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«Für Giuseppe D'Errico tut es mir leid»

Benny Epstein – 05. Juni 2020
Antonio Colaianni wird neuer Chef im Zürcher Ristorante Ornellaia. Der Spitzenkoch übernimmt von Giuseppe D'Errico, dem fehlende Kompromissbereitschaft vorgeworfen wird. Im Interview erklärt Colaianni seine Pläne.

Ein Michelin-Stern, 17 Gault-Millau-Punkte – und die Kündigung! Nach nur anderthalb Jahren ist die Zeit von Giuseppe D'Errico (33) als Küchenchef im Ristorante Ornellaia, einem Joint Venture des toskanischen Spitzenweinguts Ornellaia und des Zürcher Gastrounternehmens Bindella, aus wirtschaftlichen Gründen abgelaufen. Der Vorwurf an den italienischen Spitzenkoch: Er sei nicht kompromissbereit gewesen. Mehr dazu unten im Interview. D'Erricos Nachfolger ist ein Altbekannter: Antonio Colaianni. Der 50-Jährige begeisterte seine treue Stammkundschaft bis Ende 2019 als Geschäftstführer im Restaurant Gustav (ebenfalls 1 Stern, 17 Punkte) gemeinsam mit Küchenchef Antonino Alampi, ehe das Restaurant und die Gustav-Apartments geschlossen wurden (GastroJournal berichtete). Aus wirtschaftlichen Gründen... Im GastroJournal spricht Colaianni über Kompromisse, Wirtschaftlichkeit und sein neues Team GastroJournal: Antonio Colaianni, Sie werden Geschäftsführer im Ristorante Ornellaia mitten in Zürich. Wann geht es für Sie los?
Antonio Colaianni: Mitte August nehme ich die Arbeit auf und die Eröffnung ist für Anfang September geplant. Aufgrund der Corona-Massnahmen beschloss die Unternehmensleitung, das Restaurant noch bis dann geschlossen zu lassen, da es mit den übriggebliebenen Sitzplätzen so nicht rentiert. Wie viele Sitzplätze stehen bei Normalbetrieb zur Verfügung?
Maximal 48, eine gute Grösse. Während Sie sich über den neuen Job freuen, muss Ihr Vorgänger Giuseppe D’Errico die Kündigung verdauen. Kennen Sie ihn?
Ich habe zweimal bei ihm im Ornellaia gegessen. Das zweite Mal war schlichtweg hervorragend. Es tut mir sehr leid für ihn. Ich werde ihn anrufen. Das klingt vielleicht schräg, aber auch wenn ich mich über die Anstellung freue, weiss ich auch, dass die Geschichte für ihn unschön ist. Wie kam zu Ihrem Engagement?
Die Firma (das Ristorante Ornellaia ist eine Kooperation zwischen dem Toskaner Spitzenweingut Ornellaia und dem Zürcher Gastrounternehmen Bindella; Anm. d. Red.) kam auf mich zu. Und ja, in der jetzigen Zeit muss halt jeder für sich schauen. Den ersten Kontakt gab es vor mehreren Wochen. Es war keine Kurzschlussentscheidung. Der Vorwurf an Giuseppe D’Errico lautet, er sei nicht kompromissbereit gewesen.
Er ist ein sehr ambitionierter Koch, arbeitete davor im französischen Dreisterne-Restaurant Troisgros. Sein Ziel sind möglichst viele Punkte und Sterne. Die Wirtschaftlichkeit steht nicht im Vordergrund. Ich kann ihn verstehen, doch diese besondere Zeit erfordert ein anderes Denken. Aber nochmals: Es tut mir sehr leid für ihn, er ist ein guter Typ und ein talentierter Koch. Welchen Tipp haben Sie für junge, ambitionierte Köche für diese besondere Zeit?
Er müsste vielleicht ein, zwei Schritte zurückbuchstabieren. Ansonsten wird es schwierig für solche Köche. Zurzeit kann es sich kein Betrieb erlauben, jährlich grössere Beträge abzuschreiben. Nichts für ungut, aber Ihnen sagt man auch nicht das wirtschaftlichste Denken nach.
Das ist korrekt. Als ich im Gustav übernahm, sagte ich klar, dass unter den dortigen Umständen kein Gourmetrestaurant wirtschaftlich funktionieren kann. Das war mir klar, ich kann rechnen. Doch der Betreiber wollte en Restaurant auf hohem Niveau. Die Idee war, dieses über die dazugehörende Residenz quer zu finanzieren. Bewusst hielt ich die Preise moderat, um eine breite Kundschaft anzuziehen. In einem halbleeren Lokal entsteht schliesslich kein Ambiente. Zuletzt lief der Betrieb so gut, dass wir es wohl auf eine ausgeglichene Bilanz geschafft hätten. Was wird sich unter Ihnen im Ornellaia ändern?
Die Preise kommen sicher herunter. Die Hauptgänge werden nicht mehr im Achtziger-Bereich (die drei Hauptgänge auf dem letzten Menü von D’Errico kosteten 69, 79 und 83 Franken, Anm. d. Red.) sein. Die Weinkarte wird leicht angepasst. Und das Speiseangebot wird alltagstauglicher sein, ungefähr so wie damals im Gustav. Ich stehe für hochwertige, geschmacksvolle, sehr zugängliche Gerichte. Darf sich der Gast auf die gleiche Küche freuen wie im Gustav?
Ich kann jetzt sogar noch fokussierter arbeiten, zumal wir weniger Plätze haben. Die Küche wird sicher sehr ähnlich, vielleicht noch ein weniger präziser. Aber sicher nicht mit mehr Chichi. Sie treten seit Jahren als Küchen-Duo mit Antonino Alampi auf. Auch im Ornellaia?
Ja, Antonino ist als Küchenchef dabei. Ich werde Geschäftsführer sein, meine Ideen und Kreationen einbringen und während dem Service am Pass stehen. Auch mit meinem künftigen Sous-chef habe ich bereits gearbeitet. Als Chef de partie und der Pâtissier sind auch Leute geplant, mit denen ich bereits gearbeitet habe. Da laufen noch Verhandlungen. Antonino Alampi und Sie zusammen in der Küche, ein renommiertes Duo – das klingt im Vergleich zu Ihrem Vorgänger – einem Italiener, der erstmals Küchenchef war – nicht nach einer günstigeren Lösung.
Ich kenne unser Budget noch nicht. Aber egal wie: Die Kosten werden gesenkt und der Umsatz muss steigen. Zudem, so denke ich, werde ich eine ganz andere Gästefrequenz anziehen. Sein Pech war, dass er hier noch keinen Namen hatte. Das braucht Zeit. Ich greife auf eine grosse Stammkundschaft zurück, die seit 1998 bei mir isst.