Weniger Stellplätze trotz Campingboom

Oliver Borner – 20. Juli 2023
Camping erfreut sich in der Schweiz seit der Coronapandemie grosser Beliebtheit. Gleichzeitig ist die Anzahl der Stellplätze über die letzten 15 Jahre zurückgegangen. Was diese Entwicklung für die Branche und für die Camperinnen und Camper bedeutet.

Die Schweiz ist ein Campingland, insbesondere seit der Coronapandemie. Während der hiesige Tourismus - allen voran die Hotellerie - unter den Einschränkungen der Pandemie litt, legte die Parahotellerie - gerade mit den Campingplätzen - stark zu. Die Zahl Logiernächte stieg schweizweit zwischen 2019 bis 2021 von knapp 3,8 auf 5,4 Millionen an. 2022 gingen die Logierzahlen zwar leicht zurück, lagen mit 4,8 Millionen aber noch immer deutlich über dem Wert von 2019. Auch für 2023 rechnet der Touringclub Schweiz (TCS), der schweizweit 25 Campingplätze betreibt, mit ähnlichen Zahlen. Bereits Ende Juni verzeichnete er gegenüber zur Vorjahresperiode ein Plus von 2 Prozent bei den Logiernächten, wie Oliver Grützner, Leiter Tourismus und Freizeit TCS, sagt. Corona hat die Beliebtheit des Campings also über die Pandemie hinaus beliebter gemacht.

Schere zwischen Angebot und Nachfrage

Umso erstaunlicher ist, dass das Angebot am Stellplätzen (Passanten- und Fixplätze) seit Jahren in fast allen Schweizer Tourismusregionen stagniert oder abnimmt. Gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) gab es 2008, im ersten Jahr der Erfassung der Stellplätze nach Tourismusregion, in der Region Graubünden beispielsweise 5 288 Stellplätze. Heute sind noch 5 016. Einzig in der Region Aargau hat das Angebot seit 2008 zugenommen. Statt 959 (2008) verfügt die Tourismusregion 2022 über 1 333 Stellplätze.

Gesamtschweizerisch sank die Zahl der Stellplätze hingegen von 57 033 (2008) auf 53 031 (2022), was einem Rückgang von sieben Prozent entspricht. Gleichzeitig stieg die Zahl der Übernachtungen seit 2008 von 3,4 auf 4,8 im Jahr 2022 zu - ein Plus von 43 Prozent. Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage ging in den letzten 15 Jahren konstant auseinander.

 

TCS Oliver Gruetzner

Oliver Grützner ist Leiter Tourismus und Freizeit (Camping) beim TCS. (Bild: TCS)

Willen, Auflagen und Hindernisse

Die Gründe dafür werden mit einem Blick in die Statistik sichtbar. Die Zahl der Campingplätze sank seit 2008 von 425 auf 398 (2022). Im Zusammenspiel mit den sinkenden Stellplatzzahlen lässt sich darauf schliessen, dass einerseits wenige oder kaum neue Campingplätze gebaut, und andererseits viele bestehende Anlagen geschlossen werden. Jüngste Beispiele sind die Campinganlage in Auslikon ZH, welche zum besseren Schutz der Natur am Pfäffikersee dieses Jahr schliessen muss, und der Campingplatz Fanel am Neuenburgersee bei Gampelen BE. Dieser wurde von der Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission als umweltrechtswidrig beurteilt und muss Ende 2024 seinen Betrieb einstellen.

Für die Camperinnen und Camper bedeutet das in erster Linie: früh buchen. Wer im Sommer über das Wochenende spontan ohne Reservierung in den Campingurlaub fährt, läuft Gefahr, keinen Stellplatz zu erhalten oder vor dem Campingplatz auf einen Stellplatz zu warten. Wozu das führt, zeigte sich in den vergangenen Jahren in mehreren Kantonen. Wildcamping nahm zu und führte zu Problemen. So wurde auch in Naturschutzgebieten gecampt, was in der Schweiz verboten ist. Einzelne Gemeinden haben daher bereits Massnahmen ergriffen. Die Bündner Regierung genehmigte beispielsweise Anfang Jahr die Erweiterung des Campingplatzes Gravas in Lenzerheide GR. In Davos GR wurden zudem weitere temporäre Stellplätze geschaffen und ein zweiter Campingplatz ist in Planung.

Der Bau solcher Anlagen ist in der Schweiz aber alles andere als einfach. Den Betreibern stellen sich vor allem raumplanerische Probleme in den Weg. «Primär ist es sehr schwierig, genügend grosse Flächen an optimalen Standorten zu entwickeln. Viele Auflagen, beispielsweise in der Raumplanung oder im Naturschutz, verzögern und/oder verhindern neue Campingplätze in der kleinräumigen Schweiz», sagt Oliver Grützner vom TCS. Diese Auflagen würden immer strenger und machten ein Ausbau der Campinginfrastruktur in der Schweiz noch schwieriger. Zudem gäben viele Gemeinden und Kantone Campingplätze auf Grund von «übergeordneter Interessen», wie beispielsweise dem Bau von Sportanlagen, mehr Erholungsraum oder Naturschutz, auf. Trotz all dieser Widrigkeiten bemühe sich der TCS darum, in Zukunft neue Stellplätze zu realisieren. «Es gibt neue Projekte und Standorte, die wir verfolgen und in den nächsten Jahren eröffnen werden», so Grützner.

Alternativen können helfen

Im Zuge dieser Schwierigkeiten kommen alternative Angebote den Campingbetreibern entgegen. Beispiele dafür sind die Onlineplattformen Nomady oder VomHof, auf welchen Übernachtungen auf privaten Stellplätzen, Bauerhöfen oder Tiny Houses gebucht werden können. Diese Angebote stossen bei den Camperinnen und Camper auf grosse Nachfrage. «Nomady und private Stellplätze (etwa auf dem Bauernhof) sind eine ideale Ergänzung zu den Campingplätzen, wenn Sie den raumplanerischen und betrieblichen Standards entsprechen», so Grützner. Allerdings würden auch diese Angebote die steigende Nachfrage im Campingbereich nicht vollständig auffangen können. Trotzdem: «Wir sind froh, wenn das Campingland Schweiz durch solche Angebote für Camper attraktiv bleibt.» Dennoch werde man nicht um die Erweiterung des Angebots herumkommen, sollte der Campingboom weiterhin anhalten.