Gastronomie

Barkeeper Ivan Urech in seiner «Manege der liquiden Poesie»

Christine Bachmann – 31. Oktober 2017
Er ist ein Abendmensch und Barkeeper aus Passion: ein Gespräch mit Ivan Urech in der Atelier Classic Bar in Thun inklusive Drink.

«… die Reise endet in einer freistehenden Badewanne», so schön schräg poetisch beschreibt Barkeeper Ivan Urech von der Atelier Classic Bar in Thun seinen Drink Kazumi, den er gerade kunstvoll mixt und in einer Reisschale präsentiert. Speziell! «Ja, wir servieren unsere Drinks auch in Totenköpfen, Teetassen, Glühbirnen… und natürlich auch in Gläsern», er schmunzelt und fügt an: «Das Auge trinkt mit, und Köche haben ja auch nicht nur runde Teller, oder?» Zudem wolle er seine Gäste verzaubern und ihnen eine Geschichte erzählen. Als Sohn eines Kochs am Thunersee aufgewachsen, war Ivan seit jeher mit dem Gastgewerbe vertraut. So kam es dann auch, dass er sich mit 16 Jahren für die Lehre zum Restaurationsfachmann entschied. «Absolviert habe ich sie aus saisonalen Gründen in zwei Betrieben: Im Sommer war ich im Parkhotel Gunten und im Winter im Waldhotel Doldenhorn in Kandersteg.» Das sei extrem lehrreich gewesen, weil er den stressigen See-Terrassen-Betrieb genauso kennengelernt habe wie den auf klassischen Service ausgerichteten Gourmet-Betrieb. Aber schon während der Lehre habe er gemerkt, dass er nicht so der Morgenmensch ist. «Der Portier vom Doldenhorn hat mich ab und an am Morgen mit dem Hotelbus aus dem Schlaf gehupt, und dann wusste wieder das ganze Haus: Der Ivan hat verschlafen», er lacht. «Dass ich am Abend produktiver bin als am Morgen, bestätigte sich dann später auch im Hotel Seepark in Thun.» Aus diesem Grund sei auch er und niemand anderer im Seepark angefragt worden, als es darum ging, kurzfristig die Bar zu übernehmen, weil sich die Bardame die Hand gebrochen hatte. «Rückblickend war das der Sprung ins kalte Wasser, denn ich hatte keinen Plan vom Barwesen.» Folglich habe er sich dann autodidaktisch mithilfe von Büchern weitergebildet, um wenigstens ein Grundgerüst zu haben. «Da habe ich gemerkt, das passt mir, und hier möchte ich mich weiterbilden.»

«Köche haben ja auch nicht nur runde Teller, oder?»
So kam Ivan an die Bar ins Victoria-Jungfrau nach Interlaken, um bei Thomas Hänni zu lernen. «Nach zwei Jahren dachte ich, ich kann es nun.» Falsch gedacht, wie er mit 23 Jahren bei einem Aufenthalt in Hawaii bemerkte, «ich kann es überhaupt nicht.» Denn die amerikanische Barkultur sei damals viel weiter gewesen als die schweizerische. Insbesondere alte Klassiker wie Manhatten oder Old Fashioned seien damals in der Schweiz kein Thema gewesen, «und ein Gin Tonic war, böse gesagt, ein einfacher Gin mit einem einfachen Tonic». Zurück in der Schweiz absolvierte Ivan Urech von 2004 bis 2007 noch die Hotelfachschule Thun: «Ich dachte, mit 40 willst du vielleicht nicht mehr Kellnern oder hinter der Bar stehen und da ist es gut, wenn du noch eine andere Grundlage hast.» Trotz Schule wurde aber kein Hotelier aus Ivan, «mich zog es in einen Club», er schmunzelt. «Das war super, denn ich konnte in den Ausgang und habe erst noch daran verdient, was willst du mehr.» Die Zeit im Club dauerte ein paar Jahre, bevor er sich 2011 zurückzog, «das Clubleben zehrt schon an einem», und sich für ein Jahr auf Weltreise begab.
«Die amerikanische Barkultur war damals viel weiter»
Wieder zurück führte er in Thun mit einem befreundeten Kollegenpärchen drei Jahre lang das Rössli Berntor, bevor etwas «ganz Tolles» passierte. Andy Wyss, Gastgeber in der Red Ox Bar in Thun, sowie Daniel Schär seien auf ihn zugekommen und hätten zu ihm gesagt: Wir würden ein Lokal in Thun übernehmen, wenn du uns den Geschäftsführer machst. «Ich habe die Chance gepackt und führe seit Oktober 2015 zusammen mit Dominik Gyger die Atelier Classic Bar. Mit sehr viel Empathie und Menschenkenntnis, das ist essenziell!» Seit sieben Jahren misst sich Ivan zudem auch an Wettbewerben mit anderen Berufskollegen. 2016 wurde er so Mocktail-Schweizermeister sowie Vizemeister beim Classic Cocktail. «Hier geht es nicht nur ums Gewinnen, sondern um viel mehr», erklärt er, weshalb ihn Wettbewerbe begeistern. «Es geht um den internationalen ­Austausch, Freundschaften, um Neues kennenzulernen, sich weiterzubilden.» ­Apropos: Ivan hat erst ­kürzlich auch noch die Spirituosen-Sommelier-Ausbildung absolviert.
«Ein Barkeeper braucht sehr viel ­Menschenkenntnis»
Blickt Ivan in die Zukunft, so weiss er noch nicht, ob er wie Kronenhalle-Bar-Ikone Peter Roth bis zur Pensionierung dem Beruf treu bleiben wird. «Aber was ich weiss ist: Momentan geniesse ich jeden Augenblick im Beruf!» Da bleibt nur zu sagen: A votre santé!