Gastronomie

Bierbrand und Shampoo statt Wegschütten

Oliver Borner – 26. März 2021
Weil die Gastrobetriebe geschlossen sind, bleiben viele Brauereien auf ihrem Fassbier sitzen. Um dieses nicht wegschütten zu müssen, sind kreative Ideen gefragt.

Nach einem langen Arbeitstag ein kühles Bier auf der Terrasse seines Lieblingslokals geniessen. Was bis vor einem Jahr noch selbstverständlich war, ist 2021 zu einer Illusion verkommen. Die Gastrobetriebe sind seit dem 22. Dezember 2020 schweizweit geschlossen und werden mindestens bis Ende April 2021 auch nicht öffnen können. Wer sein Bier geniessen will, der muss das weiterhin zu Hause tun.

Dieser Umstand bringt nicht nur für die Konsumentinnen und Konsumenten, sondern vor allem auch für die kleinen und mittleren Brauereien in der Schweiz Folgen mit sich. «Durch den Wegfall der Gastronomie und den Veranstaltungsverboten mussten die kleinen und mittleren einheimischen Brauereien bereits 2020 einen Umsatzeinbruch von 20 Prozent hinnehmen. Zählt man die ersten drei Monate 2021 dazu, sprechen wir gar von einem Einbruch von 50 Prozent», sagt Martin Uster, Präsident der IG unabhängiger Schweizer Brauereien. Besonders die Brauereien, die mit ihrem Fassbier vorwiegend von der Gastronomie abhängig sind, litten am meisten unter der momentanen Situation. Bereits im ersten Lockdown mussten viele Brauereien ihr vorproduziertes Fassbier oftmals wegschütten.

Bierbrand, Shampoo oder Desinfektionsmittel

Um dieser Verschwendung so gut wie es geht zuvorzukommen, passten die Brauereien ihre Produktion der aktuellen Situation an. «Als sich im Oktober die zweite Welle ankündigte, fuhren viele Brauereien ihre Produktion zurück, um die Bestände zu verkleinern», sagt Uster. Dabei wurde auch weiterhin Fassbier produziert, um bei einer möglichen Öffnung der Gastrobetriebe lieferfähig zu bleiben. «Da im Moment allerdings keine Lockerungen in Sicht sind, wird das bereits produzierte Fassbier nun aber zum Problem», so Uster. Vereinzelt hätten Brauereien in Absprache mit dem kantonalen Amt für Verbraucherschutz zwar vereinbaren können, das Ablaufdatum des Biers um ein paar Wochen zu verlängern, allerdings sei dies keine langfristige Lösung. Daher werden viele Betriebe bei ihrer Suche nach Alternativen kreativ.

«Es gibt solche, die das überschüssige Bier zu Bierbrand, also Schnaps, verarbeiten und ihn dann verkaufen. Andere setzen, wie bereits im ersten Lockdown, auf die Produktion von Desinfektionsmittel oder Shampoo», sagt Uster. Dies sei auch immer wieder mit zusätzlichen Kosten verbunden, aber immerhin müsse man das Bier nicht wegschütten. Freibieraktionen, wie sie in Deutschland bereits stattgefunden haben, habe es in der Schweiz nach Usters Kenntnisstand aber noch keine gegeben.

Planung erst für Frühling 2022

Dank dieser alternativen Einnahmequellen und dem Verkauf von Dosen- und Flaschenbier im Getränkemarkt oder Detailhandel halten sich viele Brauereien auch in der Krise weiterhin über Wasser. So seien bisher auch nur zu sehr wenigen Betriebsschliessungen gekommen, sagt Uster. Trotzdem schaut der Geschäftsführer der Bierbrauerei Baar mit gemischten Gefühlen in die Zukunft.

«Wir rechnen in diesem Jahr grundsätzlich nicht mehr mit der Druchführung von Grossveranstaltungen, womit die jetzige Situation wohl noch länger andauern wird», sagt er. TV-Ereignisse wie die Fussball-EM und die Hockey-WM könnten zwar einen kurzen Auschwung auslösen, eine genaue Planung werde für dieses Jahr aber sehr schwierig. «Langfristig rechne ich daher damit, dass die meisten Brauereien ihre Planung bereits auf Frühling/Sommer 2022 ausrichten werden», sagt Uster.