Tourismus

Weil Werte Werbung werden

Peter Grunder – 04. April 2018
Die Schweiz hat international insgesamt ein ­tolles Image – aber mit Werbung hat das praktisch nichts zu tun: Werte gehen immer vor, und ihre Wahrnehmung ist mit Blick auf Länder äusserst stabil. Insofern bringt es wenig, breite Imagewerbung für etwas zu machen, das nicht ohnehin positiv besetzt ist. Was in digitalen Zeiten nicht gegen Image- und Produktewerbung spricht, die auf geneigte Zielgruppen fokussiert ist.

«Staat zu machen», ist eine eigenartige Redensart. Sie taucht im 16. Jahrhundert auf und bezieht sich zuerst auf Stände und ihre Kleidung – und wer im Sonntagsstaat daherkommt, ist noch heute gut angezogen. Ganz ­generell ist mit der Redensart mithin eine ansprechende Erscheinung und entsprechender Gehalt verbunden. Die Redensart verdeutlicht eine tiefe Wahrheit: Der schöne Schein von Werbung wirkt nur, wenn er mit Gehalt ­verbunden ist. Zwar geistert noch immer das Bonmot ­eines Werbers herum, er könne aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat machen. Aber daraus zu schliessen, Gehalt könne vorgespiegelt werden, ist ein Missverständnis: Der besagte Werber hat mit dem Spruch nicht zuletzt Werbung für sich gemacht, und Politik heisst in weiten Teilen, Einzel­interessen als gemeinnützig zu bewerben. Die Daten sind deutlich: Werbung funktioniert desto besser, je näher sie an einer selbstkritisch wahrgenommenen Wirklichkeit ist. Beispiele dafür sind die Bewertungsportale, die nachhaltige Fehlleistungen auf Dauer entlarven. Beispiele sind aber auch Staaten und ihr Image. Hier ist die Bewertungsplattform der «Nation Brand ­Index». Mit jährlich über 300 Millionen Daten untersucht er in 50 Ländern, wer Staat macht auf der Welt. Mit Blick auf die Schweiz liegen folgende Fakten auf dem Tisch: In den Augen des Auslands ist die Schweiz Weltklasse in Sachen Regierungsform, sozialer Gerechtigkeit, ­Lebensqualität, Investitionsklima und Landschaft. Darüber herrscht in den verschiedenen Ländern insgesamt grosse Einigkeit. In einem Punkt gilt sie aber sinnigerweise nicht: Unsere Nachbarländer haben einen kritischen Blick auf die Naturschönheiten der Schweiz (siehe unten). Biederer Durchschnitt ist die Schweiz hinsichtlich ihres kulturellen Erbes und ihres kulturellen Lebens. Hier wiederum sind sich die verschiedenen Länder in ihrem kritischen Blick auf die Schweiz einig (siehe unten) Aus diesen Daten nun zu schliessen, die «Art» in Basel oder das Schloss Chillon seien nicht zu bewerben, wäre ein Trugschluss: Wenn der ­Fokus nämlich enger wird Welt, wenn wir bestimmte Gebiete oder bestimmte Gruppen ins Visier nehmen, finden wir Interesse für Dinge, in denen die Schweiz insgesamt nicht herausragend ist. Imagewerbung jedoch, die breit gestreut und nicht zielgruppengerecht fokussiert ist, sollte die Schweiz nur dort machen, wo sie als Weltklasse wahrgenommen wird. Denn die Daten zeigen auch, dass es praktisch unmöglich ist, ein Image entscheidend zu verändern: Italien oder Frankreich werden weltweit schlicht als kulturell reicher wahrgenommen denn die Schweiz – und wenn wir selbstkritisch genug sind, werden wir das auch neidlos anerkennen. Überaus heikel ist es auch, auf zurzeit populäre «Geschichten» zu setzen, die es laut Werbern zu erzählen gelte: Zum einen ist die Forderung getrieben von neuen Technologien, die in solchen Geschichten funktionieren und von Werbern gern verkauft werden. Dies betrifft besonders soziale Medien, dahinter steckt indes das allgegenwärtig gewordene Audiovisuelle. Zum anderen ist Gehalt gerade im Touristischen aber ohnehin immer mit guten Geschichten verbunden: Hallers «Alpen» war ein Gedicht, Twain, Goethe oder Byron wirkten als touristische Geschichtenerzähler. Gute Geschichten zu erzählen weiss aber auch jede Gastgeberin und jeder Koch – wenn sie erzählen, was sie lieben, wirkt das mehr als Werbung: Es wird zum Wert. Naturschönheiten In gut 20 Bereichen sortiert der «Nation Brand Index» das Image von Staaten. Im Bereich «Naturschönheiten» fällt auf, wie gering die Nachbarstaaten die Schweiz im Vergleich zu weit entfernten Ländern schätzen. Nachfolgend die Ränge, auf welche wichtige Tourismusmärkte die Schweizhinsichtlich von Naturschönheiten zuletzt gesetzt haben:

  • Deutschland > 9.
  • Frankreich > 19.
  • Italien > 20.
  • Grossbritannien > 6.
  • USA > 2.
  • China > 4.
  • Indien > 2.
  • Japan > 3.
  • Südkorea > 1.
Lebensqualität Der «Nation Brand Index» sieht die Kategorien «Exporte», «Governance», «Kultur», «Bevölkerung», «Tourismus» und «Immigration-Investment» vor. Teil von Letzterem ist «Lebensqualität», die Schweiz steht sehr gut da:
  • Deutschland >1.
  • Frankreich > 2.
  • Italien > 1.
  • Grossbritannien > 5.
  • USA > 3.
  • China > 1.
  • Indien > 1.
  • Japan > 4.
  • Südkorea > 2
Kultur «Kultur» ist eine der Kategorien des «Nation Brand Index». Sie haben jeweils weitere ­Unterteilungen, kulturell sind es «Sport», «Kulturerbe» und «zeitgenössische Kultur». ­Insgesamt gibt die Schweiz ­kulturell wenig her:
  • Deutschland >14.
  • Frankreich > 20.
  • Italien > 23.
  • Grossbritannien > 23.
  • USA > 13.
  • China > 20.
  • Indien > 21.
  • Japan > 15.
  • Südkorea > 16.