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In Turin Geschichte schreiben

Cristina Bürgi – 06. Juni 2018
Er ist jung, ambitioniert und hochtalentiert: Mario Garcia gibt alles, um seinen Traum vom Bocuse d’Or-Sieg zu realisieren.

Der 27-jährige Mario Garcia ist zweifacher Juniorenkochweltmeister, Kochbuchautor und ehemaliger Teamcaptain der Schweizer Kochnationalmannschaft. In Horw führt er seine eigene Kochschule «cre/ate», wo er diverse Kurse ­anbietet. Dieses Engagement hat Garcia aber vorerst auf Eis gelegt, um sich ganz auf seine Teilnahme beim «Bocuse d’Or» zu konzentrieren. Nächsten Montag, 11. Juni, vertritt er die Schweiz am europäischen Finale in Turin. GastroJournal: Wie hat sich Ihr Alltag seit dem Sieg beim Bocuse d’Or Suisse verändert?
Mario Garcia: Mein Alltag hat sich in vielen Belangen sehr verändert. Ich kenne den mentalen Druck schon von meiner Zeit in der Kochnationalmannschaft und von ­sonstigen Wettbewerben, aber was hier in meinem Kopf abgeht, das kenne ich so nicht. Ich lebe momentan für diesen Wettbewerb und unseren Traum. Der erste Gedanke am Morgen und der letzte am Abend drehen sich um den Bocuse d’Or. Ich habe meine Selbständigkeit auf Eis gelegt, um mich nur auf diese eine Sache zu konzentrieren. Ich möchte, dass es perfekt ist! Wie haben Sie sich auf das europäische Finale vorbereitet?
Am Anfang war die Entwicklungsphase des Menüs. Dafür bin ich mit einem meiner besten Freunde, Ale Mordasini, in ein Berghaus ins Tessin gefahren. Abgelegen und ohne Ablenkung, kreierten wir dort zwei Tage lang das Menü beziehungsweise die Ideen für Turin. Wir versuchten, die Produkte, die vorgegeben sind, so schön wie möglich in Szene zu setzen. Anschliessend ging es in meinem Kochstudio in Horw mit dem Entwickeln der Rezepturen und Komponenten los. Ich begann jeweils um 6 oder 7 Uhr morgens und arbeitete so lange daran, bis es passte und ich mein Tagesziel erreicht hatte.

«Ich habe meine Selbständigkeit auf Eis gelegt»
Ende April haben die Probeläufe begonnen: Mit meinem Commis Martin Amstutz und meinem Coach Rasmus Springbrunn trieben wir das Menü zur Perfektion. Der Monat Mai war bis jetzt der intensivste, auch vom Tagesablauf her: Es gab so viele Dinge, an die ich denken und die ich organisieren musste. Der Druck stieg enorm, mental ging hier einiges. Aber ich habe eine sehr gute Mentaltrainerin, welche mich optimal vorbereitet. Was haben Sie aus der Erfahrung der Schweizer Vorausscheidung gelernt?
Sie war für uns der erste Schritt in Richtung meines Traums. Es tat sehr gut, nach zwei Jahren wieder Wett­bewerbsluft zu schnuppern und unter Zeitdruck genau das abzuliefern, was ich trainiert hatte. Ich habe viel über meinen Commis gelernt, wie er sich unter Anspannung verhält. Er ist das Beste, was mir passieren konnte. Ich freue mich, mit ihm zusammen in Turin alles zu geben! Können Sie uns die Gerichte beschreiben, die Sie in Turin der Jury präsentieren werden?
Das ist nicht ganz einfach und vor allem wollen wir noch nicht zu viel verraten. Beide Gerichte tragen voll und ganz meine Handschrift und ich freue mich unglaublich darauf, das Ganze zu präsentieren. Wir haben den Fokus auf die internationale Jury gelegt: Uns ist es wichtig, den Geschmack aller zu treffen und mit Lebensmitteln zu arbeiten, die allen vertraut sind. Die Vorspeise ist eine Kombination aus ­Castelmagno Käse, der vorgegeben ist, sowie Eiern. Dazu kommen Geschmäcker und Komponenten wie Estragon, Aprikose und Kartoffeln. Der Hauptgang besteht aus
«Mein Commis ist das Beste, was mir passieren konnte»
Rindsfilet, Kalbsmilke und Risottoreis. Diese drei Dinge sind vorgegeben. Dazu kommen Geschmäcker wie Apfel, Trüffel, Zwiebel, Bärlauch und eine kleine Rauchnote. Eine Garnitur muss unser Land repräsentieren, hier servieren wir natürlich etwas mit einem dezenten Käsegeschmack, um den Geschmack aller Juroren zu treffen. Wie möchten Sie sich beim europäischen Finale von den Konkurrenten abheben?
Mit dieser Frage habe ich mich unglaublich intensiv auseinandergesetzt. Kochen ist etwas, das nicht objektiv ist. Dies bringt mich immer wieder an einen Punkt, an dem ich mir viele Gedanken mache. Die Zeit ist messbar, ob etwas stylish ist oder nicht hingegen weniger. Hier kommt unsere Wettbewerbs- erfahrung zum Zuge: Überzeugen muss man mit Geschmäckern, die klar, intensiv und perfekt aufeinander abgestimmt sind. Zusätzlich haben wir zwei bis drei Dinge, die sehr innovativ sind und bei denen man erkennt, dass sehr viel Zeit investiert wurde. Die Platte ist genau auf unsere Teller abgestimmt und enthält ein Element, welches so noch nie da gewesen ist. Auf das sind wir mega stolz! Was tun Sie, wenn Sie es unter die Top 20 schaffen? Und was, wenn nicht?
Wir freuen uns! Alles kann passieren, aber den Gedanken, dass es nicht klappt, probiere ich mental so gering wie möglich zu halten. Man
«Für meinen Traum vom Sieg investiere ich alles»
muss dankbar sein für diesen Gedanken, er hilft einem, immer besser und besser zu werden. Aber man hält ihn so klein wie möglich! Hier hilft mir meine Mentaltrainerin. In meinem Kopf sehe ich ein genaues Bild davon, wie es am Schluss aussieht und was ich fühle, wenn alles klappt. Wie fühlen Sie sich angesichts des Wettbewerbs in Turin, der immer näher rückt?
Ich fühle mich grundsätzlich sehr gut, ich bin momentan in meiner eigenen Welt. Hier dreht sich alles um diesen Traum, ich möchte Geschichte schreiben für die Schweiz. Dafür investiere ich alles! Finden Sie, dass die Schweizer Kandidaten hierzulande gute Bedingungen haben, um sich auf die Wettbewerbe vorzubereiten?
Das ist immer Ansichtssache. Ich werde von der Schweizer Akademie des Bocuse d’Or unterstützt: Lucien Mosimann und Anna Pernet sind immer da, wenn ich sie brauche, und Franck Giovannini kommt zum Testessen. Die anderen Bedingungen erschaffe ich mir selber, ich habe den besten Coach und den besten Commis, ausserdem sind Ale Mordasini oder Dani Schmidlin immer für mich da. Ich habe das unglaubliche Glück, das so viele Leute an unser Ziel glauben und alles dafür tun, dass wir es erreichen. Wir arbeiten mit Spezialisten zusammen, die auf ihrem Gebiet Experten sind, vom Plattenbauer über 3D-Drucker, Schreiner, Lebensmittelproduzenten et cetera. Mir ist keine Minute zu kostbar für dieses Projekt, ich investiere extrem viel und der Output wird am 12 Juni in Turin ersichtlich sein. www.bocusedorsuisse.ch En françaisPage