Eine Thurgauer Connection mischt Hotellerie und Gastronomie von Kroatien auf

Reto E. Wild – 28. Oktober 2021
Der Thurgauer Spitzenhotelier Peter Schoch ist der Big Shot auf der kroatischen Trauminsel Lošinj. Mit seinem Küchenchef Michael Gollenz strebt er 2022 einen ­zweiten Michelinstern an – auch dank der Hilfe von Christian Kuchler. Der Gastro­report aus der Genussregion Kvarner.
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Peter Schoch auf der Terrasse des Hotels Bellevue oberhalb der Bucht von Čikat: «2021 hatten wir in unseren Hotels einen Rekordsommer.»

Peter Schoch (64), bekannt als erfolgreicher Ritz-Carlton-Manager sowie Mitbegründer und ehemaliger Verwaltungsrat der Hotelgruppe Capella, ist seit Januar 2020 CEO und Verwaltungsratmitglied der Jadranka-Gruppe. Das führende kroatische Hotel- und Handelsunternehmen setzt jährlich über 80 Millionen Franken um, hat 800 Angestellte (während der Sommersaison 50 Prozent mehr) und besitzt 6 Vier- und Fünfsternehotels (mit den Flaggschiffen ­Alhambra und Bellevue auf der Adria­insel Lošinj), mehrere Villen zum Vermieten und 4 Campingplätze. Seit 2014 investierte Jadranka rund 220 Millionen Franken in die Hotelinfrastruktur von Lošinj Hotels & Villas. Das Design des Boutiquehotels Alhambra, Mitglied der Small Luxury Hotels of the World und Virtuoso, stammt vom österreichischen Architekten Alfred Keller, einer Wiener Koryphäe aus dem vorletzten Jahrhundert – und Namensgeber des Gourmetrestaurants, wo der aufstrebende Küchenchef Michael Gollenz arbeitet (Interview dazu auf Seite 16).
Lošinj («Loschin» ausgesprochen), 350 Kilometer von Venedig und 100 Kilometer von der kroatischen Hafenstadt Rijeka entfernt, lockte schon im 19. Jahrhundert die königlich-kaiserliche Schickeria mit der paradiesischen Natur. Seither ist die schmale, langgezogene Insel mit angepflanzten Aleppo-Kieferwäldern, malerischen Buchten (die schönste heisst Čikat und befindet sich vor dem Alhambra) und türkisblauem Meer dank dem milden Klima und der gesunden Luft als Ferienresort bekannt. Wir treffen Schoch auf der Terrasse des Hotels Bellevue zum Interview.

Peter Schoch, welche Bilanz ziehen Sie für dieses Jahr?
Peter Schoch: 2021 hatten wir in unseren Hotels einen Rekordsommer und profitieren davon, dass über 60 Prozent der Gäste Stammkunden sind. Wer zum ersten Mal nach Lošinj reist und die Natur mit den vielen Küsten sieht, sagt «Wow»! Ich bin sehr optimistisch für nächstes Jahr.

Was erwarten Sie für 2022?
Die Hauptsaison von Anfang Juli bis Mitte September wird wieder sehr gut. Die Vorsaison wird sicher besser, weil die Kunden dieses Jahr zuerst unsicher waren, ob sie reisen können oder nicht. Wir werden zusätzlich ein paar Anlässe organisieren, um den Gästen Gründe zu geben, uns zu besuchen. Mir schweben ein super Gourmet-Event à la Bad Ragaz oder hochstehende Spa-Events vor. Essen, Trinken und Ferien passt ja immer gut zusammen …

Ist es nicht etwas verwegen, an so einem himmlischen und abgelegenen Ort Geld mit Luxushotels verdienen zu wollen?
Nein. Wir schreiben auch im Fünfsternesegment Gewinn und konnten unsere durchschnittlichen Zimmerpreise um 30 bis 40 Prozent gegenüber 2019 erhöhen. Das Bellevue hatte im August eine Auslastung von 80 Prozent, das Alhambra war oft ausgebucht. Viele Leute überlegen sich, ob sie in Zeiten wie diesen wirklich Überseeziele wie die Malediven bereisen wollen und entscheiden sich letztlich für eine Destination in der Nähe. Wir müssen in Zukunft ganz einfach vermehrt das kroatische Erlebnis vermitteln. Schauen Sie, als ich bei Ritz-Carlton angefangen habe, war es wichtig, eine Marke zu etablieren. Jedes Hotel hat gleich ausgesehen und hatte blaue Wassergläser, egal ob in San Francisco oder Mexiko. Damals besuchte der Gast auch nicht Mexiko, sondern das Ritz-Carlton. Heute haben sich die Wünsche der Kunden verändert. Sie suchen wieder das authentische.

Von wo kommen die Gäste?
Ein grosser Teil aus Deutschland, Österreich und dem Balkan. Das sind Märkte, die in Kroatien traditionell eine wichtige Rolle spielen. Wir haben auch sehr stark mit dem Schweizer Markt gearbeitet. Wir sehen eine schöne Steigerung. Die Schweizer in Kroatien schätzen das sehr gute Preis-Leistungs-Verhältnis.

Wie hat sich der Tourismus in der Region Kvarner, zu der Lošinj gehört, generell entwickelt?
Wir haben mehr internationale Gäste, weil das Fliegen im Zeitalter von Corona so kompliziert geworden ist. Diese suchen nun lieber etwas in der Nähe und reisen mit dem Auto an. Im Juli/August werden die Ferienorte fast automatisch voll. Für die Zwischensaisons müssen wir eine Nachfrage kreieren. Die Frage ist, wie.

Und Ihre Antwort?
Wir haben in unserem Vitality Hotel Puna in der Nähe von Veli Lošinj 12 Tennisplätze. Der ehemalige Tennisspieler Ivan Ljubičić war bei uns in den Ferien. Wir haben mit ihm eine Partnerschaft vereinbart und werden nun mit unserer Tennis-Akademie das Hotel ganzjährig öffnen. Im Hotel Alhambra haben wir mit dem Alfred Keller ein Gourmetrestaurant. Ich fragte Sebastian Zier vom Einstein in St. Gallen, den ich vom Schlosshotel Velden kenne, wer das entwickeln könnte. Er empfahl mir seinen guten Branchenkollegen Christian Kuchler. An Weihnachten 2019 ging ich nach Hause in Landschlacht TG, besuchte Kuchler und besprach es mit ihm. Er reiste zu uns nach Lošinj, war sofort begeistert und half mit. Jetzt haben wir mit Michael Gollenz einen jungen Koch angestellt, und so wird das Restaurant zu einer Destination! Wenn wir nächstes Jahr zwei Michelinsterne erreichen, reisen die Gäste nicht mehr wegen unseren schönen Zimmern an. Dann sorgen wir mit unserem «Medical Spa», der gesunden Luft, die bei Asthma- und Lungenerkrankungen hilft, und dem Restaurant für das Reisemotiv. Auch hier überlegen wir uns, in Zukunft die Saison zu verlängern.

Wie kamen Sie eigentlich in Kontakt mit der Jadranka-Gruppe, Ihrem Arbeitgeber?
Per Zufall. 2015 kehrte ich nach meinen Engagements im Ausland wieder in die Schweiz zurück, wo ich sechs Monate auf dem Bürgenstock ausgeholfen und nachher das Waldhaus in Flims wiedereröffnet habe. Im Dezember 2019 erhielt ich einen Anruf, ob ich nicht eine Firma in Kroatien leiten möchte. Ich lernte den Besitzer der Jadranka kennen und wusste sofort, dass das auch menschlich funktioniert.

Was hatte dieser Besitzer für eine Erwartung in den Schweizer Hotelier?
Jadranka ist etabliert im nationalen Markt und in der Balkanregion. Von uns wurde erwartet, das Produkt noch besser zu machen und dafür zu sorgen, auch auf einem internationalen Niveau mithalten zu können.

Wie gingen Sie dabei vor?
Ich analysierte die Firma einen Monat lang, um mir ein Bild zu verschaffen, und stellte fest, dass Jadranka weder eine Arbeitsphilosophie noch eine Vision hatte, wie das Unternehmen arbeiten möchte. Ich wusste von Ritz-Carlton, wie wichtig das ist. Dafür werten unsere Besitzer zusätzlich die Infrastruktur mit Velo- und Spazierwegen in der Umgebung auf wollen nicht einfach eine Hotelgruppe im Abseits sein. Wir möchten zusammen mit den Inselbewohnern etwas erreichen. Da legen die Besitzer und ich grossen Wert drauf. Das Einzige, was hier fehlt, ist das Einkaufserlebnis. Aber wir wollen ja nicht Capri oder St. Tropez mit all den Luxusboutiquen werden.

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Michael Gollenz: «Bevor du Jakobsmuscheln in die Hand nimmst, musst du ein Gulasch kochen können.»

«Ich habe alle ­Produkte vor der Haustür»

Der Oberösterreicher Michael Gollenz (26) arbeitete die letzten fünf Jahre mit Stefan Heilemann als Chef de Partie in Zürich und erklimmt nun als Küchenchef in seinem Restaurant Alfred Keller des Boutiquehotels Alhambra auf Lošinj mit einem Michelinstern selbst die steile Karriereleiter.

Michael Gollenz, Gratulation zu Ihrem ersten Michelin-Stern. Was hat den Ausschlag gegeben?
Michael Gollenz: Bevor ich hier startete, habe ich 14 verschiedene Menüs geschrieben, bei denen ich sicher war, dass sie sich nicht wiederholen, etwa Fregola Sarda mit Scampi aus der Kvarner-Region, das inzwischen mein Spezialgericht ist. Dabei habe ich immer wieder überprüft, was ich noch besser machen kann, und das Beste aus den Produkten geholt. Ich habe mich von Anfang an die eher leichte Küche von der kroatischen Adriaküste gehalten. Ich wollte übrigens nach einer Lehre im Hotel Hubertus in Salzburg zum Hangar-7. Mein Vater sagte mir damals: «Bevor du Jakobsmuscheln in die Hand nimmst, musst du ein Gulasch kochen können.»

Wie sind Sie in Kroatien gestartet?
Als mich Christian Kuchler an Weihnachten anrief und ich nachher den Vertrag unterzeichnete, brach ich innerhalb von zwei Wochen meine Zelte in Zürich ab, fuhr mit dem Motorrad nach Oberösterreich und verkaufte dort alles. Ich war noch im Finale des Goldenen Kochs. Am 15. März 2021 bin ich dann mit meinem Vater nach Kroatien gefahren. Der Übergang von der Schweiz hierher war stressig, weil wir viel Arbeit in Zürich hatten und dann sofort auch in Kroatien.

Welche Produkte verwenden Sie aus der Region?
Fisch, Meeresfrüchte und die vielen Kräuter auf der Insel wie Meerfenchel, Eisenkraut, Salbei, Thymian, Rosmarin. Auf Lošinj gibt es aber auch wilde Minispargeln, kleine Pilze, Feigen, Pinienkerne, Zwetschgen und über 1000 Pflanzenarten. Viele Produkte haben wir in Zürich jeweils aus der Bretagne oder aus Portugal importieren lassen. Jetzt habe ich alles vor der Haustür. Unsere Mitarbeiter bieten Zitronen und Mandarinen an, die bei ihnen im Garten wachsen. Wir haben daraus Salzzitronen fermentiert.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Christian Kuchler in der Schweiz?
Er hat mir für die Abendmenüs freie Hand gelassen. Christian schaute über die 14 Menüs und gab seine Empfehlungen ab, so etwa, nicht zu viele thailändische Elemente zu verwenden.

Was haben Sie für Ziele 2022?
Die Vorgaben vom Management sind klar: Zwei Sterne sind auch mein Ziel. Im Winter habe ich nun Zeit, um neue Energien zu sammeln, das eine oder andere Restaurant zu besuchen, um dann im Frühling mit meinem sechsköpfigen Dinnerteam wieder Vollgas zu geben.

Welche Betriebe schauen Sie sich an?
Sicher im Widder bei meinem Lehrmeister und Mentor Stefan Heilemann, vielleicht im Cheval Blanc, im Hôtel de Ville Crissier oder bei Caminada. Aber auch in Kroatien möchte ich mich austauschen, etwa im Restaurant Nebo in Rijeka, bei Pelegrini in Šibenik oder bei 360 in Dubrovnik. Hoffentlich reicht die Zeit für Ana Roš in Slowenien. Ab Februar 2022 stehe ich wieder im Restaurant Alfred Keller.

Was gefällt Ihnen an der Adria?
Du gehst 10 Minuten zu Fuss und jede Bucht ist schöner als die andere. Es duftet nach Kräutern, ausser Ingwer wächst hier praktisch alles, was ich brauche. Selbst Wildschwein, Reh oder Top-Lamm gibt es. Das Wasser hier ist so sauber, der Fisch daraus perfekt. Da muss ich ihn nicht mit 100 Gewürzen zubereiten, sondern nur grillieren und etwas Zitrone und Salz dazugeben. So habe ich es am liebsten. Für mich ist die Säure der Limette enorm wichtig in der Küche. Ich verbrauche etwa 20 Kilogramm Zitronen pro Woche.

Was sind Ihre Tipps auf der Insel?
Der Ausblick von Provicenca oberhalb von Mali Lošinj ist am besten für ein Glas Wein mit perfektem Sonnenuntergang. Das Restaurant Mol in Veli Lošinj bietet 100 Prozent kroatische Küche mit Scampi, Fisch in Perfektion oder Hummer-Spaghetti, die du in Italien nicht so gut kriegst. Auch beim Restaurant Cigale, ein paar Fussminuten vom Hotel Bellevue entfernt, spürt man die Liebe für Top-Produkte. Es hat so viel Flair und schöne, lokale Malvasier auf der Weinkarte. Da magst du nachher nicht mehr aufstehen. Ich empfehle auch, 500 Euro in die Hand zu nehmen und einen Bootsausflug zur Insel Ilovic zu machen und dort in eine der unberührten Buchten ins Meer zu springen oder Delfine zu beobachten. Oder durch die Gassen von Mali Lošinj zu ziehen, den kleinen Fischmarkt zu besuchen und nachher einen Kaffee zu trinken. Es hört nie auf, wunderbar zu sein.

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Christian Kuchler: «Ich weiss, dass ‹Golli› zwei Sterne draufhat.»

Kuchler: Ambitioniert im Hintergrund

Text Benny Epstein

 Wie der Ostschweizer Zwei­sternekoch seinen Stellvertreter unterstützt und fördert.

«Ich glaube, das ist mir eine Nummer zu gross.» Christian Kuchler winkt ab, nachdem ihm Peter Schoch von seinen Plänen im kroatischen Lošinj erzählt hat. Ein Gourmetrestaurant aus der Ferne in den Guide Michelin zu steuern? Aus­gerechnet er, der mit einer Mini-Brigade in der Taverne zum Schäfli in Wigoltingen TG auf Zweisterneniveau kocht? Doch Schoch ist überzeugt, dass Kuchler der richtige Mann ist. Gerade eben weil dieser bodenständig denkt und natürlich weil sein Kochstil überzeugt. Kuchlers Frau Ramona ist es, die den Spitzenkoch dazu bringt, sich die Sache im vergangenen Winter genauer anzusehen.
Der passende Stellvertreter ist bald gefunden: Michael Gollenz, der seit Jahren unter Zweisternekoch Stefan Heilemann, einem engen Freund Kuchlers, in Zürich arbeitet. Der Start verläuft harzig. «Die meisten Mitarbeiter waren unsere Arbeitsmoral, unser Ehrgeiz nicht gewohnt», erinnert sich Kuchler. Die Folge sind zahlreiche Abgänge und Wechsel. «Michael arbeitet bis jetzt mit einem zu kleinen Team in einer ungenügend funktionalen Küche. Aber er besitzt viel Talent und ist fleissig.» Verstärkungen und ein Umbau sollen bis zum Start der Frühjahrssaison 2022 realisiert werden.
Ein Gourmetlokal auf Lošinj – Kuchler kennt das Erfolgsrezept: «Es gibt hier zahlreiche gute Restaurants. Mediterranen Beachfood, ein Grillrestaurant et cetera. Wir müssen uns abheben. Wer bei uns isst, will ein Fine-Dining-Erlebnis – woher die Zutaten stammen, ist für diesen Gast zweitrangig.»

Kuchler reist mehrmals nach Kroatien

Jeden zweiten Tag tauschen sich Kuchler und Gollenz aus, besprechen Gerichte, Rückmeldungen, Probleme bei der Führung der Mitarbeiter. Kuchler reist selbst mehrmals nach Kroatien, nimmt teils seine Familie mit, kombiniert die Arbeit mit Ferien. Die Events mit den Zweisterneköchen Kuchler, Heilemann (Widder, Zürich) und Sebastian Zier (Einstein, St. Gallen) sowie mit dem niederländischen Dreisternekoch Jacob Jan Boerma sind im Nu ausverkauft. Die Oberschicht Kroatiens und internationale Gäste sichern sich die begehrten Tickets.
Vom GaultMillau gibt es zum Start 13 Punkte. Bereits im ersten Jahr zeichnet der Guide Michelin das Restaurant mit einem Stern aus. Mit diesem rechneten Schoch, Kuchler und Gollenz erst 2022. Kuchler ehrgeizig: «Unser Ziel sind zwei Sterne. ‹Golli› hat das drauf. Wenn der Guide Michelin schon so schnell den ersten Stern zückt, bedeutet dies, dass sich die Tester sehr sicher sind und der zweite Stern in greifbarer Nähe ist.»

Steven Vunic WEB

Stiven und Tea Vunić in ihrer Konoba Zijavica, die sich rund 25 Minuten südlich von Opatija befindet.

Dobrodošli in der Region Kvarner

Die Kvarner-Bucht an der oberen Adria gehört zu den noch wenig bekannten Genussregionen dieser Welt mit vielen talentierten Köchen wie «Jeune Restaurateur» Stiven Vunić vom Restaurant Zijavica.

Vor 150 Jahren entstehen Pensionen, Villen, Sanatorien und eine zwölf Kilometer lange Starndpromenade: Opatija an der Kvarner-Bucht und damals Teil von Österreich-Ungarn, wird zu einem der bedeutendsten Kurorte Europas. 1884 eröffnet die Familie Tomašić das erste Hotel an der Adria. Prinzen, Könige, reiche Bürger und sogar Kaiser Franz Joseph I. reisen nach Opatija, geniessen das Meer, die saubere Luft gegen Atemwegserkrankungen und die Aussicht auf die Inselwelt mit Krk, Cres oder Rab.

Weltklasse bei Olivenöl und Krebsen

Seither gehört das gastronomische Angebot zu den Vorzügen der Region. Den Köchen stehen Olivenöl aus Istrien zur Verfügung (das zu den besten der Welt gehört), Fische, Krebse (Kvarner Scampi zählt ebenfalls zu den besten), Muscheln, Pflanzen wie Meerfenchel oder Salbei (Seite 16 unten), autochthone Bohnensorten, Grünkohl, Kirschen aus Lovran, Marroni oder Schafs- und Ziegenkäse. Diese Lebensmittel stehen für den Geschmack der Region Kvarner, die von der benachbarten Cucina veneta – Venedig ist rund 230 Kilometer entfernt –, der K&K-Küche und der alltäglichen Cucina dei poveri beeinflusst ist.
In diesem Mikrokosmos, wo mediterranes und kontinentales Voralpenklima aufeinandertreffen, haben 60 Restaurants, Konobas (eine Art Taverne) und Bistros nach anonymen Qualitätstests die Aufnahme bei «Kvarner Food» geschafft, unter «Kvarner Gourmet» figuriert die Elite der Restaurants mit rund 15 Betrieben. Sie verbinden die authentische Küche Kroatiens mit modernen Zubereitungstechniken und viel Kreativität.
Teil von Kvarner Gourmet ist das Ehepaar Stiven (36) und Tea (37) Vunić. Stiven ist einer von rund zwölf kroatischen Mitgliedern der «Jeunes Restaurateurs» (JRE) und wurde im «Falstaff» mit zwei Gabeln und im GaultMillau mit drei Hauben ausgezeichnet. Seine Konoba Zijavica befindet sich in Mošćenička Draga, rund 25 Fahrminuten südlich von Opatija, an einem der schönsten Kiesstrände von Kvarner. Die Terrasse an diesem Strand bietet Platz für 32 Gäste, im Restaurantinnern sind es weitere 16. Spezielle Anlässe wie Hochzeiten werden im Garten durchgeführt, der sich auf der Rückseite der Konoba befindet. Im Sommer hat das Ehepaar 31 und das Jahr über 11 Personen auf der Lohnliste, wobei dazu auch das Bistro «La Vita» gehört, das sich neben der ­Konoba Zijavica befindet. «Wir haben hier die besten Produkte, super Fleisch aus Istrien. Sie finden in Kvarner innerhalb von 30 Kilometer so viele schöne Restaurants, wie das in der Region Dubrovnik innerhalb von 200 Kilometern der Fall ist», begründet Stiven Vunić, weshalb Kvarner ein Paradies für Genussmenschen ist. 75 Prozent der Produkte, die er in seiner Küche verwendet, stammen aus der Region, den Rest bezieht er aus dem übrigen Kroatien. Der Jungunternehmer schwärmt vom Scampi, den sein Vater fischt, vom Oktopus, von den Sardellen, vom Olivenöl, Wirsing und vom Knoblauch, der eine schöne Aromatik aufweist, ohne intensiv zu sein. Die Weinauswahl im Restaurant besteht fast ausnahmslos aus regionalen Provenienzen, etwa der empfehlenswerte Malvazija vom Weingut Kozlović aus Buje in Istrien, das mit den JRE zusammenarbeitet. «Das Klima ist ideal. Es ist nie zu kalt und nie zu warm, und wir haben genügend Regen, deshalb ist unsere Vegetation so grün, die Luft sehr gesund.» Das alles führe zu hochstehenden Produkten.

20 Jahre nach Ćevapčići

Noch vor 20 Jahren hätten, so Vunić, auch die kroatischen Restaurants klassische Gerichte des kommunistischen Systems zubereitet. Das war damals – wenn es gut kam – gegrillter Fisch und Ćevapčići, obwohl die gegrillten Röllchen aus Hackfleisch nichts mit Kroatien zu tun haben. Aber die Touristen fragten danach. 2003 war das Ende von Jugoslawien als Staat. «Nach dem Krieg reisten die Einwohner, lernten neue Küchen kennen und öffneten so ihre Horizonte. Heute haben wir fast keine Fabriken und Industrien mehr und leben vor allem vom Tourismus», erzählt der «Jeune Restaurateur». In seinem Lokal sind das Italiener, Deutsche, Österreicher, Kroaten aus Dalmatien und Istrien, erstaunlich viele Amerikaner und Briten.
Wie üblich, wird Vunić seinen Betrieb im November 10 Tage schliessen und dann vom 6. Januar bis Ende Februar die Betriebsferien haben. Was er dann macht? «Schlafen», antwortet er wie aus der Pistole geschossen. Sicher werde er sich auch weiterbilden und in andere Kochtöpfe schauen. Barcelona und Valencia gehören für ihn zu den bevorzugten Reisezielen. Die durch die Coronamassnahmen erfolgte Betriebsschliessung hat der zweifache Familienvater ebenfalls zur Regeneration genutzt und zusätzlich im Garten gearbeitet und die Produkte daraus für seine Essen eingesetzt.
Stiven Vunić gibt sich zuversichtlich, wenn er aufs nächste Jahr angesprochen wird. Er möchte gar nicht erst mehr Gäste als dieses Jahr bewirten. «Wir hatten 2021 eher zu viele Kunden. Wir möchten lieber mehr Menschen, die unsere Geschichte verstehen. Wir wollen möglichst viel lokal einkaufen und eine lokale Story kreieren.» Er sagt gerade deshalb gerne: «Dobrodošli» – willkommen in Kroatien.