Gastronomie

Das wünscht sich die Branche fürs neue Jahr

Benny Epstein, Reto E. Wild, Corinne Nusskern – 21. Dezember 2020
Bitte nicht nochmals so ein Jahr! 2020 hat die gesamte ­Branche arg gefordert und wird Spuren hinterlassen. Doch was wartet 2021 auf die Gastronomie und Hotellerie? Sechs passionierte Profis öffnen ihr Herz und erzählen, wonach sie sich sehnen und was sie sich fürs kommende Jahr wünschen.

Am vergangenen Montag traf sich ein Dutzend Gastronomen im Zürcher Restaurant Mesa zum Mittagessen. Eine kleine Runde unter Freunden. Köche, Sommeliers, ein Pâtissier, eine Gastgeberin. Alle mit der gleichen Passion. Und alle mit ähnlichen Sorgen. Bei gereiften Weinen und dem Menü von Sebastian Rösch herrschte ein Thema vor: die Corona-Pandemie. Wie machst du es mit den neuen Massnahmen? Wie viele Stornierungen sind es bei euch? Was das kommende Jahr bringen wird, weiss keiner. Wir haben Profis aus der Branche – nicht aus der Runde im Mesa – nach ihren Wünschen fürs kommende Jahr gefragt. Die Antworten klingen bei allen ähnlich und doch nicht gleich. Alle hoffen sie, dass unter dem Weihnachtsbaum eine schönere Bescherung liegt als noch im vergangenen Winter.

Adriana Hartmann, Mitinhaberin und Gastgeberin im Restaurant Magdalena, Rickenbach SZ

«Für das neue Jahr wünsche ich mir vor allem Gesundheit. Gesundheit für meine Familie, meinen Sohn, meinen Mann, für mich. Aber auch Gesundheit für alle. Ich glaube, dieses Jahr wurde uns deutlich gezeigt, wie viel Gesundheit wert ist. Noch nie haben wir so viel dafür gegeben, uns selbst und unsere Mitmenschen zu schützen. Neben allem Negativen stand das Jahr für mich deshalb auch im Zeichen der Solidarität, der Einheit. Von der wünsche ich mir jetzt aber noch mehr, denn ich glaube, in den letzten Wochen ist die Einheit etwas zerbröckelt. Wir sind alle zusammen in dieser Pandemie und wir kommen auch nur alle zusammen da wieder raus. Als Einheit. Ich wünsche mir fürs kommende Jahr deshalb noch mehr Solidarität, Mitgefühl und ebenso Nächstenliebe. Ich wünsche mir, dass wir als Ganzes denken und nicht jeder für sich selber. Für uns war dieses Jahr geprägt von Neuanfängen und von Träumen, die wir sogar während einer globalen Pandemie verwirklichen konnten. Wir konnten den Traum vom eigenen Restaurant realisieren – dann kam der Lockdown. Und dann der zweite Neuanfang. Gefolgt von diesem Wahnsinnssommer mit so vielen tollen und glücklichen Gästen. Mir ist bewusst, dass wir in einer speziellen Lage sind und wir viel Glück hatten: Trotz der Umstände sind wir gut durch unser erstes Jahr gekommen. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber auch ich wünsche mir fürs kommende Jahr mehr Normalität, weniger Massnahmen. Ich wünsche mir, beim Arbeiten wieder ohne Maske lächeln zu können. Ich wünsche mir weniger Corona und viel mehr Positivität für alle.»

Massimo Suter, Kantonalpräsident GastroTicino

«Planungssicherheit!», antwortet Massimo Suter (49) auf die Frage, was er sich zu Weihnachten wünscht. «Und eine Normalisierung der Lage, damit wir uns wieder aufs Wirten konzentrieren können.» Die Restaurants im Tessin hätten bereits beinahe das gesamte Bankett- und Weihnachtsgeschäft verloren. Es fehle an Wertschöpfung und Geld. Der Vizepräsident von GastroSuisse habe seine Betriebe allerdings bereits auf ein Minimum heruntergefahren. «Mit der Kurzarbeitsentschädigung ist es für uns einigermassen tragbar. Aber auch im Tessin gibt es Betriebe, die in dieser Jahreszeit sehr viel vom Jahres- umsatz erwirtschaften, obwohl der Kanton als Sommerdestination gilt.» Es könne deshalb zu einer Konkurs- und Entlassungswelle kommen. Privat wünscht sich Suter gute Gesundheit. 2020 habe gezeigt, wie wichtig das ist. «Ohne Gesundheit läuft nichts. Wir brauchen auch eine gesunde Gesellschaft.»

Franziska Richard, Direktorin Bellevue Parkhotel & Spa Adelboden

«Natürlich wünsche ich mir wie jeder und jede, dass wir Corona hinter uns bringen. Die Epidemie hat auch in der Gastronomie und Hotellerie immense Schäden verursacht. Doch sie hat unser Konsumverhalten nicht nur negativ beeinflusst. Ich wünsche mir natürlich, dass davon etwas hängen bleibt. Im Jahr 2020 gab es keinen Massentourismus, es gab kein sinnloses Herumfliegen, kein Weekend-Shopping in New York. Dafür kauften wir beim Bauern um die Ecke ein, lernten unbekannte Schweizer Täler kennen und unterstützten die Schweizer Hotellerie. Welche wunderbare und unverzichtbare ‹Erfindung› das Restaurant ist, wissen wir womöglich auch seit 2020. Wir werden Restaurants wieder schätzen. Der Massentourismus und seine Auswüchse sind Gift für unsere Branche, weil sie auch die Mitarbeiter überfordern. Immerhin hat Corona dies sichtbar gemacht. Nun bleibt wirklich zu hoffen, dass wir uns impfen lassen, um zu neuer, alter Normalität zurückzukehren.»

Paul Urchs, Direktor Hotel Adula, Flims GR

«Über die aktuelle Situation im Hotel Adula kann ich mich echt nicht beklagen. Unser neues Konzept kommt gut an und das Haus ist auf viele Arten wunderschön. Der Spa- Bereich mit dem Kunstwerk im Poolbereich fasziniert mich ebenso ständig von Neuem wie auch die vegan-vegetarische Bündner Küche von Thomas Huber (rechts im Bild) im La Clav, einem unserer drei Restaurants. Aber auch wie unsere Mitarbeitenden das Covid-Konzept umsetzen: Die Gäste fühlen sich bei uns sicher und wohl. Doch als Teil des Skigebiets Flims Laax Falera sind wir in diesem Punkt von allen Mitspielern abhängig. Keiner kann es alleine richten. Aber einer alleine kann alles zerstören. Wir haben das grosse Glück, dass wir mit der Weissen-Arena-Gruppe ein starkes Unternehmen in der Region haben, das auch die aktuellen Herausforderungen vorbildlich und innovativ angeht und mit dem Hotelierverein eine Adresse, die alle Player der Branche verbindet und ihnen auch mal ins Gewissen redet. Ich wünsche mir für die anstehende Zeit, dass alle weiter so an einem Strick ziehen. Dass jeder versteht, dass wir nur gemeinsam Erfolg haben können. Wenn nur einer sich nicht an die Regeln hält, spricht sich das herum. Und schon meiden uns die Gäste, weil sie sich auf dem Weg auf den Berg nicht mehr sicher fühlen. Ich wünsche mir, dass wir ein gesundes Jahr erleben, für die gesamte Destination und natürlich auch für jeden persönlich.»

Patrick Grinschgl, Präsident GastroRegionLuzern

Patrick Grinschgl (51) wünscht sich Klarheit. Und zwar vom Bund zu Fragen wie: Was gilt heute, was gilt morgen? Welche Gelder kommen wann und wie? «Es ist ein Flickwerk. Es braucht einen pragmatischeren Ansatz. Dort wo der Staat etwas verfügt, soll er auch für die Folgekosten aufkommen. Die Leute können nichts dafür», ergänzt der Präsident von Gastro Region Luzern. Es gäbe so viele Unsicherheiten – für die Unternehmer wie für die Angestellten, die teilweise nicht wüssten, ob sie nach Weih­nachten noch einen Job haben. Für die Gastronomen sei es im Moment nur schon schwierig, das Härtefallformular auszufüllen. Einige Fragen beziehen sich auf Januar. Niemand wisse, ob er im Januar den Betrieb ganz, teilweise oder gar nicht öffnen könne. Da sei eine ­Finanzplanung unmöglich. «Im März sagte Bundes­rätin ­Simonetta Sommaruga, dass sie die Gastronomie nicht im Stich lasse. Danach wurde es nur noch schlimmer», sagt Grinschgl. Gewisse ­Rechtsfragen wie «Ist der Staat haftbar, wenn er einen Lockdown anordnet?» seien nicht geklärt. «Ein klares Statement fehlt. Erst werden Massnahmen be­schlossen, jedoch ohne ein Kon­zept für die Betroffenen zu haben. Ist die Volksgesundheit dem Bund etwas wert, soll er für die verfügten Massnahmen auch Entschädigungen zahlen», fordert Grinschgl. «Es braucht jetzt Geld, um die Rechnungen Ende Jahr zu bezahlen – und nicht im Februar oder März.»

Tiziano Marinello, Zürcher Frischwarenhändler

«Bis Anfang 2020 kamen wir aus einer erfolgsverwöhnten Zeit. Wir vergassen, dass nicht alles selbstverständlich ist. Ich glaube daran, dass alles wieder gut wird und dass viele Restaurantbetriebe wieder erfolgreich sein werden. Vielleicht ab Mitte 2021. Ich wünsche mir, dass wir den Erfolg dann mehr geniessen und diesen nicht für selbstverständlich halten. Ich hoffe, dass die entstandenen Wunden dann wieder heilen. Dabei denke ich an Wunden zwischen Lieferanten, zwischen Lieferant und Kunde, aber auch an Wunden bei uns intern. Wir alle wurden in dieser Zeit von Menschen oder Firmen ent­täuscht. Aber – wie es das Wort schon sagt – das ist einfach menschlich. Ich wünsche mir, dass man sich verzeiht und vergibt, sobald alle wieder durchatmen können. Ich bin überzeugt, dass viele innerhalb der Branche die Zeit wirtschaft­lich überleben oder danach in neuer Form wieder da sind. Denn wir sind definitiv eine Stehauf-Branche. Das spürt man jetzt mehr denn je. Covid als Ausrede bringen, um nun eine ruhige Kugel zu schieben – das geht nicht. Das haben sehr viele begriffen und machen jetzt umso mehr einen guten Job. Auch wenn man kaum mehr Energie hat und der zweite Lockdown vor der Tür steht. Gerade vor Weihnachten erhalten wir viel tolles Feedback von Kunden, die festhalten, dass sie über das ganze Seuchenjahr mit uns toll zusammengearbeitet haben. Zuletzt haben wir unsere Kunden mit neuen Kochjacken überrascht. Auf dem Ärmel steht ‹Fuck 2020› – das was sich wohl jeder denkt. Eine finanziell unvernünftige Aktion in dieser Zeit. Aber wir haben allen eine Riesenfreude gemacht. Eine Investition in eine Zukunft, an die ich glaube.»