Chez Elsy: Ein Geschenk zum 60. Geburtstag

Caroline Goldschmid – 25. November 2021
Das 1961 in Crans-Montana eröffnete Chez Elsy wird zum «Histo­rischen Hotel des Jahres 2022» gekürt. Zum ersten Mal zeichnet Icomos ein «modernes» Hotel aus der Nachkriegszeit aus. Eine Begegnung mit den Besitzerinnen, deren familiärer Zu­sammenhalt ihre grösste Stärke ist.

«Als wir die Bewerbung für den Icomos-Preis einreichten, glaubten wir nicht so recht daran», erzählt Elodie Sermet (30). «Später erfuhren wir, dass unser Hotel unter den fünf Finalisten ist und dann, dass wir den Preis ‹Historisches Hotel des Jahres 2022› gewonnen haben. Das ist wirklich toll!» Das Hotel Chez Elsy in Crans-Montana VS ist das zweite Walliser Hotel, das seit 1997 diesen Preis erhält. Aber: Vor allem ist es das erste Hotel aus der Nachkriegszeit, das von Icomos ausgezeichnet wird. Es ist eine Ehrung, welche die vier Besitzerinnen aus drei Generationen in ihrer Kommunikation zukünftig hervorheben werden. «Wir werden dies einsetzen, um mehr Gäste anzuziehen. Und es ist auch ein Geschenk, das genau zum richtigen Zeitpunkt kommt, denn das Hotel Elsy wird dieses Jahr 60 Jahre alt», betont Sermet. Sie ist eine von Elsys Enkelinnen.

Elodie Sermet hat schon oft gehört, dass Gäste, aber auch Verwandte, von der Idee begeistert waren, dass sie und ihre Schwester Anne (27) die Leitung des Hotels übernehmen und es renovieren würden. Der Icomos-Preis setzt dem die Krone auf. «Oma Elsy ist noch am Leben und auch mit 84 Jahren immer noch sehr präsent», sagt Sermet freudig. «Und es ist schön, dass sie sich über eine Auszeichnung freuen kann, die 60 Jahre Arbeit belohnen.»

Für Sermet ist der Preis auch Beweis dafür, dass es richtig war, zusammen mit ihrer Mutter Erika Praplan (54) und ihrer Schwester Anne in das Projekt zu investieren. All ihre Arbeit zahlt sich jetzt aus. Erika Praplan fügt hinzu: «Wir haben alle Arbeiten selbst gemacht. Zum Beispiel auch in den Badezimmern selbst Hand angelegt und in den Schlafzimmern die Wände gestrichen.»

«Hätten wir es nicht versucht, würden wir es bereuen»

1961 baute Elsa Praplan – sie nennt sich lieber Elsy – zusammen mit ihrem vor 20 Jahren verstorbenen Mann das Hotel. Damals hiess es noch Crans-Sapins. Bis heute hat die 84-Jährige noch nicht den Wunsch geäussert, kürzer zu treten oder ihre Arbeit aufzugeben. «Das Patent und das Hotel laufen auf ihren Namen, also ist sie auch offiziell die Verantwortliche», sagt Elodie Sermet mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Nachdem sie 2019 einen Job aufgab, der ihr nicht zusagte, kam sie auf die Idee, im Hotel Elsy zu arbeiten, um ihrer Grossmutter etwas zu helfen und das Geschäft wieder anzukurbeln. «Oma hat noch die guten Jahre erlebt, in denen die Touristen von selbst kamen. Heute muss man sie irgendwie abholen.»

Was Erika Praplan betrifft, so hatte sie weder Lust noch Energie, das Hotel ganz allein zu übernehmen. Da begann die Idee zu reifen, dass sie und ihre Töchter das Hotel gemeinsam weiterführen könnten. Und Sermet fügt an: «Ich und meine Schwester Anne, die soeben ihr Architekturstudium abgeschlossen hat, wussten, dass es viel zu tun geben würde. Aber uns war auch klar, dass wir es bereuen würden, wenn wir es nicht versuchen.» Und so kam es, dass sich vor zwei Jahren ein Team von vier Frauen aus drei verschiedenen Generationen bildete, um einen Ort zu erhalten, der ihnen allen am Herzen liegt.

Eine Zeitreise in die Sechzigerjahre

Zu ihrer Unterstützung beschäftigen die vier Hotel-Managerinnen ein Zimmermädchen, eine Kellnerin und einen Koch. Das Hotel wurde mit 15 Zimmern gebaut, heute werden 11 Zimmer vermietet. Von der grossen Terrasse oberhalb der Chalets hat man einen freien Blick auf die Alpengipfel. Das für die 1960er-Jahre typische Gebäude wurde unter der Leitung von Jean Suter, einem Freund der Familie, entworfen und gebaut. Der im Wallis bekannte Architekt entwarf auch die gesamte Inneneinrichtung, von den Möbeln über die Wandfarbe bis hin zu den Teppichen.

Wenn der Besucher durch die Tür des Hotels tritt, begibt er sich auf eine Zeitreise in die Sixties. Im Saal des Restaurants, in dem an den Wochentagen der Mittagsservice stattfindet, sind sowohl Holztische und -stühle, alle anderen Möbel und die Bartheke original aus den Sechzigern. Die Atmosphäre ist warm, man fühlt sich sofort wie zu Hause. Besondere Sorgfalt wurde auf die verschiedenen Einrichtungsgegenstände gelegt. Ein Krötentelefon, eine analoge Kamera oder auch ein Transistorradio schmücken den Cafébereich. An der Rezeption können die Gäste eine Telefonzentrale aus dem Jahr 1937, Elsys Geburtsjahr, bewundern.

Frauen sollen sich verbünden

Das Auffälligste an der Geschichte von Chez Elsy ist, dass das Hotel heute ausschliesslich von Frauen geführt wird. «Das ist keine Absicht», versichern sie. Erika ist ein Einzelkind und hat selbst zwei Töchter geboren. Vor zwei Jahren wurde eine Köchin eingestellt, sodass das Team eine Zeit lang zu 100 Prozent aus Frauen bestand. «Ich glaube, wir brauchen keine Männer», scherzt Sermet. Trotzdem arbeiten sie alle gerne unter Frauen und es funktioniert. Zumal jede von ihnen über komplementäre Fähigkeiten verfügt.

Wie kann man Frauen dazu ermutigen, sich selbstständig zu machen, wenn es nur wenige Chefinnen im Gastgewerbe gibt – oft, weil es schwierig ist, Privat- und Berufsleben miteinander zu vereinbaren? «Sich verbünden», antwortet Sermet sofort. «Wenn man sich unsere eigene Situation ansieht, ob Elsy, Erika, Anne oder ich, keine von uns hätte dieses Projekt allein angefangen. Das Geheimnis ist, mehrere zu sein, damit man sich aufeinander verlassen kann. Und das gilt besonders für Frauen, sobald sie eine Familie gründen.»

Die Renovierung wird 2022 fortgesetzt

Im Jahr 2022 wird das Frauenteam weiterhin die Ärmel hochkrempeln und nach und nach weiterrenovieren. Die Zwischensaison wird genutzt, um die Decken in den Schlafzimmern neu zu streichen. Der Austausch der Fenster wird einer der Hauptaufgaben im nächsten Jahr sein. In der Zwischenzeit geniessen die vier Frauen ihre wohlverdiente Auszeichnung.
Und sie werden sicherlich einen Ehrenplatz finden, um die edle Plakette «Historisches Hotel des Jahres 2022» am Haus anzubringen. Diese haben sie am 22. November während der Zeremonie, die per Videokonferenz direkt aus dem Hotel Elsy übertragen wurde, persönlich in Empfang genommen.

Heidi und Fabrice Bischoff Frieden SH ZVG WEB

Sie stammt aus Stein und Rhein, er aus der Romandie. «Röstigraben? Hat für uns nie eine Rol­le gespielt», sagen Heidi und Fabrice Bischoff, Gastgeber in der Wirtschaft zum Frieden in Schaffhausen.

Historisches Restaurant 2022: Vom Streit zum Frieden

Text Corinne Nusskern

Die Wirtschaft zum Frieden wurde von Icomos Suisse zum Historischen Restaurant des Jahres 2022 erkoren. Das dreistöckige Altstadthaus (1445) liegt am Herrenacker, einem grossen Platz in der Altstadt von Schaffhausen. Gastgeber sind Heidi und Fabrice Bischoff.

Bereits von aussen ist das mittelalterliche Altstadthaus speziell. Es behauptet nicht nur stolz seinen Platz zwischen den zwei höheren Nachbarhäusern, sondern zieht mit dem grünen, früh­klassizistischen Kastenerker und dem Drillingsfenster sogleich den Blick auf sich. Auch im Innern ist die Geschichte auf jedem Quadratzentimeter erlebbar. Den Wirten Heidi und Fabrice Bischoff (43 und 45) bedeutet die Auszeichnung viel. «Für uns ist es eine Anerkennung. Obwohl es das Haus ist, dem die Ehre ge­­bührt», sagt Heidi Bischoff. «Aber wir sind sehr stolz und ich glaube, wir sind sogar das erste Restaurant mit diesem Titel in Schaffhausen. Das wirkt auch nach aussen.»
2007 pachteten die Bischoffs die Wirtschaft zum Frieden, seit 2015 sind sie Eigentümer. Im Erdgeschoss findet sich das Weinstübli, gekleidet in Wandtäfer mit Fries und einer De­­cke mit Stuck. In der Ecke steht ein grüner Kachelofen, daneben ein grosses Holzbuffet mit Zapf­hahn. Das Interieur datiert gegen 1800. Die Holztische sind dezent weiss und elegant eingedeckt. Der Speisesaal im ersten Stock ist mit einem frühbarocken Buffet und einem fast 300-jährigen Fayenceofen bestückt. Heidi Bischoff sagt: «Man muss so etwas Historisches lieben. Bei uns war es Liebe auf den ersten Blick.»
Es behauptet nicht nur stolz seinen Platz zwischen den zwei höheren Nachbarhäusern, sondern zieht mit dem grünen, früh­klassizistischen Kastenerker und dem Drillingsfenster sogleich den Blick auf sich. Auch im Innern ist die Geschichte auf jedem Quadratzentimeter erlebbar. Den Wirten Heidi und Fabrice Bischoff (43 und 45) bedeutet die Auszeichnung viel. «Für uns ist es eine Anerkennung. Obwohl es das Haus ist, dem die Ehre ge­­bührt», sagt Heidi Bischoff. «Aber wir sind sehr stolz und ich glaube, wir sind sogar das erste Restaurant mit diesem Titel in Schaffhausen. Das wirkt auch nach aussen.»

2007 pachteten die Bischoffs die Wirtschaft zum Frieden, seit 2015 sind sie Eigentümer. Im Erdgeschoss findet sich das Weinstübli, gekleidet in Wandtäfer mit Fries und einer De­­cke mit Stuck. In der Ecke steht ein grüner Kachelofen, daneben ein grosses Holzbuffet mit Zapf­hahn. Das Interieur datiert gegen 1800. Die Holztische sind dezent weiss und elegant eingedeckt. Der Speisesaal im ersten Stock ist mit einem frühbarocken Buffet und einem fast 300-jährigen Fayenceofen bestückt. Heidi Bischoff sagt: «Man muss so etwas Historisches lieben. Bei uns war es Liebe auf den ersten Blick.»

Streitigkeiten im 17. Jahrhundert

Die Wirtschaft zum Frieden ist eines der ältesten Restaurants in Schaffhausen. Interessant: Das Haus hiess im 17. Jahrhundert im Volksmund «zum Streit», erzählt Heidi Bischoff. Dazu kam es, weil das Haus des Nachbarn höher war, die Besitzerin ihres aufstocken wollte und zu bauen anfing. Doch sie musste alles wieder abreissen, da die Giebelmauer ausschliesslich dem Nachbarn gehörte. Hernach fragte sie beim Stadtrat an, ob sie im Gemüsegarten ein Hinterhaus bauen dürfe. Durfte sie. Gemeinerweise baute sie dieses 1661 – die Zahl ist im Durchgang zum Hinterhaus vermerkt – eine Etage höher, zog eine gerade Wand hoch und ein Halbdach. Damit «stahl» sie die wandernde Sonne, was zu Streit führte. So erlangte das Haus den Namen «zum Streit». 1789 kehrte wieder Frieden ein, als der Metzger Johannes Moser hier erstmals Wein ausschenkte und den Namen änderte. Seither wird hier gewirtet.

Stets authentisch sein

Aktuell stehen auf der Karte Wildgerichte oder ein Alpsteiner Pouletbrüstli mit einer Vacherin-Mont-d’Or-Crème. Der Bestseller ist Eglifilet nach Müllerinnen-Art. Fabrice Bischoff bezeichnet seine Küche als gutbürgerlich, leicht und modern interpretiert. Man spürt den frankophilen Einschlag, er ist in Lutry VD aufgewachsen. Dort, im Café de la Poste, hat sich das Paar 2000 kennengelernt. «Ich wollte nur neun Monate für ein Prak­­tikum bleiben, um Französisch zu lernen», erzählt Heidi, die aus Stein am Rhein SH stammt. «Seither sind wir jeden Tag fast 24 Stunden zusammen», sagt sie lachend. Beide sind Quereinsteiger, Heidi lernte einst Damenschneiderin, Fabrice ist ge­lernter Konditeur-Confiseur-Chocolatier. Heute sind sie Vollblutgastronomen und arbeiten, wo möglich, mit regionalen Produzenten. Bei den Weinen fokussieren sie auf die Region, die Schweiz und Frankreich.

Ihre Philosophie lautet – passend zur Wirtschaft zum Frieden: authentisch sein. So authentisch wie der Klinkerboden im ersten Stock, der über die lange Zeit und unter den Schritten von Tausenden von Menschen uneben wurde. Über den Gang im Hin­terhaus findet sich das Biedermeier- und Munotsääli. 70 bis 80 Plätze haben die Bischoffs im ganzen Haus, hinzu kommen 48 im Zunft­saal (Parterre Hinterhaus) und etwa 40 im Garten. Dies stemmen sie mit fünf Mitarbeitenden, darunter stets ein Lernender. Es läuft gut. Am Mittag zählen Geschäftsleute mit ihren Kunden sowie ältere Menschen zu den Gästen. Abends ist die Gästeschar breiter abgestützt: Private, Paare und internationale Firmen. Zwischendurch geniesst jemand auch mal nur ein Glas Wein oder einen Kaffee. Vor allem Amerikaner können jeweils kaum glauben, dass das Haus aus dem Jahr 1445 stammt. Da war Christoph Kolumbus noch nicht mal geboren. «Ja, dem einen oder anderen amerikanischen Besucher bleibt da schon öfters der Mund offen stehen», sagt Heidi Bischoff lachend.

WLAN? Keine Chance!

Historisches hat auch seine Tücken. Wegen der alten Stromleitungen (teilweise mit sechs Ampere!) glühen die neuen Glühbirnen im Kronleuchter gern nach. Die Umstellung auf die neuen Leuchtmittel ist in alten Häusern eine Herausforderung. Genauso wie WLAN. «Die Mauern sind teilweise über ­einen Meter dick, da hat WLAN keine Chance», sagt Heidi ­Bischoff.
Bei so viel Geschichte: Ist die historische Wirtschaft zum Frieden auch ein guter Ort, um selbst alt zu werden? «Wir und die Kinder (11 und 8) fühlen uns hier zu Hause, ob in der Wirtschaft oder oben in der Wohnung», sagen die Bischoffs. «Ja, wir können es uns sehr gut vorstellen.»