Die Erholung vom Corona-Einbruch ging trotz des Ukraine-Kriegs, der Lieferkettenprobleme und der steigenden Inflation weiter. Alles in allem stieg das Bruttoinlandprodukt (BIP) von April bis Juni 2022 gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Montag mitteilte. Im ersten Jahresviertel hatte die Wirtschaft mit plus 0,5 Prozent noch etwas stärker zugelegt.
Vor allem die auf Anfang April vollständig aufgehobenen Corona-Massnahmen haben nach Darstellung des Seco die Konjunkturerholung gestützt. Gegenüber dem Vorjahresquartal, in dem noch stärkere Corona-Beschränkungen galten, ist das BIP um deutliche 2,8 Prozent gestiegen.
Ausgabefreudige Konsumenten
Mit der Aufhebung der Corona-Massnahmen zogen die Konsumenten ihre Spendierhosen wieder an, wovon vor allem der Dienstleistungssektor profitierte. «Alles in allem sind wir nach wie vor im Erholungsprozess vom Covid-Einbruch», sagte Felicitas Kemeny, Leiterin des Ressorts Konjunktur beim Seco, gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.
In der Summe gaben die Schweizerinnen und Schweizer 1,4 Prozent mehr für den privaten Konsum aus, insbesondere für Hotel- und Restaurantbesuche. Das Gastgewerbe (+12,4 Prozent) registrierte im Frühjahr mit der Rückkehr der ausländischen Touristen den stärksten Zuwachs.
Die Schweiz profitierte laut Ökonomen auch davon, dass das Inflationsthema hierzulande weniger brisant ist als in anderen Teilen der Welt. Der Kaufkraftentzug der Konsumenten falle somit nicht so hoch aus, sagte Thomas Gitzel von der VP Bank gegenüber Keystone-sda.
Auf der anderen Seite schrumpfte die Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe leicht, nachdem sie über sieben Quartale überdurchschnittlich stark gewachsen war. Das lag laut dem Seco insbesondere an der Chemie- und Pharmaindustrie, die weniger exportiert habe.
Hätte schlimmer kommen können
Damit hat sich die Schweizer Wirtschaft in einem garstigen Umfeld gut geschlagen. «Es hätte durchaus schlimmer kommen können», urteilt Ökonom Gitzel. Denn mit dem Krieg in der Ukraine, den Lieferkettenproblemen sowie steigenden Zinsen und Inflationszahlen waren durchaus einige Belastungsfaktoren vorhanden.
«Ohne diese Faktoren wäre die Schweizer Wirtschaft sicherlich stärker gewachsen», sagte Kemeny. Eine Aussage darüber, wie lange die "Nachholeffekte" nach Corona noch anhalten und ob die Schweiz in eine Rezession abrutscht, wollte die Seco-Beamtin nicht machen.
Denn das Bundesamt wird in gut zwei Wochen eine aktualisierte Konjunkturprognose vorlegen. Zuletzt ging das Seco im Juni von einen BIP-Wachstum von 2,8 Prozent im laufenden Jahr aus. So viel gibt Kemeny immerhin zu bedenken: Das Bild der Wirtschaftsindikatoren ist aktuell sehr heterogen. Einem zuletzt stark eingetrübten Konsumentenstimmungs-Index stehe etwa ein sehr positiver Einkaufsmanager gegenüber. «Es war schon einfacher, Prognosen zu formulieren», räumte Kemeny angesichts der Vielzahl an Risikofaktoren ein.