Gastro Journal
Tourismus

Eine historische Chance

Peter Grunder – 09. Juni 2017
Der Weissenstein ist nicht nur ein Solothurner Wahrzeichen, sondern auch ein Beispiel für Möglichkeiten und Grenzen im Tourismus.

Die schlimmste Generation war wahrscheinlich die letzte: 2001 brach das 1828 begründete Haus unter seiner Schuldenlast zusammen – rund 10 Jahre zuvor waren etwa 10 Millionen Franken in eine völlig missglückte Sanierung gesteckt worden. Das 1870 in seiner heutigen Form gebaute, 130 Meter lange Kurhaus landete mit seinen 108 Räumen bei einer solothurnischen Regionalbank und belastete dort die Bilanz bis 2015. Damit nicht genug: 2009 stellte die Sesselbahn, die vom Fuss des Weis- sensteins direkt zum Kurhaus führt, ihren Betrieb ein – die Konzession der Bahn mit ihren nostalgischen, parallelen Zweiersesseln war endgültig abgelaufen. Zwar gab es da längst ein pfannenfertiges Projekt. Doch eine hart­näckige Widerstandsgruppe, in der unter anderem Bahnromantiker, Natur- und Heimatschützer sowie solothurnische Kleinkrieger zusammenfanden, verhinderte den Bahnersatz – bis 2014 auch das ­letzte Gericht sein Machtwort ­gesprochen hatte und der Neubau eröffnet werden konnte. Die jetzige Generation kann alles wieder gut machen: Dieser Tage wird ein Projekt öffentlich aufgelegt, das aus dem maroden Kurhaus einen blühenden Betrieb und aus dem Ausflugsberg ein leuchtendes Vorbild machen könnte. Doch in trockenen Tüchern ist wenig. Obwohl Projekt und Gestaltungsplan über Monate hinweg mit allen möglichen und unmöglichen Beteiligten erarbeitet, bis in die entlegensten Details geprüft und mehrmals sorgfältig modifiziert worden sind, könnte die Baubewilligung durch Einsprachen angefochten werden. Einen Gefallen tun sie niemandem: Der Gestaltungsplan ist genehmigt und hat bis hin zum Natur- und Heimatschutz Gefallen gefunden. Und das rund 20 Millionen Franken schwere Projekt des gastgewerblichen Unternehmers Tom Umiker, des Bauprofis Urs Hoffmann und des Architekten Urs Lüdi überzeugt nicht nur gastgewerblich und touristisch. Schon aus betriebswirtschaftlicher Vernunft ist es nachhaltig, und nicht zuletzt berücksichtigen die Promotoren von den bestehenden Betrieben auf dem Berg bis zur Verkehrslage in Ex­tremfällen sehr viel. Im Gegensatz zur vorherigen Generation haben die heutigen Macher zudem strategisch einen klaren Ansatz: Der gastgewerbliche Betrieb soll einerseits Spitzenfrequenzen aushalten und bedienen können. Andererseits muss der Berg auch saison- und wetterunabhängig funktionieren. Das ist keine Quadratur des Zirkels, sondern von der Gemmi bis zum Niesen eine unternehmerische Selbstverständlichkeit. Breit herumgesprochen hat sich das freilich nicht – und zwar weder in der Schweizer Bergbahnbranche noch im Grossraum Solothurn: Manche tun sich schwer damit zu erkennen, dass Bahn- und Gastroprofis grundsätzlich unterschiedliche Interessen haben – die aber mittels Kompromiss und Kooperation eine positive Dynamik für beide Branchenteile entwickeln können, was am Weissenstein erkannt scheint. In Solothurn haben indes manche noch nicht erkannt, welch überragendes Potenzial der Weissenstein hat: Da ist nicht nur die majestätische Lage, die ihresgleichen sucht auf der Welt. Da ist auch ein Berg, der zugleich zentral und abgelegen ist, der zugleich enorme Kapazitäten und klare Nischen bietet, und der zugleich touristische, gesellschaftliche und soziale Funktionen erfüllen kann. Dieses Potenzial kann die jetzige Generation ausschöpfen. Einfach wird das aber nicht – auch und ­gerade jenseits der Baubewilligung: Der zentrale Schlüssel liegt in der Professionalität der beiden Betriebe und in ihrer Kooperation. Die entsprechende negative Dynamik hatte in der letzten Generation massgeblich den beiderseitigen ­Untergang verursacht – und eine positive, gemeinsame Dynamik, wie sie sich zurzeit abzeichnet, kann Bahn und Kurhaus lassen. Die Chancen stehen umso besser, als Pirmin Bischof, Ständerat für Solothurn, am Berg strategisch mit dabei ist.