«Ohne Mobilität gibt es keinen Tourismus!»

Oliver Borner – 24. November 2023
Die Tourismusbranche traf sich am Mittwoch zum jährlichen Tourismus Forum Schweiz des Secos. In diesem Jahr drehte sich alles um die touristische Mobilität in der Schweiz.

«Endlich sind wir wieder Mal in Luzern!», begrüsst Eric Jakob, Leiter der Direktion für Standortförderung beim Wirtschaftssekretariat für Wirtschaf Seco, die Touristikerinnen und Touristiker im Verkehrshaus Luzern. Das Seco lädt am Mittwoch zum jährlichen Tourismus Forum Schweiz (TFS) ein. Und die Vertreter der Tourismusbranche kommen, wie jedes Jahr, in grosser Zahl. Über 200 Vertreterinnen aus Wirtschaft, Tourismus, Hotellerie und Politik waren zugegen.

Im Fokus des diesjährigen Forums steht - passend zum verkehrstechnischen Rahmen des Veranstaltungsortes - die touristische Mobilität. «Ein grosses Thema für den Tourismus in der Schweiz», sagt Jakob bei seiner Begrüssung. Nicht nur in Sachen Wertschöpfung, sondern vor allem in der aktuellen Debatte der Nachhaltigkeit im Tourismus spiele die Mobilität eine entscheidende Rolle.

Dies hebt auch Richard Kämpf, Leiter Tourismuspolitik beim Seco, beim ersten Keynote des Tages hervor. «Ohne Mobilität gibt es keinen Tourismus», sagt Kämpf und belegt diese Aussage mit Zahlen. So wird knapp ein Viertel (23 Prozent) der Wertschöpfung des Tourismus in der Schweiz durch den Verkehr generiert. Der Tourismusverkehr macht insgesamt 25 Prozent des gesamten Verkehrs in der Schweiz aus. Ein nicht zu unterschätzender Faktor also.

Gleichzeitig misst Kämpf der Mobilität in Bezug auf die Entwicklung des Tourismus eine entscheidende Rolle bei. «Mobilität ist einerseits ein touristisches Erlebnis, welches auf der Seite des Angebots viele Chancen für die Anbieter offenbart.» Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Panoramazüge in den Schweizer Alpen, welche neben der Reise von A nach B vor allem das Erlebnis der Reise an sich ins Zentrum stellen.

Andererseits könne Mobilität als Profilaxe oder gar Lösung von Overtourism an starkfrequentierten Orten fungieren. «Durch die Mobilität wird es möglich, Besucherströme zu lenken und besser zu verteilen. Das ist ein Vorteil für Anbieter, Gäste und Einheimische».

Ein zentraler Punkt des Forums offenbart sich bei der ersten Diskussionsrunde des Tages: Offiziell ist der touristische Verkehr in der Schweiz noch nicht definiert. Das soll sich in absehbarer Zeit ändern. 2021 reichte der Urner Ständerat Joseph Dittli ein Postulat zur Erfassung des touristischen Verkehrs ein. Darin fordert er den Bundesrat auf, zusammen mit der Wissenschaft und Praxis eine Definition für den touristischen Verkehr zu erarbeiten und diesen in Zukunft systematisch zu erfassen.

Als Grund führt Dittli die unterschätzte Bedeutung des touristischen Verkehrs in der Schweiz und die Notwendigkeit, mehr Touristinnen und Touristen auf den öV zu bringen, ins Feld. Das Postulat wurde 2022 angenommen und soll 2024 weiterbearbeitet werden. 

«Der öV hat noch grosses Potential»

Im Zusammenhang mit touristischer Mobilität spielen die SBB eine grosse Rolle. Laut Bundesamt für Raumentwicklung ARE entfallen 44 Prozent der täglich zurückgelegten Kilometer auf den Freizeitverkehr, davon über ein Drittel im öffentlichen Verkehr (öV). Ein Grossteil davon wird über die SBB abgewickelt.

Dennoch habe der öV gerade bei der touristischen Mobilität noch viel Luft nach oben, sagt Véronique Stephan, Leiterin Markt Personenverkehr der SBB. «Heute entfallen lediglich 24 Prozent der touristischen Verkehrsleistung auf den öV. Beim motorisierten Individualverkehr sind es 74 Prozent.» Gerade mit Blick auf die nachhaltige Entwicklung des Tourismus müsse dieser Anteil langfristig gesteigert werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sieht Stephan die SBB als Teil der Lösung. Dazu gehört unter anderem die Ausweitung des Angebots bei den Bundesbahnen, sowohl im regionalen als auch im internationalen Verkehr. «In den Regionen wollen wir vermehrt auf neue, saisonale Direktverbindungen setzen, damit es für Touristinnen und Touristen attraktiver wird, den Zug als Verkehrsmittel zu nutzen», sagt Stephan.

Ein entscheidender Punkt sei dabei die erste und letzte Meile, also die ersten und letzten Kilometer der Reisenden zur Destination. Dafür brauche es in Zukunft ein verbessertes Angebot, denn gerade die umständliche Bewältigung dieser ersten und letzten Kilometer hielte viele davon ab, ihre Reise mit dem öV anzutreten.

«Es braucht eine Steigerung der Convenience, zum Beispiel mit Car Sharing angeboten oder verbessertem Gepäcktransport, um die Reisenden vermehrt mit dem öV ans Ziel zu bringen», sagt Nicolò Paganini, Präsident des Schweizer Tourismus-Verbands STV. Dem pflichtet Stephan bei und sagt, man habe den Gepäcktransport bereits verbessert. Man sei bemüht, mit neuem Rollmaterial auch den Veloverlad zu verbessern.

Im internationalen Verkehr rechnen die SBB mit einer Verdoppelung der Nachfrage bis 2050. «Eine Ausweitung des Angebots ist daher - in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn - unabdingbar», so Stephan. Geplant seien unter anderem Verbindungen nach London, Barcelona oder Neapel. Ab 2025 wollen die SBB in den Nachtzügen zudem mit einem neuen Konzept den Reisenden mehr Komfort bieten.

Zusammenarbeit fördern

Neben den Panels und Diskussionsrunden am Vormittag besuchen die Teilnehmenden am Nachmittag mehrere Workshops mit Fokus auf die touristische Mobilität. Dabei wird vor allem eines deutlich: Es braucht mehr Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Playern.

Deutlich wird dies beispielsweise bei der letzten und ersten Meile oder bei der Steuerung von Gästeflüssen. Hier sind die Gemeinden im Lead, die Mobilität vor Ort zu planen. In erster Linie geht es darum, Lösungen gegen Mobilität-Peaks zu finden. Der Stadt Luzern gelingt dies mit Hilfe von digitalen Instrumenten die Car- und Besucherfrequenzen besser zu messen.

Die Ferienregion Andermatt UR bedient sich eines integrierten Mobilitätskonzeptes. On-demand Angebote, Car- und Bikesharing sowie Ridesharing – alles auf einer digitalen Plattform zusammengefasst – helfen, den Individualverkehr in der Region zu verringern. Der Tenor ist klar: Es braucht alle Akteure, um die Zukunft der touristischen Mobilität zu gestalten.