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Sie ist da, wo sie gebraucht wird

Christine Bachmann – 08. April 2017
Sie ist so schillernd wie das Leben: Pfarrerin, Mutter, Gastro-Seelsorgerin und Kompaniekommandant.

Unglaublich herzlich und unkonventionell: Wer Corinne Dobler das erste Mal trifft, der würde ihr wohl jeglichen Beruf zugestehen, aber Pfarrerin? Nein. Denn rein optisch, mit ihrer frechen, schnittigen Frisur, verkörpert sie so gar nicht das Klischee, das die meisten von einem kirchlichen Vertreter im Kopf haben. Und doch hätte sie wohl keinen besseren ­Beruf wählen können. Denn Corinne Dobler ist Seelsorgerin aus Leidenschaft, die ihren Job einfach solide ausführt und da ist, wo sie gebraucht wird. In Kontakt mit dem Gast­gewerbe kam die heutige Pfarrerin noch vor der Theologie, denn ihr Vater arbeitet als Koch und die Mutter als Coiffeuse und Restaurationsfachfrau in einem Altersheim im zürcherischen Turbenthal. «Als Kinder sind wir immer in der Küche herumgewuselt, und später habe ich dann mein erstes Geld mit Abtrocknen verdient», erinnert sie sich. Ja, und in der Gymnasiumszeit habe sie in den Semesterferien auch noch in der Küche im Spital Frauenfeld gejobbt. «Gemüse rüsten und abtrocknen, meine Spezialität», lacht sie.

«Die intensiven ­Augenblicke des ­Lebens teilen»
Nach der mathematisch-naturwissenschaftlichen Matura am Lee in Winterthur zog es die junge Frau dann in die Rekrutenschule. RS, wirklich? «Ja.» Warum? «Weil ich etwas Praktisches machen wollte und weil es mich gereizt hat, Führungsaufgaben zu übernehmen, zu planen und herauszufinden, ob das Geplante auch funktioniert.» Das Militär hat Corinne dann so getaugt, dass sie während ihres Theologiestudiums weitergemacht hat – am Ende bis zum Kompaniekommandanten. «Übrigens», fügt sie hinzu, «auch im Militär war das Kulinarische für die Truppen-Moral sehr wichtig. Denn ohne Mampf, kein Kampf!». Sie sei da zum Glück immer von einer exzellenten Küchencrew umgeben gewesen. Tempi passati, denn heute sind für Corinne Dobler die Tage in der militärischen Führung gezählt. «Ich bin zwar noch in der Armeeseelsorge eingeteilt, aber andere Prioritäten lassen kein grosses Engagement mehr zu.» Theologie studiert und Pfarrerin geworden ist sie, weil sie sich mit «der Ewigkeit, dem Göttlichen, dem Unvergänglichen» auseinandersetzen wollte. «Und weil es einfach etwas ganz Wunderbares ist, Menschen zu begleiten – von der Geburt bis zum Tod. Also die intensiven und tiefen Augenblicke eines Lebens zu teilen und mitzuerleben», das schätze sie sehr und diese Seelsorgetätigkeit gebe ihr auch viel. Seit 2006 ist Corinne Dobler nun engagierte Pfarrerin der Gemeinde Bremgarten, «eine grosse und pulsierende Gemeinde, die eine Fülle an Leben bietet».
«Es liegt mir fern, ­jemanden zu ­missionieren»
2014 hat die Mutter zweier Kinder – auch das ein bereichernder Teil ihres Lebens – die Nachfolge von Andreas Pauli als Gastro-Seelsorgerin bei GastroAargau angetreten. Heisst, Corinne ist bei Anlässen und Gottesdiensten der kantonalen Sektion dabei und auch privat für jeden Gastronom da, wenn er das Bedürfnis verspürt, seine Sorgen und Nöte mit jemandem zu teilen. «Aber ich komme auch gerne auf ein Bier oder einen Kaffee in einem Betrieb vorbei, wenn es den Leuten einfach nur gut geht.» Vorbeischauen, nachfragen, wie es geht, das würde sie in den Betrieben gerne noch mehr. «Langsam kennen mich die Leute, und es ist nicht mehr so schräg, wenn ich sage, ich schau vorbei.» Denn die Hemmschwelle bei manchen sei doch noch immer gross. So nach dem Motto: Man muss fromm sein, wenn die Frau Pfarrer kommt. «Überhaupt nicht», betont sie, «denn es liegt mir fern, bei meinen Besuchen zu missionieren.» Dies erst herumgesprochen, hat dann dazu geführt, dass sie sich inzwischen bei den Wirten etabliert hat und überall herzlich aufgenommen wird.
«Beide bieten ­Geborgenheit, ein Stück Heimat»
Corinne Dobler gehört zu den wenigen Gastro-Seelsorgern, die es noch gibt. Das sei insofern schade, da das Gastgewerbe und die Kirche doch einige Parallelen hätten. «Beide bieten ein Gefühl von Geborgenheit, ein Stück Heimat sowie ein soziales Netzwerk.» Für diesen grossen Dienst an der Gesellschaft könne man den Beizern nicht genug danken. Und was sie an den Beizern auch noch mag: «Sie arbeiten, wenn es ans Arbeiten geht, aber können auch richtig festen, wenn es ans Feiern geht. Und für beides bin auch ich gerne zu haben», sagt sie und lacht.