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Ein Fels in der Brandung des Bermuda-Dreiecks

Fabrice Müller – 11. März 2020
Das Pub Tiffany’s in Biel ist eine Institution. Ebenso wie sein Pächter Hansruedi Winiger. Seit 40 Jahren betreibt er das Lokal im Bermuda-Dreieck des Ausgehzentrums der Uhren- und Arbeiterstadt.

1. Februar 1980: Die grosse Eröffnungsparty steht kurz vor dem Start. Die Spannung steigt. «Ich machte noch kurz einen Kontrollgang und wollte dabei auch einen Blick in den Bierkeller werfen», erinnert sich Hansruedi Winiger. Doch daraus wird fürs Erste nichts, denn die Tür ist verschlossen und weit und breit kein Schlüssel in Sicht, der passen würde. «Das war ein ziemlicher Schock für mich, wir konnten ja schliesslich keine Eröffnungsparty ohne Bier schmeissen.» Glücklicherweise findet er im Büro dann noch eine Doublette des offiziellen Bierkellerschlüssels, den der Verpächter versehentlich mitgenommen hat. Gute Beziehungen zu Behörden 
Solche und andere Schreckmomente bringen den heute 70-Jährigen jedoch nur kurz aus der Fassung. Sonst würde er – notabene 40 Jahre nach der Eröffnung – das Tiffany’s-Pub wohl kaum mehr führen. Vieles habe sich in den letzten Jahren in seinem Pub, aber auch im berüchtigten Bermuda-Dreieck, wie das Ausgehviertel rund um die Zentralstrasse in Biel genannt wird, verändert. Besonders in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren gibt es Schlägereien, Drogendelikte oder Messerstechereien vor den Pforten des «Tiff», wie das Pub von seinen Gästen genannt wird. Im Tiff selber sorgt Hansruedi Winiger für Zucht und Ordnung. Manche Jugendliche erzieht er, indem er ihnen klar macht, wie man sich anständig aufführt und korrekt an der Bar ein Bier bestellt. «Es braucht nicht viel, um ein schlechtes Image zu haben. Das wollte ich verhindern», erzählt der Gastgeber schmunzelnd. Stets achtet er darauf, alle Vorschriften einzuhalten und die nötigen Patente zu erlangen. Die gute Beziehung zu den Behörden und zur Polizei ist ihm seit jeher wichtig. «Solche Beziehungen muss man sich mit Vertrauen und Leistung verdienen. Es hilft, wenn man in der Stadt die richtigen Leute kennt», sagt der Sohn des früheren Postenchefs der Kantonspolizei Biel. Keine Lust mehr auf Nobelhotels 
Dass Hansruedi Winiger einst ein Pub leiten würde, hätte er sich in seinen jungen Jahren nicht träumen lassen, wie er heute betont. Nach der Lehre als Koch und Kellner absolviert der gebürtige Oberländer aus Zweisimmen BE die Schweizerische Hotelfachschule Luzern. «Nach meinen Einsätzen in steifen Nobelhotels hatte ich davon die Nase voll. Ich wollte mich beruflich selbstständig machen.» Bevor er jedoch mit dem Tiff seinen Traum verwirklichen kann, arbeitet er für die Gastrag in Neuenburg und leitet anschliessend das Pickwick Pub in Biel. Als für das in Konkurs gegangene Pub an der Zentralstrasse 52 ein neuer Pächter gesucht wird, lässt sich Hansruedi Winiger die Chance nicht entgehen. Das Lokal lässt er im Stil eines englischen Pubs oder eines Hard Rock Cafes umbauen – mit viel Holz, gemütlichen Sitzgruppen, Teppich und der längsten Bartheke der Stadt. Seitdem entwickelt sich das Pub zu einem der wichtigsten Treffpunkte für junge Menschen aus allen sozialen Schichten des Bieler Seelandes. «Mittlerweile gehören auch die Kinder unserer Stammkunden zu unseren Gästen», freut sich Hansruedi Winiger. 15 Jahre lang leitet er die Sport- und Donatorenbar zugunsten der Juniorenbewegung «Spirit» des EHC Biel. Chef de Bar als gute Seele
Eine zentrale Figur in der Geschichte des Tiffs spielt Milan Dimcic als Chef de Bar. Der gebürtige Serbe, der vor 50 Jahren als 21-jähriger aus dem damaligen Jugoslawien in die Schweiz kam, ist die gute Seele im Lokal. Er bewirtete schon Generationen von Bielerinnen und Bielern. Obwohl täglich von Spirituosen umgeben, trinkt Milan Dimcic keinen Alkohol und raucht auch nicht. Der Zigarettenqualm gehört mittlerweile im Tiff der Vergangenheit an. Geraucht werden darf nur noch im separaten Fumoir. «Die Einführung des Rauchverbots in der Gastronomie machte sich bei uns zu Beginn mit Umsatzeinbussen spürbar. Schliesslich rauchen viele unserer Gäste. Inzwischen hat sich die Lage dank unserem Fumoir wieder beruhigt», erzählt Hansuredi Winiger, der neben dem Tiff auch noch ein Dancing und Feinschmeckerlokal im Jura, eine Quartierbeiz und ein Gault-Millau-Restaurant zusammen mit einem Partner sowie ein 600-Plätze-Zelt während der Fasnacht auf dem Guisan-Platz in Biel leitete. «Ich bin ein Workaholic», meint Hansruedi Winiger und erwähnt nebenbei, dass er noch freier Journalist für das Bieler Tagblatt sei und viel über Weinkultur schreibe. Dosenbier und Rockkonzerte 
Kaum ein anderes Gastronomieunternehmen in Biel blickt auf eine so lange Geschichte zurück wie das Tiff. Da stellt sich die Frage nach dem Erfolgsrezept: «Ich bin mit Herzblut dabei, habe eine tolle Crew hinter mir und achtete stets auf ein gutes Verhältnis zu den Behörden.» Auch das gastronomische Konzept scheint aufzugehen, auch wenn sich das Tiff den veränderten Kundenbedürfnissen anpassen muss: Bis vor 15 Jahren steht noch ein Koch hinter dem Herd und bereitete Mittagsmenüs zu. Weil die Nachfrage nach Gerichten zunehmend kleiner wird, setzt das Tiff nun vor allem auf Getränke wie Bier, Cocktails und andere Spirituosen. «Die Jungen trinken heute vor allem Dosenbier, sogar die Mädchen. Das war früher noch verpönt. Damals trank man das Bier noch aus dem Glas. Cüpli werden in der Arbeiterstadt Biel hingegen selten getrunken», erzählt der Tiff-Gastgeber. Mehrumsatz dank Konzerten 
Verändert haben sich auch die Ausgehzeiten: Früher sei um halb neun Uhr abends die Bude voll gewesen. Heute kommen vor allem die jugendlichen Gäste erst um halb eins. «Unsere Nächte sind dadurch länger geworden, schliesslich haben wir bis fünf Uhr morgens offen.» Regelmässig stehen Konzerte mit lokalen Rock’n’Roll- und Bluesbands auf dem Programm. Der Eintritt ist frei. Die Gage für die Bands wird mit den Getränken finanziert. «Die Konzerte bringen uns einen Mehrumsatz. Denn gewisse Gäste kommen nur, wenn eine Band bei uns spielt», sagt Winiger, der als Jugendlicher selber mit seiner Gitarre in einer Band spielte und am Mikrofon stand. Auch wenn er und sein Tiff heute in Biel als Institution gelten, bleibt er bescheiden: «Ich werde von den Gästen wohl wichtiger wahrgenommen, als ich mich fühle. Ich mache einfach meinen Job.»