Tourismus

Die neue Tourismusstrategie des Bundes

– 13. Februar 2018
Richard Kämpf, Leiter der Tourismuspolitik beim Bund, äussert sich in GastroJournal exklusiv zur neuen Tourismusstrategie des Bundes. Der zuständige Bundesrat Johann Niklaus Schneider-Ammann hat diese Strategie letzten Herbst vorgestellt, Richard Kämpf war daran massgeblich beteiligt.

Die Rahmenbedingungen für den Tourismussektor verändern sich, getrieben durch die Digitalisierung, immer rascher. Mit der – vom Bundesrat im November 2017 verabschiedeten – neuen Tourismusstrategie verfügt die Tourismuspolitik des Bundes über eine zeitgemässe Grundlage, die dem raschen Wandel Rechnung trägt. Mit seiner neuen Strategie will der Bund mithelfen, die Voraussetzungen zu schaffen, damit sich der Schweizer Tourismussektor rasch und konsequent erneuert.

"Die neue Strategie bringt wesentliche Neuerungen."
Die neue Strategie bringt wesentliche Neuerungen:
  • So zieht sich erstens die Digitalisierung als Querschnittsthema durch die gesamte Strategie hindurch.
  • Zweitens steht das Unternehmertum konsequent im Zentrum. Der Staat kann und soll nicht selber zum Unternehmer werden. Er kann aber zu einem günstigen Milieu für Unternehmertum im Tourismus beitragen.
  • Drittens ist die Tourismusstrategie projektorientiert, das heisst, sie ist operativ ausgerichtet und enthält konkrete Umsetzungsaktivitäten.
  • Viertens ist die Tourismusstrategie stark fokussiert. Dabei geht es insbesondere um Koordinationsaktivitäten und einen gezielteren Fördermitteleinsatz mit einer stärkeren Begleitung strategischer Projekte.
Die Tourismusstrategie strebt einen international wettbewerbsfähigen, attraktiven und leistungsfähigen Schweizer Tourismus an. Dazu wurden vier Ziele gesteckt: Rahmenbedingungen verbessern, Unternehmertum fördern, Chancen der Digitalisierung nutzen sowie die Attraktivität des Angebots und den Marktauftritt stärken.
"Das Unternehmertum steht konsequent im Zentrum."
Ähnlich wie Erde und Wasser für Pflanzen, sind die Rahmenbedingungen für Unternehmen mitentscheidend, ob und wie sie sich entfalten können. Die Mitglieder der Begleitgruppe – welche das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO bei der Erarbeitung der Strategie unterstützte – identifizierten bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen eindeutig den grössten tourismuspolitischen Handlungsbedarf. Angesprochen wurden die Länge von Verfahren, die Komplexität von Bewilligungsverfahren sowie die steigenden administrativen Kosten. Neben den verschiedenen Staatsebenen sind für den Tourismus als Querschnittsbranche auch zahlreiche Politikbereiche relevant, was die Komplexität und die Kosten der Regulierung erhöht. Daher ist insbesondere auch eine Verstärkung der Koordination essentiell, sowohl innerhalb des Bundes, zwischen Bund und Tourismusakteuren, als auch über die verschiedenen Staatsebenen hinweg. Hierzu soll das Tourismus Forum Schweiz zu einer Dialog- und Koordinationsplattform weiterentwickelt werden.
GJ1807 Kaempf Quote "Die Digitalisierung ist eine grosse Chance für den Schweizer Tourismus."
Die schwierige wirtschaftliche Lage seit der Finanz- und Schuldenkrise, akzentuiert durch den starken Schweizer Franken, bedeutete für den Tourismusstandort Schweiz in den letzten Jahren ein hartes Fitnessprogramm. Die Produktivität ist dadurch zwar gestiegen, das Potenzial bleibt diesbezüglich jedoch gross. Höhere Produktivität bedeutet grössere Renditen. Das steigert die Attraktivität des Tourismus für Investoren, Unternehmer und Fachkräfte. Entscheidend ist unternehmerisches Denken und Handeln. Auch Start-ups tragen zur Produktivitätssteigerung bei. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für Innovationen und für den nötigen Strukturwandel. Mit der Umsetzung der Tourismusstrategie soll zu einem günstigen Milieu für Unternehmertum und insbesondere für Jungunternehmen beziehungsweise Start-ups im Tourismus beigetragen werden. Zudem soll die Aus- und Weiterbildung im Tourismus weiter gestärkt werden. Die Digitalisierung ist eine grosse Chance für den Schweizer Tourismus. Einerseits durch die globale Vernetzung und die damit verbundenen Vermarktungsmöglichkeiten. Andererseits ermöglicht die Digitalisierung auch, die hohen Kosten mit digitalen, automatisierten Prozessen zu senken und die teuren Fachkräfte dort einzusetzen, wo sie dem Gast einen wirklichen Mehrwert bieten können. Oder sie ermöglicht neue Arten der Kooperation und kann so die Nachteile des klein­strukturierten Schweizer Tourismus aushebeln. Die Digitalisierung ist allerdings kein Selbstzweck. So darf nicht etwa versucht werden, sich über die Programmierung, die Technologie oder den Systemanbieter zu differenzieren. Es ist nicht entscheidend, wer die Technologie liefert, sondern welche Erlebnisse für den Gast geschaffen werden oder wie der Gast betreut wird. Die Aufgabe des Bundes liegt hier insbesondere im Bereich Wissensgenerierung und Wissenstransfer sowie in der gezielten Projektförderung. Angebotsgestaltung und Vermarktung sind Kernelemente des Tourismus. Sie müssen zwingend Hand in Hand erfolgen und aufeinander abgestimmt sein.
"Die Digitalisierung ist allerdings kein Selbstzweck."
Wir müssen uns den Fragen widmen, was die Gäste in der Schweiz unternehmen, wie sie zu uns kommen und wohin sie gehen. Die Verzahnung von Angebotsentwicklung und Vermarktung erfordert auch ein Umdenken. Beispielsweise ist die Diskussion um Städte- versus alpinen Tourismus zu einem gewissen Grad obsolet geworden. Mit der Digitalisierung und den neuen Reisestrukturen vermischen sich diese Formen. Die asiatischen Gäste etwa benützen Städte als Hubs, um Ausflüge in die alpinen Regionen zu starten. Dieser Trend dürfte sich verstärken.
"Es gilt, nicht mehr in örtlich getrennten Kategorien zu denken, sondern integriert in Gästesegmenten."
Es gilt daher, nicht mehr in örtlich getrennten Kategorien zu denken, sondern integriert in Gästesegmenten. Ein zentrales Element der Tourismuspolitik des Bundes ist das Zusammenspiel mit der Tourismuswirtschaft. Bereits in die Erarbeitung der Tourismusstrategie wurden die Tourismusakteure mittels der Begleitgruppe miteinbezogen. So konnte sichergestellt werden, dass die Tourismusstrategie auf die wichtigsten Herausforderungen des Tourismus ausgerichtet ist. Auch in der Umsetzung spielen diese Akteure eine zentrale Rolle. Die Vision eines international wettbewerbsfähigen, attraktiven und leistungsfähigen Schweizer Tourismus kann nur im Zusammenspiel aller Tourismusakteure verwirklicht werden. Bundesverwaltung, Kantone und Unternehmer sind gefordert, um die Ziele erreichen zu können, und ich erhoffe mir ein volles Engagement! Die Umsetzungsaktivitäten haben beim Staatssekretariat für Wirtschaft SECO bereits begonnen. Der Bund hat damit den ersten Schritt getan. Es soll aber nicht einfach bei einer Strategie des Bundes bleiben. Wir streben eine partnerschaftliche Umsetzung unter Einbezug der touristischen Akteure sowie der Kantone, Regionen und Gemeinden an. Als nächster Schritt hierzu beabsichtigt das SECO, gemeinsam mit dem Schweizer-Tourismus Verband STV in den kommenden Monaten Informations- und Sensibilisierungsanlässe zur Umsetzung der neuen Tourismusstrategie des Bundes durchzuführen. Zum Autor Richard Kämpf hat an der Universität Bern Volkswirtschaft studiert und wurde in der Tourismusbranche bekannt, als er beim BAK Basel unter anderem den Destinationsmonitor mit entwickelte, der übergeordnete touristische Leistungsfähigkeit umfassend messbar macht und breit Anwendung findet. 2008 wechselte der verheiratete Familienvater zum Bund: Als Nachfolger von Peter Keller leitet er seither die Tourismuspolitik beim Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. Links
Die Tourismusstrategie des Bundes (PDF) 
Die Website der Tourismuspolitik beim Bund