Tourismus

Die Deutschen kommen nicht mehr

Peter Grunder – 12. September 2018
Die Beherbergungszahlen zeigen ein dramatisches Bild des Schweizer Tourismus – wenn man sie entsprechend darstellt.

Die chinesischen Gäste sind weitgehend nicht zu erkennen: Bis 1998 tauchten sie in den Beherbergungsstatistiken des Schweizer Tourismus gar nicht auf, 20 Jahre später sind sie nur an touristischen Umschlagplätzen von Bedeutung. Die folgenden Grafiken, fussend auf den Halbjahreszahlen der Schweizer Beherberger zwischen 1992 und 2018, verdeutlichen dies eindrücklich. Und sie machen noch einen anderen starken Eindruck, von dem zwar oft die Rede ist, der aber nicht wirklich erkannt scheint: die unglaubliche Dominanz der deutschen Gäste. Die Deutschen dominieren einerseits als Gäste in allen klassischen Schweizer Ferienregionen – mithin dort, wo die Bevölkerung weitgehend vom Tourismus lebt. Andererseits ist der Rückgang der deutschen Nachfrage in den letzten 20 Jahren frappant – und geradezu dramatisch ist, wie schwer sich besonders Graubünden damit tut, diesen Rückgang zu kompensieren. Auf die Bündner zu zeigen, greift allerdings zu kurz: Zum einen zeigt jede Statistik nur einen kleinen Ausschnitt und ist damit irreführend. So fehlen nebenstehend die Schweizer Gäste – erschienen sie nämlich in den Grafiken, schrumpften alle anderen Gästegruppen radikal. Zum anderen und vor allem gibt es aber in der ganzen Schweiz auch viele Touristenorte und zahllose Betriebe, die wie Graubünden von deutschen Gästen abhängig waren – und die händeringend andere Gästegruppen suchen oder nicht selten aufgegeben haben. Nicht ersichtlich ist aus den Grafiken eine weitere Dramatik: Die Abhängigkeit von der deutschen und der schweizerischen Nachfrage ist verbunden mit einer Konzentration aufs Wintersportgeschäft. Mit anderen Worten stehen nicht nur Hotels, sondern auch Bergbahnkabinen leer, weil die deutschen Gäste nicht mehr kommen. Diese Dramatik ist letztlich gravierender. Denn während eine Nachfrage nach Hotelbetten auch jenseits von Deutschland und der Schweiz zu holen ist, gibt es für einen Grossteil der Wintersportanlagen keine Zukunft. Zu bemühen ist dabei nicht einmal die Klimaerwärmung, obwohl sie offensichtlich ist und manchem schnee- oder eisabhängigen Anbieter bereits den Garaus gemacht hat. Der Wintersport hat im bisherigen Rahmen auch deshalb keine Zukunft, weil es immer weniger Gäste gibt, die das anspruchsvolle und teure Pistenvergnügen suchen. Die Bergbahnen umzustellen, ist mithin mindestens so anspruchsvoll, wie die Hotelnachfrage zu verändern. Aber beides ist zu schaffen – und vielerorts schlicht zwingend. Um die Grafik in Originalgrösse anzusehen, klicken Sie auf diese.
Grafik 1Graubünden ist die deutsche Dominanz zum Verhängnis geworden. Und weil sie abseits der internationalen Reiserouten liegt, tut sich die Ferienecke der Schweiz schwer, die internationalen Gäste anzulocken, die im Rahmen von Europareisen die Schweiz streifen. Grafik 2Das Berner Oberland hat vorab dank der Jungfrau-Region den Wechsel vom deutschen auf den chinesischen Markt geschafft. Grafik 3Die Zentralschweiz um Luzern und den Titlis hat es wie das Berner Oberland um Interlaken und die Jungfrau geschafft, die deutschen Gäste zu ersetzen. Grafik 4Das Tessin verdeutlicht die letztlich minimale Rolle, die der internationale Tourismus in den meisten Schweizer Feriengebieten spielt. Grafik 5Im Wallis fehlen die deutschen Gäste ebenfalls, doch die Internationalisierung ist besser gelungen als in Graubünden.
Grafik 6Der Grossraum Zürich ist kein Tourismusgebiet, hat aber am meisten Hotelübernachtungen und profitiert von der Internationalisierung.