Tourismus

Ein guter Unternehmergeist

Peter Grunder – 22. August 2018
Tourismus braucht Organisation. Das ist nicht einfach zu verstehen: aus Sicht der touristischen Leistungsträger nicht, weil sie den Fokus auf dem eigenen Betrieb und die vermeintliche Konkurrenz gegenüber haben, und aus politischer Sicht ebenfalls nicht, weil es da um Macht und deren Verteilung geht. Umso wichtiger sind Nahtstellen, die nach allen Seiten verbunden sind und klarmachen können, dass Tourismus Organisation braucht. Jürgen Hofer wirkt an einer solchen Nahtstelle.

 Da waren Vorlesungen bei Jost Krippendorf. Und da war der damalige Studentenreisedienst, bei dem er anklopfte, um sein Studium in Geschichte, Geografie und Volkswirtschaft zu finanzieren: «Da hat mich dieser Virus infiziert», erzählt Jürgen Hofer, aufgewachsen in Selzach bei Solothurn. Nach dem Studium wurde Hofer nämlich Hotelier, zusammen mit Roland Furrer im Alten Spital in Solothurn. An diesem atemberaubenden Standort direkt an der Aare investierte die Stadt in den 1990er Jahren in eine neue Nutzung, teils gemeinwirtschaftlich, teils betriebswirtschaftlich: «Gesucht waren Leute, die das in die Selbstständigkeit führten», erzählt Hofer, «und ich fühle mich seit jeher als Unternehmer». 1998 begann er im Alten Spital, 2008 wechselte er zur Tourismusorganisation.

«Die Tourismusbranche hat sich dramatisch verändert.»
Das alte Spital sei gut aufgestellt gewesen, begründet Hofer, und «da war eine neue Aufgabe, die mich interessierte». Hofer begann bei Region Solothurn Tourismus als Nachfolger des legendären Erich Egli, der 30 Jahre lang Direktor gewesen war und fortan als Präsident auf die strategische Ebene wechselte. «Direktor ist ein Wort aus alten Zeiten», sagt Hofer, inzwischen auch schon zehn Jahre im Amt: «Die Tourismusbranche hat sich dramatisch verändert», verdeutlicht er: «Es braucht Leute, die Antworten auf diese Herausforderungen haben.» Der Druck auf die Leistungsträger sei gewaltig, «da ist eine viel grössere Dynamik und ein viel höheres Tempo» als früher. Das erfordere ganz andere Ansätze, erläutert Hofer: eine Unternehmens-, Führungs- und Organisationskultur, die nicht mehr in Hierarchien und Einzelbetrieben denkt und handelt, sondern in Netzwerken und Kooperationen. Das umzusetzen, sei wahrscheinlich einfacher in Regionen, die nicht stark vom Tourismus lebten, sinniert Hofer: «Traditionelle, alte Strukturen zu durchbrechen, ist schwieriger, als auf einem praktisch freien Feld etwas zu verändern.» Zwar betreffe der Wandel alle, aber für die klassischen Ferienregionen in den Berggebieten bedeute er schmerzhafte Strukturveränderungen. Das sei mit vielen Schicksalen verbunden, weiss Hofer: «Aber je länger wir zuwarten, desto schwieriger wird es.»
«Je länger wir zuwarten, desto schwieriger wird es.»
Hofer engagiert sich diesbezüglich nicht nur vor Ort, wo etwa im Regionalen Naturpark Thal oder auf dem Weissenstein neue, korporative Ansätze verfolgt werden. Im Vorstand des Verbandes Schweizer Tourismusmanager (VSTM) kümmerte sich Hofer lange ums Ressort Ausbildung, begleitete dort den Wandel und trieb ihn voran. Der VSTM ist kein Altherrenclub mehr, der sich in den schönsten Ecken der Schweiz regelmässig zu feuchtfröhlichen Runden trifft. Vielmehr ist der VSTM zu einer Plattform geworden, die genau an jenen Netzwerken arbeitet, die gefragt sind. Namentlich in den VSTM- Seminaren tauschen sich Fachleute aller touristischen Ebenen und Bereiche in einem professionellen und effizienten Rahmen aus – angesprochen sind dabei nicht zuletzt strategisch Verantwortliche aus Vorständen und Verwaltungsräten. Die Achse von den Tourismusorganisationen zu den Leistungsträgern findet Hofer dabei vielversprechender als jene vom Tourismus in die Politik. Bei Tourismuspolitik gehe es eigentlich darum, dem Unternehmergeist auf allen Ebenen Raum zu geben, sich überall auf Augenhöhe zu begegnen und die Interessen der Gäste und der Bevölkerung im Auge zu behalten.
«Die Töpflipolitik ist Gift und schafft falsche Anreize.»
Politischen Handlungsbedarf sieht er insofern «bei einer Bündelung der Kräfte im Bereich der Tourismuspolitik, indem der Schweizer Tourismus-Verband konsequent und mit Unterstützung aller als politisches Sprachrohr der Branche positioniert würde». Das sei umso notwendiger, als Politik auch Verteilungskampf ist: «Die Töpflipolitik ist Gift und schafft falsche Anreize.» Dabei könne der Staat touristisch durchaus gefragt sein – dort, wo es systemrelevant wird, weil Hotels oder Bergbahnen wirtschaftliche Motoren ganzer Regionen sind: «Aber das sind dann die Entscheide der Regionen.» Die Achse zu den Leistungsträgern ist demgegenüber weniger belastet: Zwar sei es immer noch und immer wieder mühsam, den Unternehmern zu erklären, dass die wirkliche Konkurrenz nicht der Betrieb gegenüber ist. Dass die Kooperation mit dem Nachbarn es allen erleichtere, zu bestehen und sich gegenüber den grossen Resorts auf der ganzen Welt zu profilieren, sei nur schwer zu vermitteln, bedauert Hofer. Wohl habe er den Vorteil, als früherer Leistungsträger die unternehmerische Sicht zu kennen und auch anerkannt zu werden, meint Hofer. Aber die Notwendigkeit und das Potenzial von Netzwerken sei grundsätzlich noch nicht breit anerkannt – und zwar bis auf die Ebene der Schweiz, die laut Hofer mehr als Destination verstanden werden sollte und die etwa mit Blick auf Stadt-Land-Kooperationen oder dem neuen Phänomen des ‹Overtourism› viel Potenzial hätte.
«Die Leistungsträger darin unterstützen, marktfähige Produkte zu schaffen.»
Immerhin würden die konkreten Dienstleistungen, welche die Tourismusorganisationen zunehmend für die Unternehmen leisten, von den Leistungsträgern geschätzt. Viele Betriebe hätten nämlich ganz andere Sorgen, als sich mit Buchungsplattformen oder Kooperationen auseinanderzusetzen: «Da können wir etwas beitragen, und das wird oft dankbar angenommen.» Daraus ergibt sich Hofers Mise en Place einer zeitgemässen Tourismusorganisation: «mit denen arbeiten, die wollen; Know-how weitergeben; Plattformen zur Verfügung stellen; Produkte bündeln und die Leistungsträger darin unterstützen, marktfähige Produkte zu schaffen.»