Gastronomie

Es geht um die Jugend

Cristina Bürgi – 21. November 2018
Kochen ist beliebt, der entsprechende Beruf weniger: Der Branche fehlt es an Lernenden und Fachkräften. Ist eine höhere Fachbildung zum Handwerk Kochen die Lösung?

«Wir müssen den Jungen Perspektiven bieten, sonst wählen sie den Beruf des Kochs nicht», sagt Stefan Wiesner. Dem Gastgeber im Gasthof Rössli in Escholzmatt liegt nicht nur der Nachwuchs, sondern auch das Handwerk Kochen sehr am Herzen. Dieses möchte er den Jungen weitergeben, nicht nur in Form von Kompetenzen in Kochtechnik, sondern auch in den Bereichen Sensorik, Ernährungslehre, Ethik, ökologische Zusammenhänge sowie Einflüsse aus Kunst und Kultur. Alle diese Kompetenzen sollen es den Berufsleuten ermöglichen, ihren eigenen Kochstil zu entwickeln und mit Innovationen zu experimentieren. Aus diesem Grund hat Wiesner zusammen mit seinem Kollegen Robert Koch ein Curriculum mit einem Ausbildungskonzept entwickelt, das den Grundstein für die geplante «Kochakademie», die HF Kulinarik in Entlebuch, bildet (siehe Kasten). Diese wurde in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Kochverband aufgegleist, ist jedoch derzeit auf Eis gelegt: Entsprechende Pläne haben die Arbeitgeberverbände GastroSuisse und Hotelleriesuisse nicht befürwortet. «GastroSuisse ist nicht generell gegen eine Kochakademie», klärt Daniel Jung, stellvertretender Direktor und Leiter Berufsbildung und Dienstleistungen bei GastroSuisse, auf: «Doch die Planung muss koordiniert mit Hotel&Gastro formation Schweiz ablaufen. Letztere hat den Auftrag, bis Ende Jahr die Inhalte des Rahmenlehrplans der HF Kulinarik zu analysieren und zu prüfen, inwiefern diese in bereits bestehende oder alternative Formate integriert werden können.» Eine fachliche Vertiefung im Bereich Kulinarik könne er sich gut vorstellen, erläutert Jung: «Im Bereich Service haben wir die Weiterbildungen Sommelier und Bereichsleiter(in) Restauration, im Bereich Küche den Chefkoch. Hier wäre eine Berufsprüfung Kulinarik allenfalls eine wertvolle Ergänzung und zugleich ein Pendant zum Sommelier im Service.» Eine Berufsprüfung ist jedoch nicht das, was sich Stefan Wiesner und der Schweizer Kochverband für ihre Pläne erhofften. «Eine Berufsprüfung ist denkbar, aber ganz sicher nicht das, was wir angestrebt haben», stellt Reto Walther, neuer Geschäftsführer des Schweizer Kochverbands, klar. Er und Stefan Wiesner sind sich einig, dass die Nachfrage für die Kochakademie gross ist: «Es gibt viele junge Leute, die Freude am Kochen haben, aber weniger managementorientiert sind», erklärt Wiesner. Die Weiterbildung zum Chefkoch oder eidg. dipl. Küchenchef würde für sie zu viel Administratives enthalten. Das solle zwar auch in der HF Kulinarik seinen Platz haben. Doch im Vergleich dazu erhält das Kochen einen viel grös­seren Stellenwert mit über 3000 Praxisstunden. «Das ist das Schöne: Die Ausbildung an der Akademie richtet sich an jeden Koch, egal, ob aus der Gemeinschaftsgastronomie oder Gourmetküche. Ziel ist es, dass sie an ihrem Handwerk feilen und ihren eigenen Kochstil entwickeln.» Bezüglich der Vorbehalte der Arbeitgeberverbände meint Wiesner: «In unserer Branche braucht es Visionen. Oft wird gejammert anstatt gemacht. Mit der Akademie hätten wir etwas an der Situation geändert. Dass sie nicht zustande kommt, ist vor allem für die Jungen ein Verlust. Es ist traurig, denn alles steht schon bereit: das Gebäude, der Investor, der Rahmenlehrplan, die Dozenten, Gastköche und ersten Lernenden.» Die Zustimmung der Arbeitgeberverbände sei für die Realisation des Projektes entscheidend, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht: Die Ausbildungskosten, die mehrere Zehntausend Franken betragen, könnten dadurch quasi halbiert werden und kämen so den Ausbildungskosten an einer Hotelfachschule näher. Hoch bleiben sie dennoch. Und fest steht auch, dass für die Zustimmung der Arbeitgeberverbände noch einige Fragen geklärt werden müssen. Besteht noch Hoffnung für die HF Kulinarik? Das wird sich Ende Jahr herausstellen, wenn die Analyse von Hotel&Gastro formation Schweiz den Trägerverbänden vorgestellt wird. Fakt ist, dass die Ausbildung für den Nachwuchs grundsätzlich attraktiver werden soll: Das wird nicht nur bei der Prüfung des Rahmenlehrplans der Kochakademie berücksichtigt, sondern auch in der aktuellen Revision der Grundbildung Koch. ___________________________________________________________________________________ HF Kulinarik Seit sechs Jahren bestehen Pläne für eine «Höhere Fachschule Kulinarik», die den Fokus auf das Handwerk Kochen legt. Das Ziel ist es, dass die Lernenden in der Höheren Fachschule ihren eigenen Kochstil entwickeln und unter anderem selbst Bier brauen, Käse herstellen, Fleisch verarbeiten und Kaffee rösten können. Ihnen stehen die drei Werkstätten Metall, Holz und Keramik genauso zur Verfügung wie die drei Küchen Feuer, Labor und konventionelle Küche. Abgerundet wird die Ausbildung durch diverse Module zu Themen wie Food-Fotografie, Social Media, Gartenbau, Naturküche und molekulare Küche.