Gastronomie

«Den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren»

Corinne Nusskern – 17. April 2019
Simone Müller-Staubli ist jung, erfolgreich und voller Ideen. Trotzdem steht sie mit beiden Füssen fest auf dem Boden und macht sich Gedanken, was der Branche gut tun würde.

Es läuft gut. Die Schatz AG betreut zurzeit elf Restaurants und sechs Hotels. In welcher Zeitspanne habt ihr das geschafft?
Simone Müller-Staubli: Mein Geschäftspartner Samuel Vörös startete vor fünf Jahren, ich bin seit vier Jahren dabei. Der erste Betrieb war die Brasserie Bodu, ein etabliertes Restaurant in Luzern. Heute weiss ich: Etwas Erfolgreiches weiterzuführen, ist mindestens so schwierig, wie etwas Neues aufzubauen. Aber mit Elan und den richtigen Leuten klappt es.

Wem gehören die Betriebe der Schatz AG?
Jeder Betrieb funktioniert als Unternehmen mit eigenem Konzept und seinen Beteiligten. Die Inhaber sind oft dieselben Leute, aber in unterschiedlichen Konstellationen. Auch solche, die nicht operativ mitarbeiten. Die Betriebe gehören nicht der Schatz AG, sondern umgekehrt. 

Soll die Schatz AG endlos wachsen?
Wir machen das, was uns Spass macht. Es gibt keine Wachstumsstrategie, sondern diese ergibt sich durch die Projekte, welche durch die verschiedenen Akteure herangetragen werden.  Wenn etwas an Sie herangetragen würde, das extrem lukrativ wäre, aber kein Herzblut generiert, würden Sie es trotzdem machen?
Wahrscheinlich nicht. Mich reizen Herausforderungen und Projekte, die nicht 0815 sind. Aber wir sind Unternehmer, jeder kann für sich entscheiden, deswegen geht es auch so vorwärts. Was ist Ihre Aufgabe in der Schatz AG?
Ich bin an allen Betrieben direkt oder indirekt beteiligt, bin unter anderem Geschäftsführerin des Restaurants zur Werkstatt in Luzern, des Seehotels Kastanienbaum mit einer Cateringeinheit und des Restaurants Rössli hü in Root. Ausserdem trage ich die Verantwortung für das Marketing und für alle neuen Projekte. Bald kommen neue Betriebe dazu: Mitte Mai das Restaurant Riviera im Grand Hotel Na­tional Luzern, und im Sommer eröffnen wir ein Werkstatt-Restaurant in St. Gallen und eines in Zürich. Und wann schlafen Sie?
Zwischendurch (lacht). Ich habe nun mal eine Schnittstellenfunktion. Ziemlich umtriebig. Verzetteln Sie  sich nie?
Dafür habe ich gar keine Zeit. Aber ich habe ein tolles Team, das voll mitzieht. Im Moment sind wir in der Aufbauphase, da möchte ich Gas geben. Ich denke aber, dass ich dieses Tempo nicht 20 Jahre durchhalten kann. Nehmen Sie sich Auszeiten?
Vielleicht weniger als andere,  aber ich nehme mir Auszeiten. Ich arbeite wie alle andern tagsüber. Und abends sowie an Wochenenden geht es oft weiter mit Anlässen und Abendessen. Aber es ist ein toller Job! Ich habe gelernt, mich zu organisieren, es ist reine Kopfsache. In welchem Arbeitsbereich fliesst das meiste Herzblut?
Ganz in das Ideen umsetzen und sie zum Laufen bringen. Wenn ich sehe wie Ideen fliegen, das ist einfach grossartig! Und wann fliegen die Ideen?
Die Ideen kommen überall. Man muss gut beobachten können und kreativ sein.Aber gute Ideen müssen auch umgesetzt werden! Das ist oft zeitaufwendig und nicht selten mit Kosten verbunden, aber es lohnt sich. Klar sind nicht alle Ideen realisierbar, manche sind schlicht unbrauchbar. Ist es Ihnen wichtig, mit ausgebildeten Köchen und Restaurationsfachleuten zu arbeiten?
Ja, klar. Leider ist und bleibt es eine He­rausforderung, gut ausgebildete Mit­arbeiter zu finden. Wir bereiten gerade die Neueröffnung des Riviera vor. Da auf unsere Inserate nahezu keine qualifizierten Bewerbungen kamen, haben wir das Team über unser Netzwerk zusammengestellt. Dabei sind das Hammerjobs! Haben Sie einen Lösungsansatz?
Wir müssen Ungelernte ausbilden. Ich denke an engagierte Asylanten und Quer­einsteiger, die von unseren Profis lernen können. Nicht weil es uns reut, qualifizierte Leute einzustellen, sondern weil es nicht genügend gibt. Man darf eines nicht vergessen: Parallel dazu steigen die Erwartungen der Gäste weiter an. Wir fördern in unseren Betrieben junge Talente und geben ihnen Ver­antwortung. Zudem schau­en wir sehr genau hin, wer sich weiterent­wickeln möchte und mit Freude bei uns arbeitet. Wenn sich beispielsweise ein junger Koch im Team qualifiziert, dann soll er mit unserer Unterstützung beruflich voranschreiten können. Ausserdem beschäftigen wir sehr viele tolle Frauen in guten Positionen wie etwa als Betriebsleiterin oder als Küchenchefin. Das ist uns wichtig.   Wie könnte man die Mitarbeiter in der Gas­tronomie halten?
Das ist eine Herausforderung. Die Löhne sind durch den LGAV und die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegeben und die Arbeitszeiten werden sich auch nicht ändern. Die Gäste kommen nun mal zu gängigen Essenszeiten. Und halbherzig gibt es bei euch anscheinend nicht.
Nicht bewusst! (lacht) Über alle Betriebe gerechnet, sind wir bis Ende 2019 rund 450 Mitarbeiter und jeder hat mal einen schlechten Tag. Meine Aufgabe ist es, den bestmöglichen Rahmen zu schaffen, damit alle weiterkommen. Sie bilden auch Lehrlinge aus. 
Ja, überall wo wir können! Welche Erfahrungen machen Sie da? 
Auch hier ist es nicht selbstverständlich, interessierte Lehrlinge zu finden, das gilt für alle Bereiche. Fakt ist: Bereits Lehrlinge sind sehr begehrt. Man muss ihren Alltag so gestalten, dass sie Spass an der Arbeit haben. Es ist doch eine tolle Branche! Luzern ist in letzter Zeit ziemlich erfolgreich mit innovativen Gastronomiebetrieben. Was ist das Geheimnis?
Die Stadt hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Luzern verfügt über ein grosses Einzugsgebiet und wir haben viele Touristen. Auch solche, die nicht als Gruppen durchgeschleust werden, sondern ein gutes Essen schätzen. Tauscht ihr euch untereinander aus?
Ja, ich finde die Luzerner Gastronomen arbeiten freundschaftlich zusammen, man hilft sich auch gegenseitig. Es hat Platz für alle. Was geben Sie Gastgebern auf den Weg, die weniger erfolgreich sind als Sie?
(Denkt lange nach).  Was heisst erfolgreich? Ich würde überlegen, welche grossen Trends und sichtbare Entwicklungen es gibt. Damit meine ich: Wo erken­ne ich Gesetzmässigkeiten, die ich nutzen und in mein Konzept einfliessen lassen kann. Man muss nicht immer gleich weitermachen wie bisher, sondern den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren. Und sich stets hinterfragen, um sich selbst nichts vorzumachen. Haben Sie ein Lieblingsrestaurant? – Kein eigenes, bitte.
(lacht) Ja, das habe ich, es ist das Old Swiss House in Luzern. Ein wunderschön traditionelles, gediegenes Restaurant mit schweren Tischtüchern, noch schwererem Silberbesteck und ­dicken Teppichen – das pure Gegenteil von Trend. Ganz ehrlich? Ich liebe dieses Klassische! __________________________________________________________________________________________ Für die Gastronomie geboren 
Die erfahrene Gastronomin ist in den letzten Jahren richtig durchgestartet. Aufgewachsen in einer Mediziner­familie wusste Simone Müller-Staubli bereits als Kind, wo sie beruflich hin möchte: In den «Meine-Freunde-Alben» der Primarschule schrieb sie bei «Mein Traumberuf» Hotelfachschule Lausanne hin. Diese hat die Luzernerin 2007 abgeschlossen und mit einem Marketing-Master der Universität St. Gallen ergänzt. Als Erlebnisgastronomin, Marketingspezialistin und Autorin machte sie sich in Luzern einen Namen. Heute ist sie Frontfrau der Schatz AG. Hinter der Agentur steht ein zehnköpfiges Team passionierter Gastronomen, das Hotel- und Gastronomie-Betrieben Dienstleistungen wie Personaladministration, Buchhaltung, Marketing oder Einkauf anbietet. Zur­zeit sind dies elf Restaurants und sechs Hotels. Einziges gemeinsames Konzept der Betriebe ist der Austausch, Ideen voranzutreiben und Synergien zu nutzen. Dafür setzt sich Simone Müller-Staubli jeden Tag mit Freude ein. Ab und zu steht sie auch als Referentin auf dem Podium, wie kürz­lich beim Hochgenuss19. Die 35-Jährige ist verheiratet und lebt in Luzern.