GaultMillau-Restaurants aufgepasst: Die Punkte sind eng mit dem russischen Staat verbunden. Was nun? Die Geschichte geht so: Anfang 2019 verkaufte der Franzose Côme de Chérisey 100 Prozent der Aktien von GaultMillau an russische Investoren. Diese werden vom Rechtsanwalt Vladislav Skvortsov vertreten. Neuer Präsident von GaultMillau wurde Jacques Bally, der gemeinsam mit Skvortsov die Holding NTI führt. Diese ist nominell neue Eigentümerin des Restaurantführers.
Doch wer steckt hinter der Holding? Chérisey sagte damals nur: «Ich habe 100 Prozent der Aktien an eine russische Familie verkauft.» Laut diversen Online-Berichten werden die neuen Eigentümer mit der staatlichen russischen Bank VTB in Verbindung gebracht. Die neuen Besitzer investierten mehrere Millionen Franken zur Digitalisierung von GaultMillau.
Sportverbände, Opernsänger – Restaurants?
Die Übernahme betraf die Holdinggesellschaft, die Eigentümerin der Marke GaultMillau ist. Die Ausgaben in den einzelnen Ländern werden jeweils unabhängig in einem Lizenzsystem geführt. Lizenzträger in der Schweiz ist die Ringier Axel Springer Schweiz AG.
Wie geht Ringier Axel Springer mit der Angelenheit um? Kann das Medienunternehmen weiterhin bedenkenlos Punkte verteilen, deren Marke in direkter Verbindung mit der staatlichen russischen Bank VTB steht? Zahlreiche Sportverbände schliessen derzeit russischen Teams und Athleten aus. Vereine und Wettbewerbe distanzieren sich von (staatlichen) russischen Sponsoren. Das Zürcher Opernhaus distanziert sich von Anna Netrebko. Das Luzerner KKL streicht die Konzerte mit dem staatstreuen, russischen Dirigenten Gergiev. Die russische Delegation für das Europafinale beim Bocuse d’Or (23./24. März in Budapest) nahm sich aus logistischen Gründen gleich selbst aus dem Rennen: Das nötige Equipment über Land oder Luft nach Ungarn zu verfrachten, Visa, Flüge – ein Ding der Unmöglichkeit.
Präsident tritt zurück
Und wie reagiert GaultMillau? Vladislav Skvortsov ist am 28. Februar als Präsident von GaultMillau zurückgetreten und hat seinen Mitgesellschafter Patrick Hayoun eingesetzt. Ein erster Schritt ist damit getan, doch die Besitzverhältnisse bleiben wie gehabt. Urs Heller, Chef GaultMillau Schweiz, erklärt gegenüber dem GastroJournal: «Wir bezahlen für das Namensrecht jährlich eine bescheidene Gebühr, betreiben aber den Guide selbstständig und völlig losgelöst von GaultMillau International. Die Eigentümer der Marke haben bei uns nicht einen einzigen Franken investiert. Selbstverständlich werden wir die Situation gründlich analysieren.»
Doch auch wenn der russische Eigentümer kein Geld in die Schweizer Edition investiert: Kann und will sich ein Schweizer Restaurant noch guten Gewissens mit diesen Punkten brüsten, deren Marke von staatsnahen Russen finanziert wird?
Schweizer Hotels in russischer Hand
Und wie steht es um Schweizer Hotels in russischem Besitz oder mit russischen Investoren im Hintergrund? Betrifft der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift die hiesige Branche? Oder zählen russische Hotellerie-Investoren in der Schweiz sogar zu den vom Bund gelisteten Personen, deren Konten gesperrt wurden?
Das Château Gütsch in Luzern gehört dem russischen Geschäftsmann Kirill Androsov. In der Luzerner Zeitung lässt er über seinen Verwaltungsratspräsidenten und Anwalt Benno P. Hafner verlauten, er sei von den Sanktionen nicht betroffen: «Androsov gilt nicht als Oligarch, sondern ist internationaler Investor. Es gibt – ausser den üblichen Formalitäten – auch keine weiteren Einreisebeschränkungen für ihn.» Auf den Betrieb des Schlosshotels hat die derzeitige Lage keine Auswirkungen. Laut Hafner positioniert sich Androsov indes klar gegen die Putin-Politik: «Herr Kirill Androsov distanziert sich in aller Form von allen kriegerischen Ereignissen in der Ukraine.»
Investor des Grand Hotel des Bains Kempinski in St. Moritz GR ist der Russe Alexander Matytsyn, ein russischer Topmanager. Er ist seit 2020 Vize-Finanzchef und damit Konzernleitungsmitglied von Lukoil, dem börsenkotierten russischen Öl- und Gasförderunternehmen. Eine GastroJournal-Anfrage bezüglich allfälligen Auswirkungen der Sanktionen auf das Engadiner Fünfsternehotel blieb unbeantwortet.