Gastronomie

Der falsche Ort zum Sparen

Cristina Bürgi – 08. August 2017
Kaffee gilt in der Gastronomie als schwarzes Gold. Sein Potenzial ist aber noch längst nicht aus­geschöpft. Fachleute erzählen, warum die Qualität der Zubereitung entscheidend ist.

«Das Wichtigste ist, dass der Gastronom sich sein Zielpublikum vor Augen führt», empfiehlt Gallus ­Hufenus, Inhaber des Kaffeehaus in St. Gallen. «Denn jedes Café-Konzept ist vom Standort abhängig. In einer Bergbeiz wird zum Beispiel deutlich öfter ein Café crème verkauft als in einem Speziali­täten-Café in der Stadt.» Wer guten Kaffee anbieten möchte, sollte sich also zuerst Gedanken über seinen Standort und seine Gäste machen. Dadurch entscheidet sich, welcher Kaffee und welche Kaffeemaschine für das entsprechende Angebot am besten geeignet ist.

Häufig beobachte ich, dass Gastronomen sich das teuerste und beste Material kaufen, dann aber die billigsten Kaffeebohnen verwenden», fügt Hufenus an. «Das ist, als ob man Perlen vor die Säue wirft!» Eine ähnliche Beobachtung gemacht hat Benjamin Hohlmann, Gründer der Kaffeemacher GmbH: «Manche kaufen sich die teuerste Maschine, bedienen sie aber nicht richtig.» Die beiden Gastronomen sind sich einig, dass das Zauberwort hier «Schulung» heisst. «Die Zubereitung von Kaffee ist ein Handwerk. Um sich positiv von der Konkurrenz abzusetzen, braucht es geschultes Personal. Umso mehr, wenn man im Betrieb eine halb­automatische Kaffeemaschine einsetzt», erzählt Hohlmann.

Hohlmann«Für guten Kaffee gilt: Schulung. Schulung. Schulung.»
Benjamin Hohlmann

Die Schulung der Mitarbeitenden ­berücksichtigt dabei nicht nur die korrekte Dosierung und den Mahlgrad der Kaffeebohnen, sondern auch die tägliche Reinigung der Maschine. «Das ist zwar aufwendig, wirkt sich aber positiv auf die Lebensdauer der Geräte und natürlich auf den Geschmack des Kaffees aus», hält Fabian Kübler von der Rösterei Kaffee und Bar in Bern fest. Nicht zuletzt gehört auch «Latte Art», also das kreative Verzieren des Milchschaums, zur Schulung. Diese Musterung entsteht beim Cappuccino entweder durch das geschickte Giessen der Milch oder mithilfe von Schablonen oder Schokoladesaucen. «Aufgrund der Latte Art hat der Cappuccino heute mancherorts den Latte Macchiato verdrängt», erzählt Hohlmann.

Effektiv wird heute meistens ein Cappuccino oder ein Café crème im Restaurant bestellt. Letzterer ist gemäss dem Verband «CafetierSuisse» der Spitzenreiter unter den Kaffeegetränken: Er macht fast jede dritte Bestellung aus. Um dieses Potenzial künftig noch besser auszuschöpfen, möchte der Verband einen neuen Qualitätsstandard für den beliebten Café crème definieren. Dazu führt «CafetierSuisse» eine Befragung unter Gastronomen durch und organisiert öffentliche Cuppings.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass ein Betrieb, der in Schulung investiert, deutlich mehr Kaffeegetränke verkauft. «Die Qualität von Kaffee und Service sind das entscheidende Alleinstellungsmerkmal eines Cafés», betont Benjamin Hohlmann. «Damit kann sich ein kleinerer Betrieb auch von dominanten Ketten abgrenzen. Diese weisen nämlich häufig eine hohe Mitarbeiterfluktuation auf. Folglich ist es schwieriger, die Qualität auf dem gleichen Niveau zu halten.» Das sieht auch Gallus Hufenus vom Kaffeehaus so: «In Zeiten der Globalisierung haben kleine, unabhängige Betriebe mit ihrer Einzigartigkeit enorm viel Potenzial.» Nicht zuletzt sei der Kontakt mit den Gästen persönlicher, man könne Storytelling betreiben und ihnen die Herkunft und Hintergründe zum Kaffeeangebot erklären.

Für Gallus Hufenus ist nicht nur das Zielpublikum und das nötige Fachwissen für einen guten Kaffee entscheidend, sondern auch die Wertschätzung gegenüber dem Produkt und dem Konsumenten: Dafür ­bezahlt er pro Roh-Kaffeekilo das Doppelte bis Dreifache des Börsenpreises, damit er «den Bauern auf Augenhöhe begegnen kann.» Dies garantiert ihm auch ein hochwertiges Produkt, das er anschliessend mit grosser Sorgfalt verarbeitet, sprich langsam und schonend röstet. Sein Ziel ist es, den Gästen die sensorische Welt des Kaffees näher zu bringen. «Meiner Meinung nach verdient Kaffee mindestens so viel Aufmerksamkeit wie der Wein», ­erzählt er. «Es ist ein alltäglicheres und häufiger konsumiertes Produkt. Zudem ist die sensorische Bandbreite viel grösser.» Deswegen sei auch eine hohe Qualität so wichtig. «Für mich ist das schlicht der falsche Ort zum Sparen.»

Rest Hufenus«Kaffe verdient mehr Aufmerksamkeit als Wein»
Gallus Hufenus Gleicher Meinung ist Fabian Kübler von der Rösterei Kaffee und Bar in Bern: «Bodenbeschaffenheit, Klima und Anbaumethode – also das Terroir – sowie Art und Varietät, aber auch die Verarbeitung haben einen grossen Einfluss auf die Qualität des Rohkaffees. Anschliessend sind der Röstprozess und die Zubereitung enorm wichtig, um ein gutes Resultat in der Tasse zu erhalten.» Er merke, dass das Interesse der Gäste für das Kaffee-Handwerk steigt und dass sie sich zunehmend auch an Spezialitätenkaffee heranwagen.

Kuebler«Das Interesse der Gäste für das Handwerk steigt»
Fabian Kübler
Neuerdings sind beim Kaffee auch die Milchalternativen ein Thema: «Als ich das Kaffeehaus vor sieben Jahren eröffnet habe, war die Nachfrage dafür noch überhaupt nicht da. Inzwischen gehört es aber dazu», erzählt Gallus Hufenus. Als laktosefreie oder pflanzliche Alternative bietet er Sojamilch an, der Geschmack des Kaffeegetränks sei dadurch aber «ein anderer». Auch die Rösterei Kaffee und Bar sowie die Kaffeemacher GmbH setzen auf Soja-, beziehungsweise auf laktosefreie Milch. Und auf «Coffee to go». «Man kann es sich heute gar nicht mehr erlauben, das nicht anzubieten», erklärt Benjamin Hohlmann. Auch diese Wahl ist allerdings standortabhängig: Das etwas ausserhalb vom Stadtkern St. Gallens gelegene Kaffeehaus bietet bewusst nur «Coffee to stay» oder «to stand» an. «Wer es eilig hat, kann den ‹Caffè espresso› im Stehen für 2 Franken geniessen. Wer länger verweilen möchte, bezahlt mehr.»