Hotellerie
Tourismus

Wo die Regenbogenflagge weht

Christine Bachmann – 06. April 2017
LGBT-Gäste: Es braucht keine Labels, aber eine Willkommenskultur.

Gay & Lesbian Travel ist nach wie vor ein wachstumsstarkes Segment in der internationalen Reisebranche – auch in der Schweiz (siehe Kasten). Das zeigen nicht nur spezifische Angebote für diese Zielgruppe, sondern auch das Interesse an derselben an Messen wie der ITB Berlin. Auch Schweiz Tourismus (ST) hat sich einst in Zusammenarbeit mit GayComfort dieser Zielgruppe angenommen. Via Schulung konnten sich Hotels als «gayfreundlich» klassifizieren lassen; 38 Betriebe machten mit (siehe GJ2011/49). Was als zukunftsweisendes Label für die ­Hotellerie begann, ist heute Geschichte, denn nach der Starthilfe von ST wollte niemand die Verantwortung sowie Finanzierung übernehmen. Den Grund nennt ST-Medien­sprecher Markus Berger: «Wir ­haben 2011 in Zusammenarbeit mit der Agentur OutNow interessierten Hotels ein Trainingsprogramm vorgeschlagen und dafür eine Initial-­Investition gemacht. Es war aber von Anfang an klar, dass diese finan­zielle Unterstützung eine einmalige Anschubfinanzierung ist. Danach sollte es der Anbieterin und den Hotels überlassen bleiben, ob sie diese Zertifizierung als wichtig und nachhaltig erachten.» Was die meisten offenbar nicht taten… Weiter hält Berger fest, dass ST die LGBT-Gäste (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender) zudem heute nicht mehr als ein spezielles Segment ansehen würden. «Seit einigen Jahren verfolgen wir eine konsequente Segmentierungsstrategie und sprechen die Gäste aufgrund ihrer Präferenzen im Urlaub an.» Auch LGBT-Gäste würden daher primär als «Nature Lovers» oder «Attraction Tourers» et cetera angesprochen. Aufgrund dieser Strategie brauche es kein neues Label für «gayfreundliche» Betriebe oder Destinationen. Zudem seien die Schweizer Hoteliers gegenüber dieser Zielgruppe grundsätzlich offen, tolerant und gastfreundlich. Ein spezifisches Label braucht es also nicht. Dennoch ist augenscheinlich, dass es die LGBT-Bewegung gerne an Orte zieht, die mit einem ­expliziten «Stempel» versehen sind. So existiert seit 2003 die internationale Hotelgruppe Axel Hotels, die ­ihren Grundstein in Barcelona legte und seither unter anderem in Cran Canaria sowie in Berlin weitere Betriebe eröffnet hat und erfolgreich agiert. Die explizite Ausrichtung auf diese Zielgruppe kann also durchaus funktionieren, wie auch das Beispiel Arosa zeigt (siehe Kasten). Aus diesem Grund bedauert es der Präsident der Gay Skiweek, Hitsch Leu, dass ST diese Community nicht mehr explizit anspricht. Denn gerade durch die Ausstrahlung, ein «gay-friendly» Ferienort zu sein, habe sich Arosa international etablieren können. «Das bringt uns nicht nur in der spezifischen Januarwoche, sondern auch das ganze Jahr über viele Folgebuchungen», betont Leu. Was schätzen Hoteliers an LGBT-­Gästen, beziehungsweise was muss ein Hotelier eigentlich tun, um als «gay-friendly» eingestuft zu werden? «LGBT-Gäste sind interessant, weil sie viel reisen, wiederkehren und zur Kategorie ‹double income – no kids› gehören», hält Gastgeber Jörg Matthes vom Hotel Seehof in Arosa fest, der sich an der Gay Skiweek als Partner beteiligt. Ebenfalls zu den langjährigen Partnern gehört das Hotel Vetter in Arosa. Gastgeberin Patricia Breede schätzt die Gay Week und ihre Auswirkungen aufs Jahr ebenfalls sehr. «Und das liegt nicht nur daran, dass wir Frauen uns während dieser Woche wie Königinnen fühlen», meint sie schmunzelnd. «Gay-friendly» bedeute indes für sie nichts Spezielles: «Wir benötigen für diese Woche einfach mehr von unseren Zusatz­angeboten. Ansonsten braucht es eventuell etwas mehr Zeit für das Check-in, Zeit zum Plaudern oder Zeit für ein offenes Ohr für Erlebtes, Anliegen oder Kummer.» Den «Pink-Market» als Zielgruppe interessant finden aber auch Hoteliers ausserhalb von Arosa: beispielsweise Gastgeber Stefan Brunqvist vom Hotel Spannort in Engelberg. Seiner Meinung nach brauche es, um dieser Klientel einen angenehmen Aufenthalt zu bieten, vor allem Offenheit: «Keine unnötige Fragen beim Check-in wie beispielsweise ‹Sind Sie sicher, dass Sie nicht zwei Einzelbetten haben möchten?›.» Hier sei es wichtig, dass man als Hotelier so neutral wie möglich auftrete. «Und um das zu können, sei eine Schulung betreffend Dos und Don’ts grundsätzlich nicht schlecht, damit die Mitarbeitenden sowie das Management wissen, wie sie sich gegenüber dieser Zielgruppe korrekt verhalten sollen», findet Brunq­vist. Denn: «Knowledge is the key to success.»

Arosa – der «gay-friendly» Ferienort

Begonnen hat die Geschichte der «Arosa Gay Skiweek» im Jahr 2003 – damals noch im kleinen Rahmen. «Schweiz Tourismus wollte, mittels spezieller Initiative, die LGBT-Reisenden in die Schweiz holen und hat dafür nach Partnern gesucht. Arosa hat sich als Destination gemeldet – und das, obwohl es noch keine spezifischen Offerten für diese Zielgruppe gab», erinnert sich Hitsch Leu, Gründer und Präsident der Arosa Gay Skiweek. Sie hätten dann im kleinen Stil im Hotel Eden begonnen, Angebote aufzubereiten – «das Ganze ist dann kontinuierlich gewachsen und prosperiert heute». In Zahlen ausgedrückt, besuchten bis zu 600 LGBT-Gäste aus über 30 Nationen die Skiwoche im Januar. «Die meisten kommen aus der Schweiz und den umliegenden Ländern – zwei Personen hatten wir dieses Jahr gar aus Saudi-Arabien.» Im Vordergrund der Skiwoche stehe der Sport. «LGBT-Gäste sind sehr sportlich und wirklich auf der Piste unterwegs», betont Leu. Geboten würden den Gästen dann auch täglich Ski- und Snowboardtouren sowie diverse andere Veranstaltungen. «Müsste ich eine Bilanz ziehen, so kann ich heute sagen, dass sich Arosa nach ersten Jahren der Vorbehalte als ‹gay-friend­ly› Ferienort etabliert hat und dass dieses offene Bekenntnis weltweit von der Community sehr geschätzt wird.»

de.arosa-gayskiweek.com