Tourismus

Die Aufgabe ist zu schwierig

Peter Grunder – 18. Mai 2017
Ein Bericht zum Strukturwandel im Berggebiet enttäuscht bitter.

 «Avenir Suisse» ist eine Stiftung, die seit bald 20 Jahren liberale und marktwirtschaftliche Positionen vertritt – dies vornehmlich mittels Publikationen. Eine besondere Arbeit ist diesen Frühling erschienen: Sie thematisiert auf knapp 100 Seiten den «Strukturwandel im Schweizer Berggebiet». Was für ein Anspruch: Die Agglomerationen im Unterland stützen das Berggebiet seit langem jährlich mit einer geschätzten Milliarde Franken. Und nachdem nun sowohl im Tourismus wie auch in der Wasserkraft jahrzehntealte, tragende Geschäftsmodelle plötzlich nicht mehr funktionieren, ist der Handlungsbedarf im Berggebiet gewaltig – zumal die Armee auch als Umsatzbringer weggefallen und die Berglandwirtschaft schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts keine mehr ist. Dass die Aufgabe zu schwierig ist für einfache Lösungen, liegt da wohl auf der Hand. Dass «Avenir Suisse» dies jedoch nicht a priori einräumt und also grundsätzlich argumentiert, sondern Lösungsansätze präsentiert, ist unverständlich. Wie grundsätzlich zu argumentieren ist, hat kürzlich Professor Thomas Bieger in GastroJournal erklärt (GJ11): «Längerfristig lassen sich auch mit grösstem Mitteleinsatz Strukturen nicht gegen den Markt erhalten.» Insofern müssten manche Gebiete «damit rechnen, so zu schrumpfen, wie sie im Boom des Wintersportes und des Tourismus aus Europa nach den 70er-Jahren gewachsen sind». Vor solchen Hintergründen wirkt manches im Report von «Avenir ­Suisse» einfach nur billig. Da ist etwa zu lesen: «Mittel sollten gebündelt werden und nur dort investiert werden, wo nachhaltige Wachstumsimpulse ausgelöst, tragfähige Strukturen geschaffen oder vielversprechende Projekte gefördert werden.» Das ist ein ebenso schlecht formulierter wie nichtssagender Gemeinplatz – und das Papier von «Avenir Suisse» strotzt vor solchen Sätzen: «Für den Strukturwandel in den Schweizer Bergen gibt es keine Patent­rezepte, sondern jede Region muss unter Berücksichtigung der eigenen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken spezifische Ansätze ent­wickeln.» Spätestens hier müsste die Logik dem Wortschwall ein Ende setzen, beim hochkarätigen «Think Tank» die Denkarbeit einsetzen und Grundsätzlicheres herausschauen. Aber nein, man macht munter weiter mit dem Mumpitz: «Das Berggebiet profitiert von Bundesmitteln in Milliardenhöhe, die jedoch in fragwürdige Infrastrukturbauten fliessen, statt in Projekte mit nachhaltigem Wachstumseffekt.» Nun sind die Phrasen von «Avenir Suisse» derart weichgespült und die Lösungsansätze dermassen hausbacken, dass nichts gegen sie zu sagen ist. Aber einerseits waren solch grundsätzlichen Erkenntnisse schon vor Jahrzehnten namentlich bei Jost Krippendorf oder im ersten bundesrätlichen Tourismuskonzept zu lesen. Andererseits dürfen die Erwartungen an «Avenir Suisse» nicht sinken – die Stiftung ist einfach zu wichtig. Doch statt «Avenir Suisse» hätte man gleich eines der zahllosen Beraterbüros bemühen können, die sich entlang der Geldtransfer-Leitungen positioniert haben. Denn dort ist wenigstens klar, dass die Geschäftsmodelle nicht auf Verbesserung der Lage zielen, sondern auf Verstetigung der Beratertätigkeit.