Tourismus

Das Zentrum der Gastronomie

Marco Moser – 16. November 2017
Die Wirtschaft am Rheinknie prosperiert und die Wirtschaften stehen vor (meist) alltäglichen Herausforderungen. Ein Streifzug durch die Stadt Basel, Heimatort der Igeho.

Nächstes Jahr oder spätestens übernächstes Jahr feiert der Kanton Basel-Stadt seinen 200 000. Einwohner. «Wieder» wäre anzufügen. Im Jahr 1952 hatte der Kanton die 200 000er Marke erstmals geknackt und erreichte 1970 mit 234 945 Einwohnern die seither gültige Rekordmarke. Es folgte eine Phase der Abwanderung, die sich erst im Jahr 2000 wieder ins Positive kehrte. Erstaunlich dabei ist, dass für die erstarkte Zuwanderung nicht Schweizer verantwortlich sind, sondern Personen aus dem Ausland – Expats. Sie erledigen die Arbeit einer prosperierenden Wirtschaft am Rheinknie und verdienen überdurchschnittlich, wie die steigenden Einkommenssteuern belegen. Und sie sprechen eine andere Muttersprache als Deutsch, oft auch Englisch. Die erstarkende Wirtschaft zeigt sich auch in der Hotellerie: Das zwölfte Jahr in Folge steigerte die baselstädtische Hotellerie im Jahr 2016 ihre Logiernächte auf den aktuellen Rekord von 1,22 Millionen – nur knapp weniger als die Touristenstation Luzern und das trotz Nähe zum günstigen Ausland. Doch die Rekorde ziehen Unternehmer und internationale Hotelketten an, sodass in den letzten Jahren die Bettenkapazität massiv wuchs: also mehr Gäste auf noch mehr Hotels verteilt, und dies auch im nahen Ausland. Beispielsweise das Steigenberger Stadt Lörrach (Türöffnung im Juni), das mit 178 Zimmern auf 19 Stockwerken aufwartet, oder die französische Economy-Kette B&B (Türöffnung im Jahr 2015), die 171 Betten in 90 Zimmern anbietet – gleich beim Grenzübergang Weil-Friedlingen und inklusive Tramhaltestelle direkt in die Basler Innenstadt. Neben diesen neuen Hotels in der Stadt und im nahen Ausland legte in den vergangenen Jahren auch die «innere» Konkurrenz zu, beispielsweise durch Air­bnb und andere Zimmeranbieter. Letzte Woche erschütterte die Nachricht der Baselworld die Region (vgl. rechts). Die führende Uhren- und Schmuckmesse der Welt muss eine Halbierung der Aussteller verzeichnen, teilte die veranstaltende MCH Group mit, die auch für die Igeho verantwortlich zeichnet. Stellten vor einem Jahrzehnt noch rund 2000 Anbieter ihre Produkte und Dienstleistungen an der Basel­world aus, waren es dieses Jahr noch 1300 – und nächstes Jahr werden es höchstens 700 sein. Entsprechend wird die Basel­world nur mehr sechs statt acht Tage dauern. Trotz Baselworld, Kunstmesse Art Basel oder Herbschtmäss (Herbstwarenmesse) – die Schweiz nimmt Basel vor allem als Pharma­standort wahr, aber auch als kulturelles Zentrum im Dreiländereck, verbunden mit den Namen Tinguely oder Beyeler, als Hochburg des Fussballs und der Fasnacht – mit Fümoars. Und in den letzten Jahren zeigte sich in Basel exemplarisch, was das Missverhältnis Franken-Euro wirtschaftlich bedeutet. Selbst einzelne Behörden und Ämter organisierten das Weihnachtsessen im nahen und günstigeren Ausland. Das Basler Gewerbe hat die zusätzliche Herausforderung, dass die bürgerlichen Parteien im Parlament in der Minderheit sind. Während in Bern, Lausanne und Zürich bürgerliche Kantonsparlamente die städtischen Lösungen ummanteln, fehlt dieses Korrektiv in Basel-Stadt als Stadtkanton gänzlich. Das mag erklären, warum einst das Rauchverbot gewerbefeindlich umgesetzt wurde, warum seit kurzem die Basler Innenstadt verkehrstechnisch rigoros abgeriegelt ist, Velos über Mass bevorzugt werden und sich das Gewerbe mit einer Initiative dafür einsetzen muss, dass die Parkgebühren mit den Tarifen im nahen Ausland konkurrenzfähig bleiben, wenigstens diese. Dazu kämpft Basel mit den alltäglichen Herausforderungen einer Stadt mitten im gesellschaftlichen Wandel, mit verschiedenen Zielkonflikten zwischen Ausgeh- und Wohnort, Lärm versus Nachtruhe, belebte Innenstadt versus abgeriegelte Zugänglichkeit. Doch entgegen dem steigenden Wunsch nach Ruhe mediterranisiert sich Basel zusehends. Die verschiedenen Verpflegungsangebote am Marktplatz führten besonders montags, aber auch anderntags zu einer Art «Open-Air-Restaurant-Szene», wie es in einer kürzlich eingereichten schriftlichen Anfrage an die Regierung heisst. Ein weiterer Ausdruck der Mediterranisierung sind die Buvetten am Rhein: «Die Buvetten sind aus dem Basler Stadtbild mittlerweile nicht mehr wegzudenken», wirbt etwa Basel Tourismus. An warmen Sommerabenden ist das Rhein­ufer jeweils gut bevölkert – so gut, dass die Gäste in den Restaurants und Bars in der Innenstadt fehlen. Eine lebendige Gastronomie belebt zwar das Geschäft. Doch gleich lange Spiesse sollten alle Anbieter haben: die klassische Gastronomie ebenso wie die Verpfleger auf dem Marktplatz oder die Buvetten am Rheinufer. Und jetzt soll Basel noch mediterraner werden. Das Basler Tiefbauamt möchte den Rhein ökologisch aufwerten und verfolgt hierbei die Idee eines Strandes am Schaffhauser­rheinweg, der dereinst zum Verweilen einladen soll. In einer Umfrage der Basellandschaftlichen Zeitung zeigten sich die Passanten offen für diese Idee und standen ihr positiv gegenüber. Damit erhielten auch alle Rheinschwimmer neue Liegemöglichkeiten. Ursprung der Idee ist das Projekt, die Fahrrinne im Rhein abzusenken, damit die Schiffe künftig selbst bei Niedrigwasser voll beladen den Rhein befahren können. Die 20 000 Kubikmeter Aushub dienen als Baumaterial für den Strand mitten in der Stadt. Die Schifffahrt in Basel hat nach wie vor eine immense wirtschaftliche Bedeutung – auch für die gesamte Schweiz. Schon zu normalen Zeiten gelangen rund zwölf Prozent aller importierten Güter auf dem Was­serweg in die Schweiz. Während der Sperrung auf der Rheintal­eisenbahn zwischen Basel und Karlsruhe mussten LKW und Schiffe in die Bresche springen. Zeitweise wurden in den Schweizerischen Rheinhäfen in Basel rund um die Uhr Ladungen gelöscht und Schiffe beladen. Das Projekt der tieferen Fahrrinne ist also essenziell, aber nur eines unter zahlreichen Bauprojekten. Basel Tourismus wirbt zwar mit dem Slogan «Culture unlimited», listet unter den Sehenswürdigkeiten aber auch die in Beton gegossene Zukunft auf: sei das der Roche-Turm als höchstes Gebäude der Schweiz («modernes Wahrzeichen Basels»), sei dies Mario Bottas Bau der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich («charakteristisch für die Bauweise des Tessiner Star- architekten»), sei es der Novartis-Campus, dessen Gesamtplanung aus der Feder des italienischen Stararchitekten Vittorio Magnano Lampugnani stammt («wahres Mekka der modernen Architektur»). Gleich drei Architekturpfade hat Basel Tourismus denn auch kreiert – und erwähnt, auf dem Pfad durch die Stadt könne man durchaus den Basler Star­architekten Herzog und de Meuron begegnen. Die Aufbruchstimmung am Rheinknie ist förmlich spürbar: und dem ist Sorge zu tragen.