Tourismus

Hanspeter Wenger, Bergbahnen Meiringen Hasliberg

Peter Grunder – 07. Dezember 2017
2012 hat Hanspeter Wenger die Bergbahnen Meiringen-Hasliberg aus einer Nachlassstundung heraus übernommen. ­Seither erwirtschaftete das Unternehmen jährlich mindestens 3,5 Millionen Franken Cash-Flow, investierte insgesamt rund 38 Millionen Franken und muss frühestens 2041 neue Bahnen bauen.

Hanspeter Wenger ist in Innertkirchen am Fuss der Alpenpässe Susten und Grimsel aufgewachsen, lernte vor Ort Schlosser und eröffnete in den 1970er Jahren eine kleine Garage. Daraus wuchs mit den Jahrzehnten eine beachtliche KMU mit Sitz in Interlaken. 2012 übernahm Wenger, verheiratet mit Andrea Kernen, Schwester von Bruno Kernen aus Schönried, die maroden Meiringen-Hasliberg-Bahnen. Als Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung hat er sich seither trotz schwieriger Winter hervorragend etabliert. GastroJournal: Herr Wenger, inwiefern hat die Aufgabe, die sich mit der Übernahme der Meiringen-Hasliberg-Bahnen ergeben hat, Ihren Vorstellungen entsprochen, und inwiefern nicht?
Hanspeter Wenger:
Mir war bewusst, was auf mich zukommt: Dass dies eine riesige Herausforderung ist mit bis zu 120 Mitarbeitenden im Sommer und bis zu 230 im Winter. Was mir nicht bewusst war: dass es so extrem wetterabhängig ist.

"Dass es so extrem wetterabhängig ist, war mir nicht bewusst"
Was waren Ihre Erwartungen?
Hanspeter Wenger:
Die grösste Erwartung hatte ich an mich selbst, nämlich die Herausforderung zu meistern, das Unternehmen finanziell wieder auf Vordermann zu bringen. Inzwischen darf ich sagen, dass wir das mit einem tollen Team fertiggebracht haben. Trotz vielfach schwieriger Witterungs- und Rahmenbedingungen konnten wir jedes Jahr mindestens 3,5 Millionen Franken Cash-Flow erwirtschaften und in diesen fünf­einhalb Jahren rund 38 Millionen Franken investieren. In einer Zeit, wo viele Bergbahnen leiden, sind unsere Anlagen in einem Topzustand – so müssen wir frühestens 2041 eine neue Bahn bauen. Worauf kommt es an, damit ein Bergbahnunternehmen erfolgreich ist?
Hanspeter Wenger:
Freundlichkeit, Herzblut, Leidenschaft. Der Gast muss König sein, und zwar nicht nur in den Bahnen und auf den Pisten, sondern zunehmend auch in den Restaurants, an den Bars und auf den Terrassen. Die Gastronomie wird immer wichtiger: Unser Gast ist im Schnitt 52 Jahre alt, verbringt pro Tag höchstens drei Stunden auf der Piste, aber sieben Stunden im Gebiet. Warum haben wir so Mühe, wo es doch grundsätzlich einfach ist?
Hanspeter Wenger:
Einerseits bräuchten wir gerade in der Gastronomie weniger Hochschulbildung und mehr praktische Freude daran, dem Gast einen Dienst zu erweisen, wie man ihn selber gerne hat. Andererseits herrscht oft zu wenig Unternehmer geist, was vor allem dann Probleme schafft, wenn man die Personal kosten nicht unter Kontrolle hat. Nimmt man noch die teilweise weltfremden gesetzlichen Rahmen bedingungen hinzu, die sowohl für Bergbahnen wie auch für Gastronomiebetriebe fast nicht umzusetzen sind, verwundert es nicht, dass viele in Schwierigkeiten stecken – und dass die besten Betriebe oft Familienbetriebe sind, die flexibel sind und ihre Stunden nicht zählen.
"Die Gastronomie wird immer wichtiger"
Ein Grossteil der grösseren Bergbahnunternehmen funktioniert traditionell nur dank sporadischen Abschreibern und Kapitalzuflüssen sowie öffentlicher Unterstützung. Muss das so sein?
Hanspeter Wenger:
Wenn die äusseren Umstände während mehrerer Jahre schlecht sind, kann es die öffentliche Hand brauchen. Aber in der Regel muss auch bei den Bergbahnen jedes Unternehmen langfristig selbsttragend sein. Entscheidend dafür sind neben der Kostenkontrolle und dem Engagement, dass man als Unternehmer den Überblick hat, im Betrieb mitmacht, auf eine schlanke Führung achtet und keine unnötigen Arbeitsstunden produziert. Wenn das Unternehmen grösser ist, braucht es gute Leute, denen man Vertrauen schenkt, Aufgaben gibt und Kontrollpunkte setzt. Eine Begründung für die schlechte Lage der Bergbahnen ist, dass der klassische Wintersport etwa aus demografischen und klimatischen Gründen ein Auslaufmodell ist. Was meinen Sie?
Hanspeter Wenger:
Zum leidenschaftlichen Skifahrer oder Snowboarder gibt es keine Alternative, und wenn ich die Situation bei uns anschaue, sehe ich viele junge, begeisterte Leute. Was nicht heisst, dass wir die Hände in den Schoss legen können, ganz im Gegenteil. Wir sorgen im ganzen Hasli tal, aber auch in Brienz, in Lungern und ab diesem Winter auch in Giswil dafür, dass alle Kinder auf die Piste kommen: Wir schenken jedem einen Pistentag, sorgen dabei für Material, Transport, Verpflegung und Betreuung durch Schneesportlehrer – und das kommt an.
"Wir müssen zum europäischen Gast besonders Sorge tragen"
Nicht alle sind in ihrer Region so stark verwurzelt und haben solch schöne Pisten. Manchen fehlen zum Beispiel die Deutschen, und anderen fehlt einfach der Schnee, weil sie zu tief gelegen sind oder sich keine Beschneiung leisten können.
Hanspeter Wenger:
Es sind immer mehrere Gründe, die zu Problemen führen, und einer davon ist, sich auf bestimmte Märkte zu verlassen. Natürlich ist der Eurokurs mitentscheidend, natürlich können Gäste aus fernen Ländern interessant sein. Aber ich bin überzeugt, dass wir zum europäischen Gast besonders Sorge tragen müssen. Und ebenfalls Sorge tragen müssen wir zu den kleinen, oft tiefgelegenen Skigebieten. Diese Gebiete dürfen nicht kaputtgehen, denn dort lernen die Kinder, die später zu uns kommen, Ski fahren. Deshalb unterstützen wir als Bergbahn auch eine ganze Reihe solcher Skigebiete. Bei Ihnen ist die naheliegende Verbindung nach Melchsee Frutt und Engelberg blockiert, und auch die Jungfraubahnen haben mit einem guten Projekt Mühe. Im Gegensatz dazu haben Kantone wie Freiburg, die Waadt oder das Tessin ihre Bahnen praktisch verstaatlicht. Wie sehen Sie die Rolle des Staates mit Blick auf die Bergbahnen?
Hanspeter Wenger:
Es ist ein Fehler, Unternehmen zu verstaatlichen, weil das unternehmerische Interesse dann wegfällt. Gleichzeitig ist es manchmal wichtig, dass der Staat etwas unterstützt. Der Schlüssel ist, dass die Politik in der jeweiligen Region verankert ist und die Bedürfnisse kennt, aber auch die Grenzen. Der Staat soll für gute Rahmenbedingungen sorgen, unternehmerisch aber draussen bleiben.
"Es ist ein Fehler, Unternehmen zu verstaatlichen"
Eine letzte Frage an Sie als Freund des Skirennsports und des Sports allgemein. Wie stehen Sie zu Olympischen Winterspielen in der Schweiz?
Hanspeter Wenger:
Wir haben hier am Hasliberg ein Skirennsportzentrum aufgebaut, welches enorm Freude macht. Insofern bin ich ein grosser Befürworter von Olympischen Winterspielen, wenn sie in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Wenn aber Milliarden unnötig für einen VIP-Anlass verschleudert werden, bin ich ein grosser Gegner.
Meiringen-Hasliberg
Die Bergbahnen Meiringen-Hasliberg AG gehören zu den «mittleren» Schweizer Bergbahnunternehmen: mittlere Höhe, mittlere Grösse, ­mittlere Erreichbarkeit. Im Winter ­erschliessen 13 Anlagen rund 60 Kilometer Pisten, Rennsport ist dabei ein Schwerpunkt. Im Sommer ist der Hasli berg ein bewirtschaftetes Wander­gebiet, 6 Restaurants und das Hotel Reuti bilden einen umfassenden ­gastgewerblichen Rahmen. Die Jahres­frequenzen erreichten 2016 knapp 500 000 Fahrten, als Umsatz resultierten 13 Millionen Franken – gut 11 Millionen war Verkehrsertrag, knapp 2 Millionen Nebenertrag. 3 Millionen Franken schauten als Cash-flow heraus, knapp 16 Franken Ertrag kamen pro Gast im Sommer, knapp 28 Franken im Winter.