Gastronomie

Frauenpower an der Spitze

Cristina Bürgi – 26. Juli 2017
Lange Zeit waren Führungspositionen im Gastgewerbe den Männern vorbehalten. Heute über­zeugen auch Frauen in der Position des Küchenchefs, Barista oder Sommeliers.

Die Küche wird weltweit als das «Terrain» der Frauen angesehen: Eine Ansicht, die auf die Zeit der Jäger und Sammler-Kulturen zurückgeht, als der Mann noch für die Jagd und die Frau für die Nahrungsmittelzubereitung zuständig war. Heute hat sich an dieser Aufgabenteilung einiges geändert, und doch sind es immer noch mehrheitlich Frauen, die sich um Haushalt und Ernährung kümmern. Nicht so im Gastgewerbe: Blickt man auf Ranglisten der erfolgreichsten Köche oder Sommeliers, werden diese von Männern angeführt. Auch Gastro-Unternehmer, F&B-Manager und Hoteliers sind häufig männlich. «Ich denke, dass das vom klassischen Berufsbild herrührt», sagt Zita Langenstein, Leiterin Weiterbildung bei GastroSuisse: «Gerade die Ausbildung zum Koch wurde von Männern und Frauen früher unterschiedlich gewertet. Die Ausbildung zur Restaurationsfachfrau und Hotelfachfrau lag einer Frau näher. Frauen arbeiten später auch mehr Teilzeit – das ist in der Küche nicht einfach zu organisieren.» Zita Langenstein

«Frauen werden häufig falsch eingeschätzt»
Zita Langenstein Effektiv ist Teilzeitarbeit bei Frauen im Gastgewerbe heute sehr beliebt: Gemäss dem aktuellen Branchenspiegel von GastroSuisse arbeiten über 70 Prozent der angestellten Frauen in der Restauration Teilzeit, in der Hotellerie sind es sogar 80 Prozent. Durch flexible Arbeitszeitmodelle sind die Frauen in der Branche präsenter geworden, was jüngst auch bei Fachveranstaltungen thematisiert wurde: So kündigte das Symposium ChefAlps seinen diesjährigen Event in Zürich damit an, dass erstmals drei Spitzen- köchinnen ihr Können vor Publikum zeigen werden. Eingeladen wurden Antonia Klugmann aus Italien, Dominique Crenn aus Kalifornien und Ana Roš aus Slowenien. Crenn und Roš wurden beide bereits zur «World’s Best Female Chef» gekürt. Im Food Report 2018, der jährlich vom deutschen Zukunftsinstitut herausgegeben wird, spielen die weiblichen «Connoisseurs» ebenfalls eine grosse Rolle: Ihnen wird ein ganzes Kapitel gewidmet, das sich mit ihrem Einfluss auf das Gastgewerbe befasst. Gemäss dem Report steigt heute das Interesse für Gesundheit und Umweltschutz und demzufolge auch für gemüsebetontere Gerichte. Das sind in der Regel klassische Anliegen von Frauen, die damit für eine femininere Küche sorgen. In der Schweiz kann man diese Küche etwa bei Tanja Grandits (Stucki, Basel) oder Meret Bissegger (Casa Merogusto, Malvaglia) geniessen. In der Top-Gastronomie sind Frauen zwar noch in der Minderheit, in anderen Bereichen holen sie aber auf, was mit entsprechenden Massnahmen gefördert wird. So achtet man bei der Hotel & Gastro formation bewusst darauf, bei den Abschlussprüfungen der Höheren Berufsbildung möglichst viele Expertinnen einzusetzen. Zudem besteht der Lehrkörper zur Hälfte aus Frauen, so dass die Teilnehmerinnen im Laufe des Lehrgangs Vorbildern begegnen können. «Wir sind überzeugt, dass die Branche unbedingt auf Frauenpower angewiesen ist und noch ein grosses Potenzial brach liegt», erklärt Peter Meier, Leiter der Höheren Berufsbildung. Dieses Potenzial besteht nicht zuletzt im Bereich Sensorik, wo Frauen häufig eine feine Nase beweisen. Gemäss einer Studie der Universität Kopenhagen haben sie gar einen deutlich feineren Geschmackssinn als Männer und können sowohl süsse wie auch saure Nuancen bei Lebensmitteln besser erkennen. Frauen sind daher gefragte Sommelières und interessieren sich zunehmend für die entsprechende Ausbildung. «In unseren Kursen zum Schweizer Wein-Sommelier ist praktisch die Hälfte der Teilnehmenden weiblich», erzählt Zita Langenstein. Das Interesse der Frauen für Wein sei schon immer gross gewesen, interessanterweise steige aber auch der Anteil Frauen in den Kursen zum Bier-Sommelier. Dabei werde Bier nach wie vor als Männer­domäne wahrgenommen, in der Frauen häufig falsch eingeschätzt werden: «Viele Tests haben gezeigt, dass Frauen gerne obergäriges Bier trinken, zum Beispiel ein Weizenbier», erklärt Langenstein. Diese präsentieren eine breitere Geruch- und Geschmackspalette als die untergärigen Biere. «Dennoch produzieren Brauereien süsse Frauenbiere, die kaum den Geschmack der weiblichen Mehrheit treffen.»  a Grafik 1 Um die Grafik zu vergrössern, klicken Sie auf diese. a Grafik 2 Um die Grafik zu vergrössern, klicken Sie auf diese. Haben es Frauen im Gastgewerbe schwieriger als ihre männlichen Kollegen? Langenstein, die als erste Frau die renommierte Butlerschule in London absolviert und viel Erfahrung im In- und Ausland gesammelt hat, verneint: «Ich hatte nie das Gefühl, dass ich aufgrund meines Geschlechts einen Nachteil hatte.» Sie fügt jedoch an, dass das für Spitzenpositionen in der Küche vielleicht etwas anders sei. Dem stimmt die Spitzenköchin Ana Roš zu: Als einzige Frau durfte sie 2012 beim «Cook it Raw»-Projekt mitwirken, an der Seite von bekannten Küchenchefs wie René Redzepi und Magnus Nilsson. Es sei eine schwierige und einsame Zeit für sie gewesen, aber eines müsse sie den Männern dennoch anrechnen: «Sie sind die ersten, die eine Frau für ihre gute Arbeit loben», erzählte Roš beim ChefAlps-Fachsymposium. Ana Roš
«Männer sind die Ersten, die eine Frau loben»
Ana Roš Fest steht, dass viele Frauen im Gastgewerbe das Gefühl haben, sich erst einmal beweisen zu müssen, um ernst genommen zu werden. Dass sie mit ihrer Arbeit überzeugen, kann aber nicht zuletzt bei Branchenwettbewerben beobachtet werden: Im vergangenen Jahr wurde etwa die Genferin Sophie Larrouture zur besten Bartenderin der Schweiz gekürt und Emi Fukahori zur besten Barista. Elodie Manesse gewann dieses Jahr den renommierten «Goldenen Koch» und Noemi Kessler wurde bei den World Skills 2013 gar Weltmeisterin im Bereich Restauration. Das sind nur einige Beispiele von vielen, doch sie zeigen: Der weibliche Einfluss im Gastgewerbe nimmt zu.
Forum für Frauen im Gastgewerbe
GastroSuisse organisiert seit über 30 Jahren ein Forum für Frauen, die im Gastgewerbe tätig sind. Der mehrtägige Anlass steht ganz im Zeichen des Austauschs und der Weiterbildung und bietet spannende Referate und Workshops. Dieses Jahr wird das ­Forum für Frauen im Gastgewerbe vom 10. bis 14. September 2017 in der Seerose Resort & Spa in Meisterschwanden am Hallwilersee durch­geführt. Ein spannendes Programm unter dem Thema «Die neue Gast­geberin» mit über 20 Referenten ist organisiert. www.fforum-gastrosuisse.ch