start-up erhält finanzielle Unterstützung von der ETH. Nun sind die drei Gründer daran, mit «Planted» im Markt Fuss zu fassen. So ist die Arbeit am nachhaltigen Fleischersatz für Lukas Böni, Eric Stirnemann und Pascal Bieri ein Vollzeitjob. Preislich bewegt sich das «Planted Chicken» aktuell auf ähnlichem Niveau wie ein Bio-Poulet. Das Ziel ist es jedoch, das pflanzliche Produkt langfristig preiswerter als das günstigste Poulet anbieten zu können. Neben dem BAHMI Limmatladen in Zürich führt mit der Jazzkantine in Luzern ein zweites Restaurant das pflanzenbasierte Fleisch auf der Speisekarte. Die Gründer sehen die Gastronomie denn auch als den gewünschten Abnehmer ihres Produkts. Ihnen sei wichtig, dass das Produkt professionell verarbeitet werde und in Gerichten von hoher Qualität daherkomme. Was für Gastronomen wichtig zu wissen sei: «Planted Chicken» kann für alles eingesetzt werden, wofür man auch Poulet nutzt. Den Verwendungszwecken sind somit kaum Grenzen gesetzt. Das Lancieren des Produkts in den beiden ersten Lokalitäten sei eine Herzensangelegenheit. Mittels eines knappen Dutzend bisheriger Events knüpften Stirnemann, Böni und Bieri Kontakte in die Gastronomie. In den kommenden Monaten werden weitere Kooperationen mit Restaurants angestrebt. Ziel sei es, «Planted Chicken» als Begriff zu etablieren und über Mund-zu-Mund-Propaganda viele potenzielle Kunden überzeugen zu können. _________________________________________________________________________ Zahlen zum Fleischkonsum
2016 konsumierten Schweizerinnen und Schweizer durchschnittlich 49,2 Kilogramm Fleisch. Obwohl der Fleischkonsum insgesamt rückläufig ist, nimmt der Verzehr von Geflügel stark zu. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) betrug die Zunahme zwischen 2007 und 2014 17 Prozent. Mit dem zunehmenden Konsum stieg auch der Hühnerbestand als Nutziere zwischen 1996 und 2016 von 6,2 auf 10,9 Millionen an. Aufgrund von sehr unterschiedlichen Zusammensetzungen bei Fleischersatzprodukten lässt sich deren Konsum nicht statistisch erheben. Dass für diese aber durchaus ein Markt besteht, zeigt eine 2017 im Auftrag von Swissveg durchgeführte Umfrage des Marktforschungsunternehmens Demoscope zum Essverhalten in der Schweiz. Fleischesser machen mit gut zwei Dritteln zwar immer noch den Hauptanteil aus, mit 17 Prozent Flexitariern folgen gelegentliche Fleischesser, 11 Prozent bezeichnen sich als Vegetarier und drei Prozent verzichten als Veganer ganz auf tierische Produkte. Als Hauptgründe für den Fleischverzicht werden die Überlegungen zum Tierwohl, Ethik sowie die Ökologie genannt.