Vanille ist das allererste Aroma, das der Mensch aufnimmt – über die Muttermilch oder via Milchpulver. Deshalb mögen fast alle Vanille. Und Stephan Stemminger (43) besonders: Vor einigen Jahren kam der gelernte Koch und Ex-Teammitglied der Schweizer Kochnati über einen guten Freund intensiver mit der Königin der Gewürze in Kontakt. «Die Faszination war sofort da», erzählt der Zürcher. «Ich sah, wie viel Potenzial in Vanille steckt, und gründete 2021 die erste Vanillemanufaktur der Schweiz.» Vanille ist überall: in Desserts, Getränken, Duftkerzen bis hin zum Vanillebäumli im Auto. Das Spektrum ist riesig, doch 97 Prozent der Vanille werden synthetisch aus Kunststoff im Labor hergestellt. «Und Vanille ist nicht gelb, wie die Industrie uns vorgaukelt!», fügt Stemminger an.
Extrem hoher Vanillingehalt
Vanille ist eine von rund 120 Orchideenarten, aber nur 3 davon werden als Vanille angebaut. Madagaskar ist mit 2975 Tonnen pro Jahr der grösste Produzent (Statista 2020), gefolgt von Indonesien (2306 Tonnen) und Mexiko (589 Tonnen), von wo die Vanillepflanze ursprünglich stammt. Stemmingers Schoten kommen aus Indonesien. Die Bourbon-Art Planifolia Extra misst bis zu 23 Zentimeter. Ja, hier kommt es auf die Länge an, je länger, desto mehr Vanillesamen: 2 Gramm sind es (Standardschote: 0,5 Gramm). Zudem weist sie einen extrem hohen Vanillin-Gehalt auf. Im Februar 2022 wurde mit 2,63 Prozent der höchste je gemessene Vanillingehalt in der Schweiz (Labor Veritas) festgestellt. Zwei Schoten (je 23 cm) im Reagenzglas kosten 15 Franken, das ist weniger als der Marktpreis.
Die Tahitensis hingegen ist kürzer, etwas breiter und weniger vanillig, dafür blumiger, mit über 220 Aromastoffen – und der Liebling der Gourmetköche. Die dritte ist Pompona, eine milde und fleischige Sorte, die bis zu 30 Zentimeter lang werden kann. Alle Schoten sind biegsam, ihr Feuchtigkeitsgehalt beträgt 27 bis 30 Prozent. Sie duften unglaublich stark, sogar jene, die im Vakuumbeutel stecken.
Stephan Stemminger, Gründer von The Vanilla Manufaktur in Schlieren ZH: «Der Vanillingehalt unserer Schoten liegt mit 2 bis 2,6 Prozent weit über dem handelsüblicher Produkte.» (Foto: Lia Lohrer)
Fairness als Grundprinzip
Zu Beginn bestellte Stemminger Muster von verschiedenen Vanillebauern. «So konnte ich kanalisieren und die besten Schoten finden», sagt er. Heute organisiert er alles mit fünf Händlern, die mit den Bauern zusammenarbeiten – ohne Zwischenhändler. Er zahlt den Bauern den Preis, den sie verlangen. Fairness ist für ihn essenziell, damit die Bauern besser leben und die Kinder zur Schule gehen können. «2023 kann ich endlich zu den Bauern reisen», sagt er. «Ich will sie kennenlernen, sehen, wie sie es machen, und all ihr Wissen aufsaugen.»
Die Vanillepflanze wächst an Strohstangen bis 15 Meter hoch. Öffnen sich die Blüten, müssen sie von Hand bestäubt werden. Aus ihnen wachsen dann die knatschgrünen Schoten nach unten, 8 bis 20 Stück im Bündel, wie ganz dünne Bananen. Und pestizidfrei, dieses wäre viel zu teuer für die Bauern. Die Erntezeit beginnt ab Mai und dauert bis Juli, danach werden die Schoten blanchiert, fermentiert und an der Sonne getrocknet.
In der Schweiz wird jede Lieferung im Labor Veritas auf Pestizide und Schwermetalle kontrolliert. Die Qualität ist Kriterium Nummer eins. Stemminger bestellt lieber Mengen von 20 bis 50 Kilogramm, so hat er immer frische Ware.
Er weiss, was sich Köche wünschen
Der Grossteil seiner Schoten geht in die Gastronomie. Zu seinen Kunden gehören die Patissière des Jahres Felicia Ludwig, Weltkonditor David Schmid sowie Restaurants wie das Sens in Vitznau LU, der Löwen in Messen SO, das Ornellaia und das Kle in Zürich, der Hirschen in Villigen AG, der Wyberg in Teufen ZH oder die Waldmannsburg in Dübendorf ZH.
Als erfahrener Koch weiss Stemminger genau, was seine Kunden wünschen. Knapp ein Jahr nach seiner Kochlehre im Artos Interlaken, mit bestem Abschluss im Kanton Bern, machte er sich als Störkoch und mit einem Catering selbstständig, hat Tag und Nacht gearbeitet, und parallel dazu manch Wettbewerb gewonnen: mehrmals Gold- und teilweise Silbermedaillen an Kocholympiaden, an Weltmeisterschaften sowie an der Zagg und diversen anderen Wettbewerben.
Heute fördert er den Nachwuchs selbst – als Sponsor der SwissSkills und als ÜK-Instruktor in Zürich und Wädenswil, wo er öfters Vanilledegustationen mit den Jugendlichen durchführt. «Ich will sie motivieren, indem ich ihnen zeige, wie ich alles selbst erarbeitet habe.»
Eine Pracht: Die Königin der Gewürze (Foto: Lia Lohrer)
Dämpfer und Erfolg
Er hat einen sechsstelligen Betrag in The Vanilla Manufaktur investiert. «Die letzten zwei Jahre musste ich wegen Corona echt beissen», sagt er. Aufgeben war für ihn nie eine Option. «Hochs und Tiefs gibt es immer. Ich verfolge meine Ziele.» Und es ist noch einiges in Planung.
Während der Pandemie lancierte er diverse natürliche Produkte: einen Zucker mit Vanille, zwei Vanillesalze und Vanillewürze, eine Vanillepaste und ein Vanillepulver aus 100 Prozent ganzen Va-
nilleschoten und -samen. Alles in ästhetischen Gläsern, Schachteln oder Weissblechdosen. «Vanille hat es verdient, dass man es schön verpackt.» Interessant für Köchinnen und Patissiers ist auch der pflanzliche und kalorienarme Vanillezuckerersatz, der bald auf den Markt kommt, und der sich in Eiweiss ein- und zu Caramelzucker verarbeiten lässt.
Stephan Stemminger lebt Vanille. Er macht alles selbst, vom Kontakt mit den Händlern über den Onlineshop bis hin zum Abfüllen, Verpacken und Etikettieren. «Eine endlose Arbeit, die aber viel Freude macht», sagt er. «Wir arbeiten mit viel Liebe.» Wir? Er schmunzelt. «Mein Mami lebt im Altersheim und wenn ihr langweilig ist, hilft sie beim Abpacken und Etikettieren.» Sie müssen sich ranhalten, denn das Weihnachtsgeschäft läuft. Und zwar sehr gut.
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Tipps vom Vanilleprofi
• Vanilleschoten dunkel und bei maximal 20 Grad Celsius lagern.
• Steht im Rezept, «eine Schote verwenden», die ganze 23 cm lange Planefolia Extra brauchen: So wird das Resultat delikat und intensiv.
• Grobes Vanillesalz passt zu kräftigen Fleischstücken, ganzen Meerfischen, Ofengerichten und harmoniert mit Ingwer, Chili, Knoblauch.
• Feines Vanillesalz: zu pochiertem Fisch, Jakobsmuscheln, Krustentieren, zarten Fleischstücken, Burrata, Tomaten, asiatischen und mexikanischen Gerichten
• Die Vanillepaste passt zum Frühstück als Aufstrich und im Müesli, als Topping zu Glace oder über frischen Beeren, Wähen und Kuchen.
• Wer keine Zeit hat, die Schote auszukratzen, kann zum Kochen das Pulver aus 100 Prozent ganzen Vanilleschoten und -samen verwenden.
• Vanilleduft kann Stress, Schlafstörungen und Hungergefühle lindern.
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